Tanja Meyer: Rede zu "Selbstbestimmte Schwangerschaft – Beratungs- und Versorgungsstrukturen in Niedersachsen weiter verbessern"
TOP 39: Selbstbestimmte Schwangerschaft – Beratungs- und Versorgungsstrukturen in Niedersachsen weiter verbessern (Antr. SPD/Grüne)
- Es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete,
auch wenn ich heute hier ganz zum Ende der Plenarwoche spreche, so möchte ich Sie mit diesem Antrag nochmal um Ihre gesammelte Aufmerksamkeit bitten. Denn es geht um ein sehr wichtiges gesundheitspolitisches Thema für etwas mehr als 4 Millionen Menschen – knapp über die Hälfte der Bevölkerung bei uns in Niedersachsen.
- Möchte ich ein Kind?
- Kann ich ein Kind bekommen?
- Wie möchte, wie kann ich eine Schwangerschaft verhüten? Was möchte ich meinem Körper dabei zumuten?
- Wäre eine Schwangerschaft für mich ein gesundheitlich tragbares Risiko? (Ein Risiko ist es immer!)
- Kann ich für ein Kind sorgen?
Fragen dieser Art beschäftigen im Laufe ihres Lebens jede Frau intensiv. Denn es geht bei jeder dieser Fragen bzw. ihrer Antworten darauf immer um weitreichende Entscheidungen. Entscheidungen, die den eigenen Körper betreffen. Entscheidungen die uns gesundheitlich fordern, aber auch unser zukünftiges Leben wesentlich prägen. Denn es sind in der Regel die Frauen, die ihr ganzes Leben – gesundheitlich wie finanziell - die Folgen dieser Entscheidungen tragen werden.
Ich möchte hier deswegen auch nochmal ganz deutlich betonen: Die Entscheidung, ob eine Frau ein Kind bekommt oder nicht, ist eine sehr private Entscheidung. Niemand von uns hat sie zu bewerten oder zu kommentieren.
In Zeiten, in denen Antifeminismus zunimmt, Frauen teilweise wieder zur Gebärenden degradiert werden, Gleichberechtigung gesellschaftlich immer wiederganz subtil in Frage gestellt wird, lässt sich das nicht oft genug sagen.
Deswegen ist ein zentraler Punkt dieses Antrags, die Selbstbestimmung der Frau in allen Fragen rund um die Schwangerschaft zu verbessern und Frauen zu stärken.
Frauen haben das Recht auf alle Informationen, die sie brauchen, um die wichtigen Entscheidungen bezüglich ihrer Gesundheit, bezüglich ihres Körpers und bezüglich ihrer Lebensplanung zu treffen. Und sie haben ein Recht auf eine Infrastruktur, die sie versorgt und betreut. Vor, während und auch nach einer Schwangerschaft.
Frauen brauchen Gesetze, Ansprechpersonen und Strukturen, die sie nicht stigmatisieren. Frauen brauchen Zugang zu neutralen und fundierten Informationen, müssen entscheiden können, wie was mit ihrem Körper geschieht. Und selbstverständlich sollten sie dabei jederzeit bestens unterstützt und mit hohem medizinischen Standard versorgt werden.
Ich spreche hier von „sollten“. Denn die Realität sieht für viele Frauen – je nach Wohnort, Mobilität, Sprache, oder weiteren Barrieren - oft anders aus.
Wir sollten erwarten, dass z.B. ein Schwangerschaftsabbruch selbstverständlich zur gynäkologischen Ausbildung gehört. Tut er aber nicht. Wir sollten davon ausgehen, dass Frauen in erreichbarer Nähe eine neutrale Beratungsstelle finden. Das ist aber noch lang nicht überall in Niedersachsen so. Wir sollten davon ausgehen, dass Frauen neutrale Informationen bekommen, welche Konsequenzen pränataldiagnostische Untersuchungen haben, sowohl physisch wie psychisch. Das ist aber leider nicht immer so.
Es fehlt uns oft an Zugang zu den Informationen und Strukturen, die wir aber brauchen. An dieser Stelle deswegen eine Anmerkung: Dies zeigt nochmal auf, wie wichtig es ist, dass Frauen ihre Themen, ihre Erfahrungen in wirklich jedes Themenfeld einbringen. Eben auch in die Gesundheitsversorgung. Denn nur mit ihrer Perspektive werden ihre Bedürfnisse und Rechte auch ausreichend berücksichtigt und Hürden abgebaut. Deswegen geht an dieser Stelle der Dank an alle Ärztinnen, alle Wissenschaftlerinnen, alle feministischen Netzwerke, auch an alle Politikerinnen, die sich für eine gute Versorgung von Frauen einsetzen.
Gerade die Zeit vor, während und nach einer Schwangerschaft ist eine sehr persönliche Erfahrung. In jedem Fall. Jede Hürde, die hier abgebaut werden kann, ist wichtig. Sei es die bei der Beantragung eines Zuschusses zur Kinderwunschbehandlung; die, eine Hebamme vor Ort zu finden, die mich begleitet; die, dass ich ein Beratungsgespräch für einen Abbruch auch online wahrnehmen kann; die, einen rechtzeitigen Termin zu einem Abbruch zu bekommen und dann auch noch mit der gewünschten Methode. Und dass ich dort hinkomme, ohne vor der Tür belästigt, beschimpft und gar bedroht zu werden.
Es ist nach wie vor so, dass das Recht auf Selbstbestimmung bezüglich ihres Körpers und ihres Lebensentwurfs für Frauen in Deutschland nicht gegeben ist. Das ist teilweise bedingt durch unzureichende Wahrnehmung oder mangelnde gesundheitspolitische Schwerpunktsetzung, aber eben auch durch die zuletzt von einer interdisziplinären Fachkommission kritisierten Regelungen des Schwangerschaftsabbruchs im Strafgesetzbuch.
Ich freue mich deswegen, dass wir mit diesem Antrag über ein Bündel von Maßnahmen, Frauen einen verbesserten Zugang zu einer modernen Reproduktionsmedizin in Niedersachsen ermöglichen und auch klare Forderung dazu an den Bund stellen.
Die Selbstbestimmung der Frau über ihren Körper und ihr Leben ist das erklärte Ziel.