Pressemeldung Nr. 40 vom

Land plant zahlreiche Lockerungen – Expert*innen warnen bei Grünen-Online-Hearing :Grüne: Lockerungen allein sind keine Strategie für ein Leben mit dem Virus - Land riskiert mit planlosem Agieren Jo-Jo-Effekt statt Planungssicherheit

Es ist richtig und überfällig, zwischen draußen und drinnen sowie regionalen Infektionsquoten zu differenzieren. Seit Monaten fordern wir Perspektiven für ein Leben mit dem Virus. Aber: Lockerungen allein sind eben noch keine Strategie. Diese würde Ziele definieren, um die Infektionszahlen nachhaltig zu senken und Maßnahmen benennen, die ein Hochschnellen der Zahlen verhindern.

Darum geht’s 

Die Landesregierung hat angesichts langsam wieder sinkender Corona-Zahlen am Dienstag (4. Mai) zahlreiche kurzfristige Lockerungen von Corona-Einschränkungen angekündigt, unter anderem für Gastronomie, Einzelhandel, Schulen, Hotels und andere Bereiche mehr. In einer länderübergreifenden Online-Anhörung der GRÜNEN warnten parallel Expert*innen aus Wissenschaft und Medizin angesichts der immer noch vergleichsweise hohen Corona-Inzidenzen vor einer Lockerungsstrategie bei hohen Inzidenzen. Nur wenn es zunächst gelinge, die Infektionsrate nachhaltig stark zu senken, seien die ersehnten Lockerungen auf Dauer zu gewährleisten. Es bestehe ansonsten die Gefahr, dass die Geschwindigkeit des Öffnens höher sei als die Geschwindigkeit des Impfens. Es drohe erneut ein frustrierender Jo-Jo-Effekt, die Infektionszahlen steigen und Lockerungen müssten schnell wieder zurückgenommen werden. Die Impfstrategie müsse durch eine intelligente Teststrategie und das Ziel einer niedrigen Inzidenz und Ansteckungsrate begleitet werden.

Das sagen die Grünen

Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag:

„Wir befinden uns derzeit in einer entscheidenden Phase der Pandemie. Die Impfkampagne hat deutlich an Fahrt aufgenommen und dennoch dürfen wir uns noch nicht in Sicherheit wiegen. Nach wie vor sind die Infektionszahlen hoch und die Lage auf den Intensivstationen angespannt. Die Bürgerrechte gebieten, dass die Beschränkungen für Geimpfte und Genesene mit Augenmaß zurückgenommen werden, wenn die medizinische Grundlage entfällt. Eine solche Regelung ist überfällig. Aber es ist auch klar, dass viele Menschen noch nicht geimpft sind. Für Kinder und Jugendliche steht ein Impfstoff bald vor der Tür. Wir brauchen jetzt eine umfassende Strategie für Kinder und Jugendliche, damit dieser Impfstart nicht auch wieder im Chaos endet."

Julia Willie Hamburg, Fraktionsvorsitzende der Grünen:

„Es ist richtig und überfällig, zwischen draußen und drinnen sowie regionalen Infektionsquoten zu differenzieren. Seit Monaten fordern wir Perspektiven für ein Leben mit dem Virus. Aber: Lockerungen allein sind eben noch keine Strategie. Diese würde Ziele definieren, um die Infektionszahlen nachhaltig zu senken und Maßnahmen benennen, die ein Hochschnellen der Zahlen verhindern. Es würde auch einen Stufenplan für Lockerungen und Verschärfungen vorsehen. Aber auf all die Fragen gibt die Landesregierung keine Antworten – stattdessen agiert sie so wie im vergangenen Jahr: planlos. Die Fortschritte beim Impfen und die allmählich bei uns wieder sinkenden Zahlen von neuen Corona-Erkrankungen machen Hoffnung – Politik darf sich aber nicht allein auf den Impffortschritt verlassen.

Das länderübergreife Corona-Hearing der Grünen heute mit sieben Expert*innen hat sehr deutlich gezeigt, dass Lockerungen an eine wesentliche Voraussetzung geknüpft werden müssen: Die Corona-Ansteckungsrate muss dauerhaft gesenkt werden. Das hat die Landesregierung aber nicht im Blick. Plötzlich soll in wenigen Tagen in Niedersachsen wieder sehr viel möglich sein. Wo sind dafür die nötigen Voraussetzungen und Begleitmaßnahmen? Noch lange ist nur eine Minderheit geimpft. Den Infektionsschutz am Arbeitsplatz hat die Landesregierung noch immer nicht ausreichend im Blick. Und auch für die betroffenen Branchen der Gastronomie, Hotellerie und Veranstaltungsbranche sind die Aussagen heute nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Montag werden nicht alle einfach wieder loslegen können – das braucht Planung. Und wer jetzt hektisch Veranstaltungen für die kommende Woche plant, kann sich nicht darauf verlassen, dass dies in einem Monat noch gilt. Denn das Risiko des Jo-Jo-Effekts zu wieder strengeren Maßnahmen ist groß.

