Susanne Menge: Rede zum Aktionsplan "Wir sind Niedersachsen. Für Zusammenhalt. Gegen Rassismus" (Antrag GRÜNE - TOP 10)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren,

unsere demokratische Gesellschaft und der Rechtsstaat sind in Gefahr. Weltweit greifen nationalistische und rassistische Tendenzen um sich, und Deutschland bildet leider keine Ausnahme, wie die Anschläge von Halle und Hanau und die allgemeine Zunahme an rassistisch und antisemitisch motivierten Hasskampagnen und Straftaten zeigen.

Rassistinnen und Rassisten sind weltweit vernetzt, sie sind Weiße, sie sind überwiegend männlich, Waffen und Gewalt sind für sie probate Mittel gegen Menschen mit anderer Hautfarbe, sie sind nationalistisch und ultrarechts. Ein weiteres Kennzeichen kommt hinzu: Verschwörungstheorien.

Für uns, die wir hier im Saal sitzen, ist die reale Bedrohung weit weg. Sie ist es nicht für nicht-weiße-Menschen. In der letzten Woche ist ein junger Mann in einen Regionalzug gestiegen und hat Distanz zu einer provozierenden und ihn rassistisch beleidigenden Vierergruppe gesucht. Vergebens. Als er an einem Bahnhof ausstieg, wurde er hinterrücks angegriffen und zusammengetreten.

Wir haben eine Aufgabe, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Nicht erst seit Hanau oder Halle.

Auf Initiative des Praxisbeirats des Landesprogramms für Demokratie und Menschenrechte haben staatliche - wir sprechen von fünf Landesministerien - und zivilgesellschaftliche Vertreterinnen und Vertreter im März 2020 ein sehr überzeugendes ressortübergreifendes Konzept für einen Aktionsplan „Wir sind Niedersachsen. Für Vielfalt gegen Rassismus“ erarbeitet.

Der Aktionsplan sollte eine Themenkampagne über ein Jahr umfassen sowie die Entwicklung von nachhaltigen menschenrechtsorientierten und demokratiestärkenden Maßnahmen über fünf Jahre.

Die Zivilgesellschaft sollte eingebunden werden.

Jedes Ministerium sollte mit einem Etat von jährlich 100.000 Euro für dieses Projekt ausgestattet werden.

Eine Stabsstelle sollte die Umsetzung des Aktionsplans koordinieren und mit weiteren 500.000 EUR ausgestattet werden. Das Gesamtvolumen für das Themenjahr sollte sich auf 1,5 Mio. Euro belaufen.

Ein wirklich kleiner Betrag angesichts der gewichtigen Problematik, des Handlungsdrucks und im Vergleich zu anderen aktuellen Ausgaben in Milliardenhöhe.

Unterstützung für den Plan kam auch von der Großen Koalition. Mein Kollege Ulf Prange von der SPD hat hier noch im Rahmen der Aktuellen Stunde zu #blacklivesmatter am 1. Juli 2020 hinsichtlich des Aktionsplans gesagt:

„Ich kann Ihnen (…) seitens der Sozialdemokratie zusagen, dass wir uns in den Haushaltsverhandlungen dafür stark machen werden.“

Und auch Herr Christian Calderone von der CDU hat in derselben Debatte gesagt:

„Schließlich arbeitet das Justizministerium an einem umfassenden Aktionsplan gegen Rechtsextremismus, der alle Ministerien umfassen soll. Den zivilgesellschaftlichen Aktionsplan halte ich für erforderlich.“

Herr Calderone hat im Weiteren das Justizministerium bestärkt und seine Unterstützung zugesagt.

Der Aktionsplan wurde bis zuletzt von einer überwältigenden Mehrheit der niedersächsischen Ministerien, der Staatskanzlei und dem Ministerpräsidenten unterstützte – wovon sich die Mitglieder der Kommission für Migration und Teilhabe in mehreren Sitzungen überzeugen lassen durften.

Doch das hat alles nichts genützt. Für die Initiative für den Aktionsplan - ein wie ich finde gelungenes Projekt für die Stärkung unserer Demokratie und zur Unterstützung partizipativer Kräfte – sind für dieses Jahr keine Mittel im Haushalt veranschlagt. 

Die Landesregierung begründet ihre finanzpolitische Entscheidung mit den coronabedingten Gegebenheiten und dem daraus resultierenden Finanzbedarf an anderer Stelle.

Und deshalb müssen wir, werte Abgeordnete, uns doch fragen, ob der Landtag noch das haushaltsgesetzgebende Organ ist, wenn der Finanzminister entgegen den Bekundungen der regierungstragenden Fraktionen diesen vielfach unterstützten und breit aufgestellten Plan einfach streichen kann.

Wir reden hier über nichts Geringeres als die Bereitschaft, sich in eine wichtige politische Diskussion um ein respektvolles Miteinander, unsere Werte und die Gestaltung der Demokratie einzubringen.

Das Land steht in der Verantwortung, den Aktionsplan umzusetzen und Landesmittel zur Umsetzung von Antirassismusbestrebungen einzusetzen.

Die Staatskanzlei hat selbst die große Bedeutung des Plans erklärt. In ihrer Stellungnahme vom 8. April 2020 zu dem Aktionsplan hieß es:

„Der Aktionsplan hat durch die Corona-Krise noch einmal an Bedeutung gewonnen. Er ist von der Corona-Lage nicht abzukoppeln, sondern bezieht sich vielmehr auf die politische Dimension der Krise.“

Und weiter: Die Corona-Pandemie könne nach dem Lockdown auch zu einer politischen oder sogar systemischen Krise führen, aus der die Demokratie eher geschwächt als gestärkt hervorgehe.

Um diesen Risiken rechtzeitig zu begegnen, sei neben dem Einsatz von finanzpolitischen und wirtschaftlichen sowie sozialen Instrumenten zur Bewältigung der Krise eine Initiative zur Stärkung des demokratischen Zusammenhalts ein wichtiger Baustein politischen Handelns.

Mit dem Aktionsplan „Wir sind Niedersachsen. Für Vielfalt. Gegen Rassismus.“ wollte die Landesregierung ein Zeichen setzen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt bei der Bewältigung der Krise nachhaltig festigen.

Anrede,

heute wissen wir, wie realistisch die damalige Einschätzung der Staatskanzlei war.

Ich halte fest: Es gibt keine Alternative zu dem zivilgesellschaftlich initiierten Aktionsplan.

Diese Landesregierung muss sich in diesem Zusammenhang den Zielen des Maßnahmenkatalogs der Bundesregierung zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus verpflichten und diese auch auf Landesebene in Niedersachsen verfolgen.

Der Bund hat Gelder aufgrund des durch die Bundesregierung verabschiedeten „Maßnahmenkatalogs des Kabinettausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus“ bereitgestellt.

Diese werden an die Länder fließen. Auch sie sind für die Stärkung der Gesellschaft zur Förderung von Initiativen gegen Rassismus und Rechtsextremismus sowie zur Betroffenenunterstützung zu verwenden.

Wir fordern die Landesregierung auf, den Landtag frühzeitig in die Planungen zur Verwendung dieser Mittel und zur Aufstellung von Förderrichtlinien einzubeziehen.

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