Volker Bajus: Rede zur Aktuellen Stunde (GRÜNE) - Kitas zu, Eltern am Limit! Familien jetzt besser unterstützen!

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

sehr geehrte Damen und Herren,

aus den Schreiben von Familien, die wir alle bekommen, spricht immer häufiger Verzweiflung. Die Facebookgruppe „Eltern Initiativ #Eltern in der Krise“ zählt bereits über 11.000 Mitglieder. Auf Twitter finden sich unter den Hashtags „CoronaEltern“ und „Wir SindMehrAlsEltern“ dramatische Einträge. „Ich werde weder meinem Kind noch meinem Beruf gerecht. Jeder Tag fühlt sich nach Scheitern an.“ zitiert die „Welt" die Mutter einer Dreijährigen. Wenn es dieser Emotionalisierung, dieser Verbalisierung der Elternnot braucht, um das Thema überhaupt auf die politische Agenda zu hieven, verspielt die Politik gerade viel familienpolitisches Vertrauen.

Anrede,

hier geht es nicht um Luxusprobleme. Die Familie ist grundgesetzlich geschützt. Seit 2013 gibt es das Recht auf einen Kita-Platz. Familien sind das Herz unserer Gesellschaft, Wir freuen uns über jedes neue Baby. Und Frauen haben erst mit der flächendeckenden Kita eine reale Chance auf einen fairen Zugang zur Berufstätigkeit haben. All das ist jetzt in Gefahr.

Ich hoffe, die Prognose der Präsidentin des Wissenschaftszentrum Berlin, Jutta Allmendinger, geht fehl, dass Corona im Kampf um Gleichberechtigung um drei Jahrzehnte zurückwirft.

Das darf nicht sein. Das dürfen wir nicht zulassen.

Anrede,

eine umfangreiche Befragung, die die Landeselternvertretung der Kitas durchgeführt hat, zeigt, wie verbreitet die Problemlagen sind.  Die Sprecherin Christine Heymann-Splinter beschreibt die Situation in der NOZ: „Die Eltern sind am Limit, mehr denn je. Die meisten Gespräche, die wir führen, verlaufen nicht ohne Tränen.“ Dreiviertel der befragten Eltern fordern eine Öffnung noch vor den Sommerferien.

Eltern fragen sich, ob sie eigentlich keine Lobby haben. Warum gibt es Autogipfel, aber keinen Familiengipfel. Warum fordert der Ministerpräsident Autokaufprämien, aber nicht zugleich ein Corona Elterngeld? Wenn es im Land Kapazitäten gibt, Hygienepläne für die Fußball-Bundesliga zu prüfen, aber für Kitas keine Lösungen da sind, stimmen dann unsere Prioritäten eigentlich?

Für rund 350.000 Kinder ist die Kita seit acht Wochen zu. Nach dem Plan der Landesregierung soll das weitere 11 Wochen so bleiben. Die Hälfte der Kinder wird bis dahin nicht mal in die Notbetreuung können. Ob man die nutzen kann, ist mitunter Glücksspiel, wie in Osnabrück, wo das Los entscheidet. Oder in Duderstadt, wo die Stadt einer alleinerziehenden Mutter mit Hinweis auf den 200 km entfernt wohnenden Vater den Platz verweigert.

Anrede,

Natürlich, die Frage, wie Kita Öffnung und Arbeits- und Infektionsschutz, zusammengehen können ist eine Herausforderung. Aber wir haben wenig Verständnis dafür, warum man die lange Zeit des Shutdowns nicht genutzt hat, um bessere Pläne für eine Öffnung zu machen. Als dann Mitte April die Notbetreuung erweitert wurde, war vor Ort viele Tage unklar, wer davon profitieren soll. Kita-Gebühren? Ein einziger Flickenteppich! Unser Vorschlag, feste private Betreuungsgruppen zuzulassen, wurde lange ignoriert. Die aktuelle weitere Öffnung der Notbetreuung trifft die Träger völlig unvorbereitet.

Anrede,

warum binden Sie die Träger eigentlich nicht besser in die Strategiebildung ein? Das, was Sie bisher vorgelegt hat, reicht jedenfalls nicht, ist häufig unausgegoren oder kommt zu spät. Andere, nicht nur Dänemark oder Norwegen, auch viele Bundesländer sind sichtbar weiter.

Klar ist aber auch, selbst, wenn es optimal laufen würde, die Kita-Kapazitäten bleiben viel zu knapp. Um den Druck aus Familien und Kitas zu nehmen, brauchen wir endlich einen besseren Kündigungsschutz, eine Verlängerung des Elterngelds und Absenkung der Anspruchsvoraussetzungen. Denn Homeoffice ist keine Alternative. Wer das glaubt, hat noch nie kleine Kinder betreut – wie offensichtlich die Macher*innen des peinlichen Muttertagsvideos in Jens Spahns Gesundheitsministerium.

Zum Schluss noch ein Punkt: Circa 250.000 Kinder bekommen derzeit keine kostenlose warme Mahlzeit in Kita oder Schule. Während man in anderen Bundesländern immerhin Essenpakete ausgibt, gibt es vom Kultusminister hierzu im Ausschuss nur Schulterzucken. Davon wird aber kein Kind satt.

Dabei sind gerade die armen Haushalte jetzt besonders unter Druck. Die Lebensmittelpreise steigen, die Tafeln arbeiten eingeschränkt oder sind geschlossen.

Hier ist dringender Handlungsbedarf.

Zudem würde eine Essensausgabe auch hilfreich dabei sein, Kontakt zu den besonders gefährdeten Kindern zu halten und Kindeswohlgefährdungen zu vermeiden.

Anrede,

wenn Sie aber nicht in der Lage sind, für eine bessere Versorgung der Kinder und ihrer Familien zu sorgen, warum setzen Sie sich dann nicht wenigstens auf Bundesebene für einen entsprechenden Zuschlag bei der Grundsicherung der Familien ein. Warum lassen Sie alle diese Kinder und ihre Familien allein. Das ist weder christlich noch sozial.

Meine Damen und Herren,

sorgen sie endlich dafür, dass die Corona-Krise nicht noch mehr zur Familienkrise wird.

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