Volker Bajus: Rede zu Infektionsschutz an Schulen

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

sehr geehrte Damen und Herren,

im Sommer und den ganzen Herbst lang hat die Politik in Bund und Ländern versprochen, dass Kitas und Schulen nicht wieder so schnell wie im Frühjahr zugemacht werden dürften. Ja, dass man alles, wirklich alles tun werde, damit genau das nicht wieder passiert.

Und jetzt, sind wir genau wieder da. Weil man die Zeit leider nicht richtig genutzt hat. Beinah wöchentlich haben wir hier gefordert, die Kitas und Schulen „pandemiesicher“, um Frau Modder zu zitieren, und „winterfest“ zu machen. Und, wenn der Ministerpräsident jetzt im NDR gleich mehrfach erklärt, dass er „das Thema Kinderwohl ausgesprochen ernst nimmt“: ja, darüber sind wir uns doch alle einig, aber warum ist dann nicht entsprechend gehandelt worden?

Anrede,

schauen wir uns noch einmal unsere Kernforderungen aus Sommer und Herbst an, von denen Sie heute hier behaupten, sie hätten sich erledigt und man könne sie hier wegstimmen. Um des Kindeswohl willen, wünschte ich sehr, Sie hätten recht. Leider ist das nicht der Fall!

Stichwort Lüftungs- und Hygienekonzepte: viele Schulen verfügen leider nicht über angemessene Lüftungsmöglichkeiten, große Lüftungsanlagen können nicht so schnell eingebaut werden.

Überall sorgen sich Lehrer*innen, Schüler*innen und Eltern um die Gesundheit. Die Opposition hat dringend gefordert, im Landtag über den Einsatz von geeigneten mobilen Filter- und Lüftungskonzepten zu diskutieren, sich die am Markt angebotene Technik anzuschauen und zu gemeinsamen Empfehlungen für das ganze Land zu kommen. Das wurde von Ihnen verweigert. Jetzt haben wir in jeder Kommune, in jeder Schule eine erbitterte Diskussion über Eignung, Lautstärke, Technik, und vor allem auch Kosten. Statt Orientierung und Unterstützung für die Fläche, von Ihnen nur Bedenken und Aussitzen von Entscheidungen.

Erst nach massivem Druck haben Sie ein Mini-Programm für Schulen über 45 Mio. aufgelegt. Unter anderem für Hygiene-Maßnahmen, Masken und Mini-Jobs. Das sind nicht mal 20.000 Euro pro Schule. Viel zu wenig - ein Tropfen auf den heißen Stein. Ob jetzt in schlecht zu belüftenden Klassenzimmern mobile Geräte aufgestellt werden, das darf doch nicht vom Geldbeutel der Kommunen oder gar der Eltern abhängen!

Dasselbe Vorgehen erleben wir beim Thema  Schüler*innenverkehr. Das Gedränge am Morgen war ja schon vor Corona ein Riesenthema. Doch wiederum gab es seitens des Landes für Schulträger und Schulen keine klare Ansage, keine Orientierung, sondern nur den unverbindlichen Hinweis, man möge doch versuchen, den Unterrichtsbeginn zu staffeln. Wieder mit der Konsequenz monatelanger Debatten vor Ort.

Auch hier wieder statt schulpolitischer Führung nur Schulterzucken und Aussitzen. Auch hier wieder monatelange Debatte und erst dann ein viel zu kleines Hilfsprogramm für mehr Busse.

Stichwort Digitalisierung: Es wäre so wichtig gewesen, den Schulen, die noch nicht so gut aufgestellt waren, schnell auch administrative Hilfe zu geben, um sich für das Distanzlernen der zweiten Welle optimal aufzustellen. Dazu gehört doch nicht nur ein vorgezogener Start einer Bildungscloud, sondern auch die Begleitung durch didaktische Konzepte und die zügige Ausstattung der Lehrkräfte mit Dienstgeräten.

Stichwort Kinderschutz: Kitas und Schulen sind auch Schutzräume und Frühwarnsysteme für Kinder, die es zu Hause nicht so leicht haben. Auch Kinder, die es in Schule schwerer haben, trifft der Lockdown besonders hart. Deswegen müssten die Schulen jetzt personell verstärkt werden, damit sie auch aufsuchend arbeiten können und die Verzahnung mit der Jugendhilfe besser klappt.