Besser wäre es, die Zahlen nachhaltig zu senken und währenddessen in Zusammenarbeit auch der betroffenen Wirtschaftsbereiche ein Modell zum Hochfahren zu entwickeln, dass ihnen Planungssicherheit über die nächsten drei Wochen hinaus liefert. Wir sind nicht mehr im Mai 2020, wir wissen mittlerweile über das Virus und die Verbreitungswege deutlich mehr. Statt eines Konzeptes gibt es von der Landesregierung aber weiterhin Try-and- Error und das Prinzip Hoffnung - die gleichen Antworten wie im vorigen Jahr.

Hintergrund zur Online-Anhörung „Strategien gegen die Pandemie“

Die Corona-Pandemie tritt angesichts langsam sinkender Infektionszahlen in der dritten Welle und gleichzeitigen Fortschritten beim Impfen in eine entscheidende Phase. Wie kann in dieser Phase eine nachhaltige Strategie gegen die Pandemie und zugleich für konkrete Schritte in ein Leben mit Corona aussehen? Diese Frage stand im Zentrum einer GRÜNEN-Online-Anhörung am Dienstag (4. Mai) mit sieben renommierten Expert*innen aus Wissenschaft und Medizin. Einhellig warnten diese vor Lockerungen ohne eine klare Strategie zur Eindämmung der Infektionen. Wie in der Vergangenheit auch drohe sonst wieder der Jo-Jo-Effekt, dass Lockerungen schnell wieder zurückgenommen werden müssten.

Deutlich wurde: Neben dem Impfen gehören zu einer vorsichtigen Öffnungsperspektive deshalb Vorgaben für Hygiene und Tests, auch eine Testpflicht in der Arbeitswelt, und andere präventive Maßnahmen zwingend dazu, um wieder steigende Infektionen und erneut hohe Todeszahlen zu vermeiden. Mit solchen Begleitmaßnahmen ließen sich auch für Kinder und Jugendliche und deren Familien die ersehnten Öffnungen schrittweise verantworten.

Rund 250 Personen folgten dem öffentlichen Livestream der gemeinsamen Anhörung von sieben GRÜNEN-Landtagsfraktionen, an der auch die Co-Vorsitzenden der GRÜNEN im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, teilnahm. Um ein Leben mit der noch länger bestehenden Corona-Gefahr so gut wie möglich zu organisieren, muss für die politischen Entscheidungen zwingend gelten, den engen Dialog mit der Wissenschaft zu suchen. So drehten sich die Fragen aus den GRÜNEN-Fraktionen vor allem um die Perspektiven für Kinder und Familien, um die betrieblichen Vorgaben für den Arbeitsschutz und die Wirksamkeit einzelner Corona-Maßnahmen. Der Zusammenschluss von sieben Grünen-Landtagsfraktionen für diese Anhörung stellt zudem heraus, wie wichtig es gerade in der Corona-Pandemie ist, länderübergreifend miteinander zu diskutieren und zu handeln.

Veranstalterinnen:

Landtagsfraktionen von Bündnis 90/Die Grünen aus Bayern, Brandenburg, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Thüringen.

Expert*innen:

  • Prof. Dr.Melanie Brinkmann
    Virologin, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung Braunschweig
  • Prof. Dr.Elvira Rosert
    Politikwissenschaftlerin, Universität Hamburg
  • Prof. Dr.Dirk Brockmann
    Physiker und Mobilitätsforscher, Humboldt-Universität Berlin
  • Dr. Markus Beier
    Allgemeinmediziner, Landesvorsitzender Bayerischer Hausärzteverband
  • Dr. Ute Teichert
    Vorsitzende Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentl. Gesundheitsdienstes e.V.
  • Prof. Dr. Michael Meyer-Hermann
    Immunologe, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung Braunschweig
  • Prof. Dr. Menno Baumann
    Pädagoge, Fliedner Fachhochschule Düsseldorf

Teilnehmende Grünen-Fraktionsvorsitzende:

Katrin Göring-Eckardt (Bundestag), Katharina Schulze (Bayern), Petra Budke und Benjamin Raschke (Brandenburg), Jennifer Jasberg (Hamburg), Julia Willie Hamburg (Niedersachsen), Verena Schäffer und Josefine Paul (NRW), Eka von Kalben (Schleswig-Holstein), Astrid Rothe-Beinlich (Thüringen).

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