Antrag: Klimaschutz endlich auch im Bundesverkehrswegeplan berücksichtigen! Bedarfsplanüberprüfung jetzt!

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

Die Klimakrise anzuerkennen erfordert, vor allem im Verkehrssektor, in dem wir steigende CO2- und Feinstaubwerte verzeichnen, konsequentes Handeln und konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Verkehrsträger Schiene und Wasser sowie eine Neustrukturierung der Planungs- und Baubehörden im Straßensektor zur Stärkung des Radverkehrs.

Das Europarlament und auch zahlreiche Kommunen haben den Klimanotstand ausgerufen. Alle Maßnahmen stehen unter dem Vorbehalt, ob sie mit den Pariser Klimazielen vereinbar sind. Die Mobilität muss somit klimatauglich werden.

Für die im 2016 beschlossenen Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP2030) Verkehrsprojekte stellt das Bundesverkehrsministerium sogenannte Fünfjahrespläne auf. In diesen Investitionsrahmenplänen (IRP) werden Investitionsschwerpunkte für den Aus- und Neubau festgelegt. Darüber hinaus ist das Bundesverkehrsministerium verpflichtet, im Rahmen der Bedarfsplanüberprüfung alle fünf Jahre zu prüfen, ob die Bedarfspläne an die Verkehrs- und Wirtschaftsentwicklung angepasst werden müssen.

Auf der Grundlage des BVWP 2030 wurde der Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen, auch für Niedersachsen, aufgestellt. Mit dem Bedarfsplan hat der Bund den verkehrlichen Bedarf festgestellt und gesetzlich vorgegeben, welche größeren Bundesfernstraßenmaßnahmen im Zeitraum bis 2030 geplant und realisiert werden sollen. Dieses sind die Maßnahmen, die im Bedarfsplan in den „vordringlichen Bedarf“ eingestuft sind. Zu den Maßnahmen im vordringlichen Bedarf gehören das Autobahnprojekt A 20, das Autobahnprojekt A 39, der Neubau der Autobahn A 33 Nord, die B 213 (E 233) und Teilabschnitte der Bundesstraßen B 65, B 210 und die B 212. Die Hochstufung insbesondere für die Projekte A 20 und A 39 in den vordringlichen Bedarf erfolgte im Rahmen der Neuaufstellung des BVWP 2030. Begründet wurde die Hochstufung mit dem Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) der Projekte, die jedoch auf einer veralteten Datengrundlage zu den Baukosten basiert. Es ist somit davon auszugehen, dass die Kostenschätzungen für die zahlreichen Straßenprojekte um ein Vielfaches überschritten werden. Im Rahmen des Bewertungsprozesses wurden bei den Projekten A 20 und A 39 außerdem die Kriterien der Raumordnung verändert. Neben den hohen und stark ansteigenden Baukosten muss auch die Natur einen sehr hohen Preis für die genannten Bauprojekte zahlen, der bisher nicht (vollständig) im NKV und im BVWP eingeflossen ist.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

  • das Bundesverkehrsministerium im Rahmen der verpflichtenden Bedarfsplanüberprüfung aufzufordern, neben der Verkehrs- und Wirtschaftlichkeitsprüfung auch die Vereinbarkeit der Straßenneubau- und Ausbauprojekte in Niedersachsen im vordringlichen Bedarf, insbesondere die der geplanten Bundesfernstraßenprojekte A 20, A 39, A 33 Nord, B 210, B 212, B 213(E233) und B 65 unter Einhaltung des Klimaschutzzieles von mindestens -40 Prozent bis 2030 zu prüfen. Bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung sind die aktuellen Kostenentwicklungen und bereits bekannten Kostensteigerungen zu berücksichtigen. Die Parameter für die Nutzen-Kosten-Analyse sind entsprechend neu zu ermitteln und anzupassen,
  • eine Ermittlung der Umweltbetroffenheit in Bezug auf die SUP-Kriterien (Tabelle 39 und 40 des Umweltberichtes zum BVWP 2016-2030: Kriterienkatalog zu den umwelt- und naturschutzfachlichen Wirkungen) der in Bau gegangenen Projekte zu veranlassen, um zu eruieren ob diese signifikant von den im BVWP beurteilten Projekten abweichen, 
  • in Abstimmung mit dem Bundesverkehrsministerium die weiteren Planungen für die Straßenneubau- und Ausbauprojekte des vordringlichen Bedarfes in Niedersachsen einzustellen, bis die Bedarfsplanüberprüfungen abgeschlossen sind und entsprechende Ergebnisse vorliegen,
  • bereits bekannte verkehrsträgerübergreifende Alternativen anhand der Kriterien Verkehrsentwicklung, Wirtschaftsentwicklung, Umweltbelastungen, Klimaschutz und Kostenentwicklung zu konkretisieren und das Bundesverkehrsministerium aufzufordern, die Alternativprüfungen in die Bedarfsplanüberprüfung mit aufzunehmen. Umweltfreundliche Mobilität ist zu Lasten des Straßenbaus zu implementieren.