Und, wo ist eigentlich das Programm, dass jetzt die Kinder in den Blick nimmt, die coronabedingt den Anschluss verloren haben, damit diese wieder eine Chance haben?

Stichwort Tests, schon vor vielen Wochen hat die Landesregierung den Einsatz von Schnelltests auch für mehr Sicherheit an den Schulen angekündigt. Seitdem ist es sehr leise geworden. Ich bin der Präsidentin sehr dankbar, dass sie uns heute dieses Angebot macht. Wir konnten uns alle von der Leistungsfähigkeit des beteiligten Unternehmens überzeugen. Private Angebote sprießen allerorts gerade wie Pilze aus dem Boden, und hoffen auf den schnellen Euro. Warum nutzen wir diese Potentiale nicht?

Anrede,

wir brauchen endlich mehr Hoffnung und Perspektive!

Wann kommt endlich der angekündigte Stufenplan, der nach klaren Kriterien und Inzidenzen Handlungssicherheit gibt. Ankündigungen des Ministers haben wir jetzt genug gehört. Es wird endlich Zeit zu liefern, damit es am 15. Februar wirklich wieder weitergehen kann.

Wo bleibt die Verlängerung des LernRäume-Programms, das Mobilisierungsprogramm für ergänzende pädagogische Unterstützung durch Pädagog*innen aus anderen Bereichen und durch Pädagogik-Studierende?

Schulen, Eltern und Schülern*innen erwarten jetzt Klarheit: was passiert mit Abschlüssen und Lerninhalten. Wenn Durchschnittsnoten für die Abschlüsse vergeben werden, dann sollte das jetzt entschieden werden und nicht erst im Mai. Und bitte, nehmen Sie endlich den Druck aus diesem Schuljahr. Setzen sie das Sitzenbleiben und Abschulen aus. Kein Kind sollte coronabedingt benachteiligt werden.

Anrede,

es steht Ihnen frei, das alles als oppositionelles Gemecker abzutun. Aber bitte schauen Sie sich doch einmal den gerade veröffentlichten Bericht der Friedrich-Ebert-Stiftung an. Dort empfehlen 22 Expert*innen, wie Bildungsbenachteiligungen angesichts der Herausforderungen der Corona-Pandemie kurzfristig und perspektivisch vermieden werden können. Fast alles davon finden sie auch in unseren Anträgen aus Sommer und Herbst.

Anrede,

Jetzt sind auch die Kitas wieder zu und der Notbetrieb läuft. Die Erzieher*innen sind weiter in vollem Einsatz, sie haben aber das Gefühl, dass sie wegen der Versäumnisse der Corona-Politik verheizt werden. Sie fühlen sich politisch nicht beachtet.

Nicht anders geht es den Eltern. Was wäre notwendig gewesen mit der Schließung zugleich auch die Notbetreuung eindeutig zu regeln und damit nicht das pädagogische Personal und die Träger*innen alleine zu lassen. Es hätte, wie in anderen Ländern auch, eine klare Ansage gebraucht. Wer darf kommen, wer nicht. Stattdessen nur die Formulierung in der Verordnung vom Frühjahr, obwohl die sich eben nicht bewährt hat.

Keine Berufsliste, keine Definition, was eine soziale Notlage ist, welche Kinder vorrangig zu betreuen sind.  Man muss doch nicht durch ministerielles Nichtstun unterstützen, dass sich die Eltern durchsetzen, die am besten argumentieren können, und nicht die Kinder, die es am nötigsten haben.

Und wo ist eigentlich das Hilfspaket für Kitas, das für die Schulen zumindest etwas versucht, die Not zu lindern? Viele Kommunen stehen jetzt schon finanziell mit dem Rücken zur Wand, können sich nicht leisten, für mehr Infektionsschutz in den Kitas zu sorgen. Hier ist das Land gefragt, um das Recht auf Arbeitnehmer*innenschutz wie das Recht auf frühkindliche Bildung durchzusetzen.

Ausgerechnet die Kleinsten sollten wir beim Thema Bildung nicht im Stich lassen.

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