Volker Bajus: Rede zur Aktuellen Stunde (CDU) "Nach den Anschlägen in Dresden, Paris, Nizza und Wien - Islamismus auch im Strafvollzug konsequent bekämpfen, Deradikalisierung stärken"

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
meine Damen und Herren,

die grüne Landtagsfraktion ist Michael Fürst und Recep Bilgen, also den Jüdischen Gemeinden und der Schura Niedersachsen für ihre aktuelle gemeinsame Stellungnahme sehr dankbar. Darin heißt es: „Halle und Hanau in Deutschland, Paris und Nizza in Frankreich und zuletzt Wien in Österreich sind Fanale des Bösen, die uns verpflichten gegen Terroristen und Mörder zusammenzustehen.“

Genau, zusammenstehen! Gegen den radikalen Islamismus, der nicht nur eine Bedrohung für viele arabische und afrikanische Länder ist, sondern auch eine Gefahr für das friedliche Zusammenleben der Menschen bei uns - wie in ganz Europa.

Das Thema ist leider nicht wirklich neu. Auch nicht im Strafvollzug. Schon Anfang 2015 hat die damalige Grüne Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz die Arbeitsgruppe islamistische Radikalisierung eingesetzt, die seitdem Vorschläge für die Prävention erarbeitet.

So wurde 2016 ein Programm zur De-Radikalisierung gestartet, das vom Violence Prevention Network e.V. durchgeführt wird. Es umfasst Angebote für Gefangene sowie eine Ausstiegsbegleitung. Und die Beratung, Begleitung und Fortbildung der Mitarbeiter*innen im Justizvollzug. Auch in der Ausbildung ist der Islamismus seither systematisch Thema.

Darüber hinaus wurde die Vernetzung zwischen Justizministerium, den JVAs, dem Verfassungsschutz, dem LKA, und weiteren Ministerien über die Kompetenzstelle Islamismusprävention Niedersachsen intensiviert.

Seit 2016 werden islamistische Gefangenen auch statistisch erfasst - auch die Gefangenen, die nach sicherheitsbehördlichen und/oder vollzuglichen Erkenntnissen zumindest mit islamistischen Überzeugungen sympathisieren.

Und es war auch die Ministerin Niewisch-Lennartz, die die muslimische Seelsorge im Gefängnis gestärkt hat.

Anrede,

es ist also bereits unter Grünen Vorzeichen viel passiert. Gut, wenn nun auch die CDU das wichtige Thema für sich entdeckt.

Denn es gibt weiteren Handlungsbedarf. Über 20 % der erwachsenen Häftlinge, sogar 30 % im Jugendvollzug sind muslimisch. Da ist die Frage berechtigt: Brauchen wir auch in den Gefängnissen Integrationsbeauftragte? In NRW ist das bereits verbreitet der Fall. Angesichts der bekannten Personalunterdeckung, können solche Aufgaben nicht dem knappen Personal in den JVAs zusätzlich aufgebürdet werden. Stattdessen sollten Sie, Frau Ministerin, endlich für Entlastung der Mitarbeiter*innen sorgen. Denn Motivation und Zufriedenheit in der Belegschaft sind auch bei der Prävention hilfreich.

JVAs funktionieren in Bezug auf Ideologien leider auch mal schnell wie die aus den sozialen Medien bekannten Filterblasen. Kontakt nur zu Gleichgesinnten, einseitige Infolage, In-Group-Dynamiken. Von daher kommt der Gefängnisseelsorge besondere Bedeutung zu. Dass jetzt endlich auch in Deutschland die Imam-Ausbildung unter staatlichem Dach möglich wird, lässt hoffen, hier weitere geeignete Geistliche gewinnen zu können. Dafür Dank dem Institut für Islamwissenschaft an der Uni Osnabrück.

Am wichtigsten aber ist es, dass wir dem Terror die geistige Grundlage entziehen. Niemand darf im Namen Gottes töten, keine heilige Schrift, keine Religionsgemeinschaft solche Taten rechtfertigen.

Die Zusammenarbeit der Religionen, wie die eingangs erwähnte Stellungnahme von Muslimen und Juden in Niedersachsen, ist von daher viel wert. Aufgabe der niedersächsischen Politik ist es, die religiösen Kräfte gerade bei den Muslimen zu stärken, die für Vielfalt und Toleranz, für Religionsfreiheit und Frieden, für Aufgeklärtheit und Demokratie stehen.

Es war ein Fehler, dass die Landesregierung die Gespräche mit den muslimischen Verbänden über einen Staatsvertrag eingestellt hat. Dabei wäre gerade jetzt die Zeit, die gemäßigten Muslime zu stärken, ihnen Unterstützung und Anerkennung zu signalisieren. Sie nicht mit dem Islamisten-Problem allein zu lassen.

Die Muslime gehören zu Deutschland, zu Niedersachsen. Wir brauchen auch dieses Signal für eine offene Gesellschaft, die konsequent gegen die Feinde der Demokratie zusammensteht und sich nicht spalten lässt.

 

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