Rede von Helge Limburg zum Verfassungsschutz-Skandal unter Schünemann

- Es gilt das gesprochene Wort -

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

in der vergangenen Woche wurde bekannt, dass in Dateien und Akten des niedersächsischen Verfassungsschutzes jahrelang rechtswidrig die Daten von mehreren Journalistinnen und Journalisten gespeichert worden sind. Wie wurde es bekannt? Das Innenministerium unterrichtete proaktiv die Betroffenen, den zuständigen Landtagsausschuss und die Öffentlichkeit. Ich habe in den Jahren, in denen ich dem Ausschuss für die Angelegenheiten des Verfassungsschutzes angehöre, noch nie eine solche aktive Informationspolitik des Verfassungsschutzes erlebt.

Es gab genug Skandale in der Amtszeit von Uwe Schünemann und Hans Wargel - über keinen, über keinen davon sind wir proaktiv unterrichtet worden. Allein schon durch diese Informationspolitik hat die Verfassungsschutzpräsidentin Frau Brandenburger einen deutlichen Bruch zu Stil und Umgang in der Amtszeit von Uwe Schünemann vollzogen.  

Die Kritik der Opposition richtete sich ja auf die Frage, warum erst jetzt informiert worden ist und nicht bereits bei Bekanntwerden des ersten Verdachtsfalls. Die Frage, ob zu spät informiert worden ist, ist ja grundsätzlich nachvollziehbar. Aber wenn, meine Damen und Herren, dann ist nicht ein paar Monate, sondern Jahre zu spät informiert worden. Der Skandal ist nicht in den letzten Monaten entstanden, sondern aufgedeckt worden. Entstanden ist er in der vergangenen Wahlperiode, in der Zeit als CDU und FDP hier in diesem Land die Mehrheit hatten und der von ihnen so oft gefeierte Innenminister Schünemann Verantwortung für den Verfassungsschutz hatte. Augenscheinlich sind ausschließlich Journalisten aus dem politisch linken Spektrum beobachtet worden und mindestens zwei Journalisten wurden nur deshalb in das Schema „linksextrem“ gepresst, weil sie gegen Rechtsextreme recherchiert haben.

Das ist kein Zufall, meine Damen und Herren, dass ist klassische Schünemannsche Denkweise: „Wer zu engagiert gegen Rechtsextreme ist, der ist irgendwie das Gegenteil, ein Linksextremer.“ Das Gegenteil von rechtsextrem ist aber nicht linksextrem, meine Damen und Herren von CDU und FDP, sondern Demokratie und Achtung der Menschenwürde. Aber dieser Schünemannsche Geist, der offenbar massiven Einfluss auf die Arbeit des Verfassungsschutzes hatte, ist zum Glück für Demokratie und Rechtsstaat mit der Amtsübernahme von Boris Pistorius Geschichte, meine Damen und Herren.

Aber es geht hier nicht nur um eine einzelne Person, den früheren Innenminister. Nein, die Politik von Uwe Schünemann fand hier 10 Jahre immer wieder fast uneingeschränkten Applaus und Unterstützung von CDU- und FDP-Fraktion. Sie von CDU und FDP kritisieren jetzt, dass zu spät informiert wurde? Wo waren Sie, als in der vergangenen Wahlperiode nie aktiv informiert wurde? Sie von CDU und FDP kritisieren die Löschung der Daten? Wo waren Sie, als die Daten gesammelt worden sind, meine Damen und Herren? CDU und FDP haben hier im Landtag mehrfach Verschärfungen des Verfassungsschutzgesetzes beschlossen. CDU und FDP haben mehrere Vorstöße für bürgerrechtliche Beschränkungen und bessere parlamentarische Kontrolle abgelehnt. CDU und FDP haben verteidigt, dass Umwelt- und Antiatomgruppen vom Verfassungsschutz beobachtet worden sind. Und Sie haben sogar verteidigt, dass neben den Linken mit Mitgliedern und Mitarbeitern der Grünen eine zweite Oppositionspartei vom Verfassungsschutz beobachtet worden ist. Wo war da die so genannte Bürgerrechtspartei FDP, Herr Birkner?

Gut, dass nun ein anderer Geist im Ministerium und im Verfassungsschutz herrscht!

Und sagen Sie nicht, Sie hätten nichts ahnen können. Auch der Fall des Journalisten Kai Budler aus Göttingen, der unter Ihrer Regierungszeit ins Visier geraten ist, war bekannt. Sie haben also gewusst, wie unter Ihrem Innenminister gearbeitet worden ist.

Meine Damen und Herren, die Pressefreiheit aus Artikel 5 des Grundgesetzes gehört zu den wichtigsten Grundrechten für die Gestaltung einer modernen Demokratie. Journalisten werden zu Recht als 4. Gewalt bezeichnet, weil sie auch manchmal die wichtige parlamentarische Kontrolle einer Regierung ergänzen und häufig durch ihre Recherchen erst ermöglichen. Ohne einen freien und unbefangenen Journalismus ist letztlich eine Demokratie nicht denkbar. Das Bundesverfassungsgericht führt dazu im CICERO-Urteil aus: „Die Freiheit der Medien ist konstituierend für die freiheitliche demokratische Grundordnung. Eine freie Presse und ein freier Rundfunk sind daher von besonderer Bedeutung für den freiheitlichen Staat.“

Diese Grundsätze sind unter Schwarz-Gelb in Niedersachsen mit Füßen getreten worden. Es ist gut, dass wir jetzt unter Rot-Grün durchgreifende, auch strukturelle Reformen angehen werden. Ich freue mich, dass die Reformkommission des Innenministers ihre Arbeit aufgenommen hat. Ich bin gespannt auf die Beratungen im Ausschuss. Und ich würde begrüßen, wenn CDU und FDP irgendwann zu Selbstreflexion und Erkenntnis fähig werden und ihre eigenen Fehler in der Ära Schünemann konsequent aufarbeiten würden. Vielen Dank.

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