Begründung

Deutschland und auch Niedersachsen brauchen angesichts der Klimakrise dringend und schnell eine Verkehrswende. Im Verkehrssektor steigt jedoch der CO2 Ausstoß weiter an anstatt zu sinken. Die fehlende Verkehrswende mindert die Lebensqualität der Bürger*innen auch in Niedersachsen eklatant. Der Bundesverkehrswegeplan darf nicht weiter dem veralteten Primat der Straße und des Autoverkehrs dienen, sondern muss zuerst dem Gesundheits-, dem Umwelt- und dem Klimaschutz dienen. Dieses muss spätestens bei den verpflichtenden Bedarfsplanüberprüfungen des BVWP 2030 auch für die ökologisch und ökonomisch nicht vertretbaren Straßenbauprojekte in Niedersachsen eine herausragende und übergeordnete Rolle spielen. Die Aufnahme der Straßenbauprojekte in den vordringlichen Bedarf des BVWP, insbesondere die A 39, A 20, A33 Nord, aber auch die Ausbaupläne insbesondere für die Bundesstraßen B 65, B 210, B 212 und B 213(E233) in Niedersachsen, ist nicht gerechtfertigt und weist bei der Beurteilung und Planung große Mängel auf. Wesentliche Aspekte der Umweltbelastungen wurden nicht berücksichtigt und flossen somit nicht in den Nutzen-Kosten-Wert ein. Damit ist der BVWP 2030 beispielsweise deutlich hinter der Umweltrisikoeinschätzung von 2003 zurückgeblieben.

Darüber hinaus basiert die Berechnung der Gesamtkosten für die Straßenbauprojekte in Niedersachsen auf einem Stand aus dem Jahr 2012. Kostensteigerungen wurden bei allen Projekten in Niedersachsen nicht berücksichtigt. Ebenso sind Planungskosten, Ersatzinvestitionen, Reisenutzen, Flächenverbrauch und der Negativnutzen nicht, bzw. nicht vollständig, in die Nutzen-Kosten-Analyse einbezogen worden. Die Auswirkungen auf die Landwirtschaft durch den Flächenverbrauch und entsprechende Umsatzverluste sind überhaupt nicht berücksichtigt worden, wie mehrere Studien der Fachagentur Regio Consult aufgezeigt haben.

Der Bundesrechnungshof hatte in Bezug auf den BVWP 2030 kritisiert, dass keine belastbaren Datengrundlagen für die Ermittlung der tatsächlichen Investitionskosten vorhanden sind. Es ist davon auszugehen, dass die Straßenbauprojekte in Niedersachsen wirtschaftlich nicht vertretbar sind. Bei dem Lückenschluss der geplanten A 39 zwischen Lüneburg und Wolfsburg ist bereits ein Kostenanstieg um 200 Millionen Euro bestätigt und mit weiteren Kostensteigerungen ist in der derzeitigen Lage zu rechnen.

Auch die Entschädigung der Landwirte für die benötigten Flächen wird vermutlich teurer werden. Der Landesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz Niedersachsen geht bezüglich der A 39 von Kosten in Höhe von 1,6 Milliarden Euro aus. Damit sinkt der Nutzen-Kosten-Wert auf unter 1,0 und das Projekt A 39 ist somit unwirtschaftlich sowie volks- und regionalwirtschaftlich nicht mehr zu vertreten.

Auch für die geplante Küstenautobahn A 20 ist mit eklatanten Kostensteigerungen zu rechnen. Dieses Autobahnprojekt gehört zu den umweltschädlichsten Fernstraßenprojekte bundesweit. Nach wie vor steht die A 20 nicht als vorrangiges Projekt im Europäischen Verkehrsnetz (TEN) und wird als nicht notwendig eingestuft, da u.a. die Güterverkehrsströme nicht nach Osten und Westen, sondern vorrangig nach Süden abfließen. Die vorgesehene Trasse führt durch zahlreiche Moor- und Marschlandschaften und ist somit bei einer Realisierung mit nicht vertretbaren Risiken verbunden.

Die geplante A 33 Nord zeichnet sich negativ durch einen unverhältnismäßig hohen Landschaftsverbrauch von 52 Hektar aus. Auch hier würde eine intakte Kulturlandschaft zerstört. Darüber hinaus durchschneidet die geplante Trasse ein vorhandenes FFH-Schutzgebiet. Auch bei diesem Projekt ist mit eklatanten Kostensteigerungen zu rechnen. Ähnliche Problematiken ergeben sich aber auch für Straßenbauprojekte wie der B 210n, der B212n, B 213 (E233) und der B 65 sowie weiteren Projekten in Niedersachsen. Angesichts des dramatischen Klimawandels und der sich draus ergebenden Handlungsnotwendigkeiten ist die Realisierung dieser Straßenbauprojekte in Niedersachsen mit den jetzigen Erkenntnissen nicht vertretbar.

Niedersachsen muss sich im Rahmen der Bedarfsplanüberprüfungen BVWP 2030 für eine Neuausrichtung des Bundesverkehrswegeplans einsetzen, um nachhaltige Mobilität, Klimaschutz, Gesundheitsschutz und Unfallvermeidung in einem Bundesnetzplan (Mobilitätsplan) zu stärken.

Es bedarf dringend einer vernetzten Planung von Schiene, Wasserwegen und Straße, wobei Investitionen im Bestand einen deutlichen Vorrang vor einem ressourcen- und naturraumverschlingenden Neubau haben müssen. Als Beispiel gilt hier der vollständige Ausbau der Bundesstraße 4 zur 2 plus 1 Straße statt der Realisierung der A 39 von Lüneburg nach Wolfsburg.

Wir brauchen deutlich mehr finanzielle Mittel für den Ausbau von Schienenprojekten, des ÖPNV, des Güterverkehres auf dem Wasser sowie für überregionale Radwegeprojekte zu Lasten von ökologisch und ökonomisch nicht vertretbaren Straßenneubauprojekten. Als positives Projekt begrüßen wir den Ersatzneubau der Schleuse Scharnebeck. Ebenso muss das Schienenprojekt Alpha E zwischen Hamburg, Bremen und Hannover nun zügig vorangetrieben werden wie auch das Schienenausbauprojekt Hannover-Bielefeld als Ausbau im Bestand voranzubringen ist. Die Inbetriebnahme stillgelegter Bahnstrecken sowie der Ausbau des Regionalbahnverkehrs in Niedersachsen sind gute Alternativlösungen gegenüber dem Neubau von Straßen.

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