Susanne Menge: Rede „Rechtes Netzwerk in der Polizei NRW muss auch in Niedersachsen Konsequenzen haben“ TOP 29

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

zuallererst halten wir fest, dass die Polizei in diesem Land eine sehr gute Arbeit macht.

Ein Teil meiner Fraktion hat am Montag die Polizeiakademie in Nienburg besucht. Die Anforderungen sind hoch an Polizeivollzugsbeamt*innen:

Kriminal-, Rechts- und Sozialwissenschaften gehören ebenso zur Ausbildung wie die Stärkung der Demokratiekompetenz und ein differenziertes Kulturverständnis, um nur zwei Ausbildungsschwerpunkte herauszugreifen.

Im Rahmen des Programms „Polizeischutz für Demokratie“ können Freiwillige sich als „Strategiepat*innen für Demokratie“ qualifizieren.

Wozu soll es dann dennoch eine Studie geben?

Die Polizei bildet, genau wie alle Institutionen dieses Landes, den Querschnitt unserer Gesellschaft ab. Und innerhalb dieser Gesellschaft haben wir ein Problem mit erstarkendem Rechtsextremismus.

Zitat eines Polizeibeamten: „die Polizei macht Fehler, sie soll Fehler machen dürfen. Sie darf sie nur nicht vertuschen und kleinreden. Aber menschenfeindliche Ausfälle, gelebter Rassismus, der in Polizeigewalt mündet – das darf es nicht mehr geben.“

Das gesamte Ausmaß des rechten Polizei-Netzwerkes in Nordrhein-Westfalen ist bis heute nicht bekannt. Damit ist auch nicht bekannt, ob es Verbindungen in Nachbarländer wie z.B. nach Niedersachsen gibt.

Weder Schulen, Krankenhäuser oder die Parlamente sind davor gefeit, innerhalb ihrer Reihen Menschen zu haben, die sich offen gegen diesen Rechtsstaat und unsere Demokratie stellen. Diesen Institutionen sind übrigens Inspektionen, Strukturanalysen und Reformen keinesfalls fremd.

Rechtsextremismus bei der Polizei, einer schützenden Instanz, ist allerdings noch mal ein sehr besonderes Problem.

Alle hier im Hause dürften daher zumindest vermuten, dass sich trotz der hervorragenden Ausbildungsarbeit in Niedersachsen auch in unserer Polizei rechte Überzeugungen finden. Dies wird z.B. bestätigt durch die Antwort des Innenministeriums am 9. September 2019 auf die Frage meiner Fraktion, und das bestätigt außerdem der Auftritt eines niedersächsischen Kriminalhauptkommissars auf der Querdenker-Demo in Dortmund.

Es mag ein verschwindend geringer Teil sein, den ich hier nenne, aber weder Sie, noch ich, noch der Innenminister des Bundes oder die der Länder haben fundierte Erkenntnisse darüber, welche rechten Ecken es innerhalb der Polizei gibt. NRW, Hessen und Berlin – das waren doch alles Zufallsfunde, verehrte Damen und Herren.

Per Zufall auf rechtsextreme Überzeugungen zu stoßen, darf aber nicht Prinzip und Hoffnung der Demokratiefestigkeit in den Reihen unserer Sicherheitskräfte sein.

Aus dem Besuch der Polizeiakademie in Nienburg haben wir übrigens auch mitgenommen, dass in der Vergangenheit zu wenig Wert auf politische Bildung gelegt wurde. Und wir haben mitgenommen, dass alle Fortbildungen, beispielsweise zu Antirassismus und Menschenrechten freiwillig sind. Sie finden im Übrigen nach der Ausbildung statt.

Und wer geht dann dorthin, werte Kolleginnen und Kollegen? Genau – diejenigen, die sich ohnehin kritisch mit dem Thema auseinandersetzen.

Eine Analyse über den Rechtsextremismus zeichnet ein umfassendes Bild über Ereignisse, Ursachen und Konsequenzen. Und das geht nur gemeinsam mit der Polizei, verehrte Damen und Herren.

