Swantje Schendel: Rede zu "Einsamkeit und soziale Isolation als gesamtgesellschaftliche Aufgabe..." (Antrag CDU)

Rede TOP 27: Einsamkeit und soziale Isolation als gesamtgesellschaftliche Aufgabe anerkennen und Lösungskonzepte und Präventionskonzepte erarbeiten (Antrag CDU)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Frau Präsident*in, liebe Kolleg*innen,

Einsamkeit – das haben wir heute schon gehört – ist ein Thema, das uns alle angeht.

Die meisten Menschen erleben vorübergehende Einsamkeitsgefühle irgendwann einmal in ihrem Leben – das war bereits vor der Pandemie so, ist aber im Jahr 2020 noch einmal viel präsenter und bewusster geworden.

Worüber sprechen wir bei Einsamkeit aber überhaupt? In der psychologischen Forschung wird Einsamkeit als ein unangenehmes Gefühl definiert, das Menschen erleben, wenn sie ihre sozialen Beziehungen als qualitativ oder quantitativ unzureichend empfinden. Dabei spielt die Qualität der sozialen Beziehungen eine größere Rolle als die Quantität.

Vorübergehende Einsamkeit ist dabei aber erstmal eine normale menschliche Erfahrung, während chronische Einsamkeit gravierende negative Konsequenzen für die Gesundheit und die Lebenserwartung hat. Daher ist es zunächst einmal richtig und wichtig, dass wir uns auch politisch mit diesem Thema befassen und uns die Frage stellen, wie wir chronischer Einsamkeit vorbeugen können.

Neben Senior*innen und jungen Erwachsenen, sind insbesondere armutsbetroffene Menschen häufiger von Einsamkeit betroffen oder bedroht. Wobei – nebenbei bemerkt – diese Gruppen auch die sind, die am häufigsten von Armut gefährdet sind.

Armut ist also ein zentraler Risikofaktor für Einsamkeit. In Niedersachsen betrifft Armut rund 1,3 Millionen Menschen. Die Teilhabe am gesellschaftlichem Leben ist jedoch oft nur dann möglich, wenn ausreichend Ressourcen vorhanden sind, um konsumieren zu können.

In vielen Orten auch in Niedersachsen mangelt es an Möglichkeiten, ohne Konsumdruck zusammenzukommen. Menschen in Regionen, in denen es an niedrigschwelligen Freizeitangeboten mangelt. geben daher auch sehr viel häufiger an, dass sie unter Einsamkeit leiden.

Eine inklusive und solidarische Gesellschaft aber braucht Orte des Miteinanders, Orte gegen die Einsamkeit, Orte des gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Und genügend Ideen für konsumfreie Orte des Zusammenkommens gibt es, da ist noch nicht einmal ein Blick in andere Länder nötig, in denen Senior*innen im öffentlichen Raum zum Schach spielen zusammenkommen, wo Parks und Straßen Sitzgelegenheiten und schattige Plätze bieten.  Orte des Zusammenkommens gibt es in Niedersachsen vereinzelt bereits: Da sind Familien- und Quartierzentren, Sport - und Jugendclubs. Aber auch: Skateparks, die Stadtteilbibliotheken oder eben auch freie Bewegungsflächen.

Wenn wir also Einsamkeit in unserer Gesellschaft verringern wollen, dann sollten wir uns vor allem fragen – investieren wir genügend in diese Orte des Zusammenlebens? Halten wir daran fest, dass Innenstädte Orte des Konsumierens sind oder nutzen wir leerstehende Räume, um alternative gemeinschaftliche Strukturen zu schaffen? Erhalten wir Jugendzentren, stützen wir nachbarschaftliche Strukturen, Mehrgenerationenhäuser? Investieren wir in Quartiersarbeit und in die soziale Arbeit? Das sind Fragen, die in vielen Kommunen vor Ort gerade verhandelt werden und die wir als Koalition unterstützen wollen. 

Und meine Überzeugung ist: Wenn wir Fragen der Teilhabe mehr in den Mittelpunkt unserer Überlegungen stellen und wenn wir daran arbeiten, Hürden für Menschen in der Gesellschaft abzubauen – dann werden wir schon große Schritte in Richtung mehr Gemeinschaft und weniger Einsamkeit gehen.

Abschließend möchte ich betonen, dass es wichtig ist, dass wir hier konstruktiv zusammenarbeiten, um das Problem der Einsamkeit anzugehen. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass jeder Mensch in unserer Gesellschaft die Möglichkeit hat, eine unterstützende Gemeinschaft zu finden und sich sozial verbunden zu fühlen. Daher freue ich mich auf die gemeinsame Beratung im Ausschuss.

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