Die Wiederinbetriebnahme von stillgelegten alten Bahnstrecken ist gerade in einem Flächenland wie Niedersachsen ein wichtiger Baustein für die Verbesserung einer bedarfsgerechten und nachhaltigen Mobilität. Insbesondere können wir mit Streckenreaktivierungen die Mobilitätsangebote für Menschen im ländlichen Raum angebotsorientiert ausbauen. Neben einer Fortführung des Deutschland-Tickets ist ein solcher Ausbau des Angebots zentral, um das Ziel des Landes einer Verdopplung der Fahrgastzahlen im Öffentlichen Personennahverkehr bis 2030 zu erreichen.
Bereits 2013-2017 ist es unter Grüner Regierungsbeteiligung maßgeblich gelungen, einen Reaktivierungsprozess von stillgelegten Bahnstrecken für den Personen-Nahverkehr in Niedersachsen auf den Weg zu bringen. Dieser führte zur Inbetriebnahme zweier Strecken (Einbeck Salzderhelden > Einbeck-Mitte sowie Bad Bentheim > Neuenhaus) mit ganztägigem Zugbetrieb an allen Wochentagen. Diesen Erfolg wollen wir fortsetzen: Zusammen mit der SPD vereinbarten wir im gemeinsamen Koalitionsvertrag eine Neuauflage des Reaktivierungsprogramms, den das niedersächsische Wirtschafts- und Verkehrsministerium unter Begleitung eines parlamentarischen Lenkungskreises im Frühjahr 2023 startete.
Das neue Förderrecht nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) des Bundes bietet neue Möglichkeiten zur Finanzierung von Streckenreaktivierungen; der Bund übernimmt bis zu 90 Prozent der Baukosten. Voraussetzung hierfür ist die nachgewiesene Wirtschaftlichkeit (positives Kosten-Nutzen-Verhältnis) eines Projektes, die nach der Standardisierten Bewertung festgestellt wird. Nach der neuen Verfahrensanleitung der Standardisierten Bewertung bezieht diese verstärkt ökologische und soziale Kriterien in die Bewertung ein (z.B. Treibhausgasemissionen, Flächenverbrauch und Anbindung von zentralen Orten). Mit dem neuen Reaktivierungsprogramm wollen wir auf dieser Grundlage neue Reaktivierungsprojekte auf den Weg bringen. Parallel werden bestehende Vorhaben vorangetrieben.
Die Untersuchung, welche Strecken für eine Reaktivierung in Frage kommen, wird durch die niedersächsische Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG) in einem vierstufigen Verfahren durchgeführt. In der bereits abgeschlossenen Stufe 1 erfolgte eine Vorauswahl der Strecken anhand eines Kriterienkataloges (z.B. Einwohnenden- und Verkehrspotenzial, Investitionsbedarf, Verbindung in bestehendes Schienennetz). In Stufe 2 folgt eine Nutzwertanalyse, in der die aussichtsreichsten Strecken für eine detaillierte Kosten-Nutzen-Analyse ausgewählt werden. Anschließend werden in Stufe 3 die langfristig anfallenden Betriebskosten ermittelt, bevor in Stufe 4 die konkrete Planung und Vorbereitung der GFVG-Förderantragsstellung erfolgt. Der parlamentarische Lenkungskreis begleitet dieses Verfahren. Diesem gehören die verkehrspolitischen Sprecher*innen der Landtagsfraktionen sowie Vertreter*innen von Fachorganisationen und kommunalen Spitzenverbänden an.
In der ersten Stufe wurden bisher 54 Strecken untersucht. 15 dieser Strecken konnten bereits in Stufe 2 (Nutzwertanalyse) aufrücken. Dies sind folgende Strecken:
Außerhalb dieses Verfahrens wird bei weiteren Strecken die Reaktivierungsplanung vorangetrieben:
Im derzeitigen Reaktivierungsprogramm setzen wir uns dafür ein, dass die Potenziale für Streckenreaktivierungen und Förderungen bestmöglich ausgenutzt werden und keine Strecken durchs Raster fallen. Insbesondere Strecken, die es bei der ersten Bewertung nur knapp nicht in die nächste Stufe geschafft haben, müssen daher im Austausch mit den Kommunen nochmals besonders betrachtet werden. Bei allen für eine Reaktivierung in Betracht kommenden Strecken sollte eine Anbindung an den Deutschlandtakt geprüft werden.
Bahnverbände und lokale Initiativen spielen mit ihrem langjährigen Engagement und lokalem Wissen eine wichtige Rolle im Reaktivierungsprozess. Wir unterstützen mit unseren parlamentarischen Initiativen sowie im Lenkungskreis ihre Forderungen und danken den Verbänden und Initiativen für ihr wichtiges Engagement für mehr Bahnverkehr in Niedersachsen.