Swantje Schendel: Rede zu Queerfeindlichkeit in Niedersachsen (Antrag SPD/Grüne)
Rede TOP 9: Queerfeindlichkeit hat in Niedersachsen keinen Platz – Sicherheit, Sichtbarkeit und Akzeptanz für queere Menschen (Antrag SPD/Grüne)
- Es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleg*innen,
der Bundestag hat letzte Woche Geschichte geschrieben. Am Freitag wurde das Selbstbestimmungsgesetz beschlossen, und damit die über 40 Jahre lange andauernde Diskriminierung und Erniedrigung durch das Transsexuellengesetz beendet. Nun können trans*- und intergeschlechtliche sowie nicht-binäre Menschen ihren korrekten Geschlechtseintrag im Personenstandsregister eigenständig ändern – ohne die Hürden psychiatrischer Gutachten und langwieriger Gerichtsverfahren. Das Selbstbestimmungsgesetz ist ein Meilenstein und setzt ein klares Zeichen für die Würde und Selbstbestimmung aller Menschen.
Doch während wir diesen Fortschritt feiern, dürfen wir nicht vergessen, dass die Herausforderungen, mit denen queere Menschen konfrontiert sind, keinesfalls überwunden sind. Die Verbreitung von Vorurteilen, Falschdarstellungen und Lügen über Queerness hören leider nicht auf. So titelte die Bild schon vor Beschluss des SBG „Ein Mal pro Jahr darf jeder sein Geschlecht ändern“. Und ich würde ja gerne sagen, dass die Bild einfach nicht verstanden hat, worum es beim Selbstbestimmungsgesetz geht. Aber das alles ist kalkulierte Provokation. Diese Darstellung dient allein dazu, queere Rechte und queere Menschen zu verunglimpfen und Hass und Unverständnis zu schüren. Die Bild weiß ganz genau, was sie da tut.
Und auch der AfD Landesverband, Frau Behrend und Herr Lilienthal – auch Sie wissen ganz genau, was Sie tun, wenn Sie u.a. in Gifhorn aufhetzende Flyer verteilen, die voller Lügen über die queere Community sind, queere Menschen als Bedrohung für Kinder darstellen und nur dazu dienen, Menschen zu verunsichern und gegen die queere Community aufzubringen. Was Sie wollen, ist uns mundtot machen. Und ich sage Ihnen heute: das werden Sie nicht schaffen! Wir werden nicht aufhören, uns auch für die Rechte von Minderheiten stark zu machen und für Sichtbarkeit und Akzeptanz zu streiten. Denn der Schutz von Minderheiten ist und bleibt ein klarer Auftrag unseres Grundgesetzes.
In Anbetracht der politischen und gesellschaftlichen Gesamtlange, in Anbetracht auch der steigenden Zahlen queerfeindlicher Gewalt, ist es besonders bemerkenswert, dass wir nun ein Selbstbestimmungsgesetz haben. Ich freue mich sehr für alle meine trans*, inter* und nicht-binären Freund*innen, dass wir nun einen Teil der Diskriminierung, die sie jahrzehntelang erfahren mussten, hinter uns lassen können. Erfolge wie das Selbstbestimmungsgesetz sind im aktuellen politischen und gesellschaftlichen Klima alles andere als selbstverständlich.
Und deshalb sind auch die beiden Anträge, die wir heute diskutieren, von so großer Bedeutung. Sie bieten konkrete Maßnahmen, um die Sicherheit und Sichtbarkeit aller queerer Menschen in Niedersachsen zu verbessern. Die Einrichtung einer landesweiten Koordinierungsstelle für Opfer queerfeindlicher Gewalt, die Erweiterung von Beratungsangeboten und die Stärkung der rechtlichen Rahmenbedingungen sind nur einige der Maßnahmen, die wir mit unseren Anträgen vorantreiben.
Mit den heute diskutierten Anträgen bekräftigen wir unser Engagement gegen Queerfeindlichkeit in Niedersachen und setzen uns für eine Gesellschaft ein, in der Vielfalt nicht nur geduldet, sondern als Bereicherung verstanden wird. Der geplante Landesaktionsplan für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt ist ein Versprechen an die queere Gemeinschaft, dass wir ihre Sicherheit und Rechte ernst nehmen und schützen werden. Es ist auch ein Versprechen an unsere Gesellschaft, dass wir die Rechte aller Menschen ernst nehmen und schützen, dass wir uns dem Grundgesetz verpflichten und nicht von Zustimmungswerten oder medialen Darstellungen abhängig machen, ob wir uns für Menschenrechte einsetzen.
Zum Schluss möchte ich noch an Sie, liebe CDU-Fraktion appellieren. Ich habe nicht erwartet, dass Sie unseren Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung der queeren Community zustimmen. Leider nicht. Ich freue mich aber, dass Sie immerhin einzelne Maßnahmen daraus anerkennen. Aber in einer Sache will ich widersprechen: unser Einsatz gegen Queerfeindlichkeit ist keine Klientelpolitik, sondern richtet sich an alle Menschen.
Denn Sie missverstehen ganz offensichtlich, was es bedeutet, eine inklusive Gesellschaft zu fördern. Schutz und Förderung der Rechte von marginalisierten Gruppen stärken die Rechte aller. Ihre Entscheidung, sich bei unserer Resolution gegen Queerfeindlichkeit der Stimme zu enthalten, zeigt eine besorgniserregende Bereitschaft, sich von denen abzuwenden, die unseren Schutz am meisten benötigen. Gehen Sie nicht mit diesem Signal raus an unsere Gesellschaft – verurteilen Sie gemeinsam mit uns Gewalt – auch gegen queere Menschen.
Lassen Sie uns gemeinsam für eine Gesellschaft arbeiten, die Vielfalt als Stärke sieht und keinerlei Diskriminierung duldet.