Wir fordern aus ganz eindeutigen Gründen daher auch keine Rassismusstudie.

Demokratiefestigkeit und Rassismus sollten wir in diesem Zusammenhang voneinander trennen. Es ist sicherlich so, dass rechtsextreme Menschen gleichzeitig nationalistisch und rassistisch sind, aber nicht jede Demokratin und jeder Demokrat sind per se antirassistisch.

Ich kann betonen, auf dem Boden des Rechtsstaates zu stehen, Toleranz und Respekt gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund zu üben und keine Vorurteile zu haben gegenüber dunkelhäutigen Menschen – und ertappe mich dennoch dabei, die Schubladen zu öffnen.

Wie wir alle sie öffnen.

Ein praxisbegleitendes Studium ist eine wichtige Unterstützung, um nicht als junger Mensch heftig von der Realität des oftmals stark belastenden Arbeitsalltags erfasst zu werden.

Stellen wir uns einfach mal vor, dass jemand seinen Schichtdienst immer im selben Problembezirk schiebt, provoziert wird, als Beamtin sexistisch angepöbelt wird, sich von jungen Menschen dumme Sprüche anhören muss und dann endlich einen Straftäter hinter Gitter bringt, der wenige Stunden später wieder freigelassen wird und die gleiche Chose von vorne losgeht. Das frustriert.

Demokratiefeindlichkeit hat verschiedene Ursachen, und gerade deshalb brauchen wir eine unabhängige, wissenschaftliche Studie über Rechtsextremismus und Demokratiefeindlichkeit in der Polizei. Die Polizeiakademie und unser Innenminister unterstützen uns in diesem Punkt. Niedersachsen sollte für diese Studie Vorreiter sein und, in Ermangelung eines starken Parts im Bundesinnenministerium, eine gemeinsame Abstimmung zugunsten einer Studie unter den Bundesländern erwirken.

Bei Einstellungen in den Polizeidienst gibt es seit März nicht nur die Regelüberprüfung beim Verfassungsschutz, sondern außerdem die Abfrage nach persönlichen Einstellungen und Haltungen in den jeweiligen regionalen Dienststellen. Jeder Verdachtspunkt werde ausführlich untersucht und disziplinarisch verfolgt, womit unserer Forderung im Punkt 3 bereits weitestgehend entsprochen wird.

Eine Studie kann aufzeigen, welche Maßnahmen und Ansätze zur Prävention rechtsextremistischer Tendenzen direkt in den Dienststellen und bei der Ausbildung zu implementieren sind, welche Maßnahmen bereits greifen und verstärkt werden müssen.

Die Stärkung politischer und demokratischer Bildung bei Aus- und Weiterbildung aller niedersächsischen Beamtinnen und Beamten ist erklärte Aufgabe, die uns in der Akademie in Nienburg ausführlich vorgestellt wurde.

Im Punkt 6 fordern wir die Einführung unabhängiger Polizeibeauftragter. Sie sollen als Ansprechpartner für Menschen in und außerhalb der Polizei dazu beitragen, die Innenrevision und das Qualitätsmanagement in der Polizei zu stärken und auszuweiten.

Der Anspruch an demokratische Kompetenzen sind soziale Kernkompetenzen: Selbstreflektiert sein, teamfähig, partnerschaftlich, offen, man soll Vertrauen haben, den Mut zum Widerspruch besitzen, zur Kritik und zur konstruktiven Auseinandersetzung.

Das ist ein Anspruch an uns alle, auch hier im Haus.

Eine wissenschaftliche Studie hat zum Ziel, Strukturen zu beleuchten und eine Fehlerkultur zuzulassen. Sie soll die Chancen für mehr Stärke und die Umkehr von Schwäche in Stärke aufzeigen.

Nur so werden wir besser.

Ich beziehe die Legislative und Judikative ausdrücklich in diesen Anspruch mit ein.

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