Susanne Menge: Rede zur Weiterentwicklung des Kinderschutzes

 

TOP 20: Gewalt gegen Kinder: Kinderschutz weiterentwickeln – Beratung stärken! (Antrag SPD/CDU)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

gut zwei Jahre sind mittlerweile vergangen, seit die furchtbaren Gewaltverbrechen an Kindern auf dem Campingplatz in Lügde öffentlich geworden sind. Verschiedene Gremien haben sich zwischenzeitlich damit beschäftigt, aufzuarbeiten, wie es zu sexualisierter Gewalt in einem solchen Ausmaß kommen konnte. Die Antwort darauf ist aus meiner Sicht noch immer offen.

Wir wissen, dass im Jugendamt Hameln-Pyrmont Fehler passiert und Hinweise auf sexualisierte Gewalt mehrfach nicht gewürdigt worden sind.

Und seit Kurzem wissen wir, dass auch in der Polizeiinspektion Northeim mehrere Hinweise des Jugendamtes nicht berücksichtigt wurden.

Anfänglich ist man bei mehreren Behörden intern sogar zu der Einschätzung gekommen, es habe keinerlei Versäumnisse gegeben. Diese schwerwiegenden Fehler haben zusätzliches Leid verursacht und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zu weiteren Opfern geführt.

An eine Aneinanderreihung so vieler unglücklicher Umstände aber mag mittlerweile selbst unter Fachleuten kaum noch jemand glauben. Die Aufarbeitung ist für uns deshalb noch lange nicht abgeschlossen.

Anrede,

um Kinder in Niedersachsen künftig besser vor Gewalt zu schützen, hat der Landtag auf unseren Vorschlag hin eine Enquete-Kommission eingesetzt.

Dass SPD und CDU heute nun einen Antrag zur Abstimmung stellen, der sich in wesentlichen Punkten mit dem Arbeitsauftrag der Enquete-Kommission überschneidet, ist irritierend.

Sie beauftragen die Landesregierung damit z.B., einen Niedersachsenstandard in der Jugendhilfe zu erarbeiten. Den gleichen Auftrag hat auch die Enquete-Kommission. Wer soll es denn nun machen?

Und welche Bedeutung hat die Enquete-Kommission für Sie, wenn Sie ihr schon die Arbeitsaufträge abnehmen, bevor diese ihre Arbeit überhaupt erst richtig aufgenommen hat?

Anrede,

auch die Expertise anderer Gremien findet sich in Ihrem Antrag nicht wieder.

Obwohl Sie hier mit ganzen 22 Forderungspunkten aufwarten, sucht man nach Übereinstimmungen z.B. mit den Handlungsempfehlungen der Präventionskommission vergebens. Dabei haben Sie diese selbst eingesetzt, um Ihnen Handlungsempfehlungen zu geben.

So ist es denn auch nicht verwunderlich, dass Ihre Forderungspunkte an den eigentlichen Bedarfen vorbeigehen.

Zum Beispiel bei der Beratung:

Diese wollen Sie, so sagt schon der Titel, stärken. Schaut man sich jedoch die einzelnen Forderungen an, geht es Ihnen hauptsächlich darum, Angebote zu bündeln, bekannt zu machen und eine Website auszubauen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und SPD,

die Beratungsstellen fordern seit Jahren mehr Geld, um dem steigenden Bedarf gerecht zu werden. Das spricht nicht unbedingt dafür, dass es hier an Bekanntheit mangelt.

Wenn Sie die Beratung wirklich stärken wollen, dann statten Sie sie finanziell besser aus und sorgen für ein flächendeckendes Angebot. Das hat auch die Präventionskommission empfohlen. In Ihrem Antrag findet sich dazu jedoch nichts.

Anrede,

anderes Beispiel: Kinderrechte. Sie fordern die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene für eine Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz einzusetzen. Darum wird zwischen den Regierungsfraktionen in Berlin ja schon lange gerungen.

Der jetzt gefundene Kompromiss wird von den Verbänden allerdings heftig kritisiert, weil er nicht nur keine Verbesserungen für Kinder und Jugendliche bringt. Im Gegenteil: er fällt sogar hinter die derzeit geltende Rechtslage zurück.

Es kommt also nicht nur darauf an, dass Kinderrechte ins Grundgesetz kommen, sondern wie sie dort formuliert werden. Wenn Sie wirklich wert auf starke Kinderrechte lege, dann fangen Sie doch bei der Niedersächsischen Verfassung an. Hier sind andere Länder (z.B. Hessen) bereits weiter als wir.

Letztes Beispiel: Partizipation und Beteiligung. Beide wollen Sie im Dialog mit den Trägern aufgreifen. Ist das wirklich alles, was Ihnen dazu einfällt? Das letzte Jahr hat mehr als deutlich gemacht, dass Kinder und Jugendliche dringend besser beteiligt werden müssen – mindestens an Fragen, die sie ganz unmittelbar betreffen. Auch das könnte man übrigens gut in der Verfassung regeln.

Anrede,

Zusammenfassend kann man nur zu einem Schluss kommen: dieser Antrag ist nichts weiter als ein Arbeitsnachweis. Sie bleiben hinter den tatsächlichen Bedarfen deutlich zurück, ignorieren die Empfehlungen der Expertinnen und Experten und konterkarieren dabei auch noch die Arbeit der Enquete-Kommission.

Ihr Antrag hätte mindestens eine adäquate Befassung in der Enquetekommission Kinderschutz erfordert.

Doch trotz der gravierenden Mängel in Ihrem Antrag werden wir angesichts dieses sensiblen Themas und des unbestreitbar weiterhin hohen Handlungsbedarfs beim Thema Kinderschutz jedoch nicht dagegen stimmen.

Denn für die Betroffenen ist auch diese allerkleinste Verbesserung besser als überhaupt nichts.

Danke für die Aufmerksamkeit.

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