Stephan Christ: Rede zur Finanzierung des Deutschland-Tickets (Fragestunde SPD)

Rede Stephan Christ© Plenar TV

TOP 21 a - Kleine Anfrage für die Fragestunde (SPD):  "Wie kann eine dauerhaft verlässliche und auskömmliche Finanzierung des Deutschland-Tickets für die Zukunft sichergestellt werden?"

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren,

kennen Sie den Wikipedia-Eintrag „Liste deutscher Tarif- und Verkehrsverbünde“? Falls nicht, ich bin Ihnen nicht böse, wenn Sie sie während meiner Ausführungen aufrufen würden.

(Anrede),

die Einführung des Deutschland-Tickets ist unbestritten ein Meilenstein in der Geschichte des ÖPNV, vielleicht der Verkehrspolitik Deutschlands insgesamt. Nie zuvor war es möglich, Busse und Bahnen so unkompliziert, so uneingeschränkt und so günstig zu nutzen.

Dieser Meilenstein muss bestehen bleiben. Gegenwärtig besitzen mehr als 13,5 Millionen Menschen ein Deutschland-Ticket. Der Bedarf an günstiger und flexibler Mobilität ist enorm. Denn der ÖPNV dient nicht allein der Fortbewegung. Gerade für junge Menschen einerseits und in unserer alternden Gesellschaft ist Mobilität essentiell für gesellschaftliche Teilhabe. Dabei darf niemand abgehängt werden. Durch einen verlässlichen, niedrigen Preis und das unkomplizierte System schafft das Deutschland-Ticket Mobilität für Menschen jeglichen Alters.

Doch darauf beschränkt es sich nicht. Die Klimakrise ist nach wie vor die größte Herausforderung unserer Zeit, und das Deutschland-Ticket trägt einen großen Teil dazu bei, die Emissionen des Verkehrssektors zu senken. Bereits jetzt sind etwa 14 Prozent der Fahrten solche, die sonst mit dem Auto getätigt worden wären. So konnten bisher ca. 700.000 Tonnen CO2 eingespart werden.

(Anrede),

das Ziel muss also sein, die dauerhafte Finanzierung des Deutschland-Tickets und die dafür notwendige Änderung des Regionalisierungsgesetzes zu gewährleisten. Die zeitliche Befristung muss beendet werden, es müssen gerechte Einnahme-Aufteilungsverfahren entwickelt werden, die auch beispielsweise Bürgerbusse mitberücksichtigen. Hier muss der Bund seiner Verpflichtung nachkommen und die Kommunen entlasten.

Doch das Deutschland-Ticket ist kein Allheilmittel. Es muss sichergestellt werden, dass die Infrastruktur und das Angebot kontinuierlich ausgebaut werden. Nur wenn die Anbindung auf dem Land so gut ist wie in den Städten, ist echte Mobilität für alle gewährleistet. Denn zur Wahrheit gehört natürlich, dass ein Gefälle zwischen dem Angebot zwischen Stadt und Land besteht. Während in den Stadtstaaten fast alle Menschen mit dem ÖPNV zufrieden sind, sind es in anderen Bundesländern deutlich weniger – auch hier in Niedersachsen.

Darauf kann man jetzt auf unterschiedliche Arten reagieren: Im Wahlkampf tönte es aus der Union – besonders aus Bayern –,  dass man sich aus dem Ticket verabschieden solle. Aber: ich bin jetzt zweieinhalb Jahre Parlamentarier hier und meine, Haushaltsaufstellungen ansatzweise zu verstehen. Die Erwartung, die Summen, die der Bund jetzt in das Ticket steckt, würden dann in Investitionsmaßnahmen in Busse für die Kommunen fließen, ist eine absolute Illusion.

Deshalb müssen wir schauen, wie wir die Finanzierung des ÖPNV sukzessive verbessern. Hier können wir den Bund nicht aus der Pflicht lassen. Und es zeigt sich: Ein gutes Angebot zieht eine gesteigerte Nutzung nach sich. So verzeichnet laut „Spiegel“ vom Anfang dieses Jahres zum Beispiel der Betreiber Mittelweserbus im Landkreis Nienburg im Fünfjahresvergleich ein Plus von fast 50 Prozent bei den Fahrgästen. Ein nicht unerheblicher Anteil wird auf das Deutschlandticket zurückzuführen sein.

Diesen Ausbau machen Kommunen möglich, die die nötige Beinfreiheit haben, das umzusetzen – als Kreistagsmitglied kann ich ein Lied davon singen. Im System Mobilität steckt eine Menge Geld. Um eine wirkliche Verschiebung des Modal Split und damit die Klimaziele des Bundes zu erreichen, müssen mehr Gelder für den ÖPNV freigesetzt werden. Der Abbau umweltschädlicher Subventionen wäre im Bund ein probates Mittel hierzu.

Es zeigt sich also: Deutschland-Ticket und Ausbau des Bus- und Schienennetzes müssen gemeinsam gedacht werden.

(Anrede),

und wenn Sie die Wikipedia-Seite zwischenzeitlich aufgerufen haben, können Sie nachvollziehen, warum Spötter das gerne mal als „Heiliges Römisches Reich deutscher Tarifverbünde“ bezeichnen. Eine gewisse Ähnlichkeit ist hier nicht abzustreiten. Einen Beitrag dazu, das zu überwinden, leistet das Deutschlandticket. ÖPNV – so unkompliziert, so einfach, so günstig wie noch nie.

 

Zurück zum Pressearchiv