Rede Volker Bajus: Klimaschutzziele verbindlich festschreiben – ein Klimaschutzgesetz auf den Weg bringen

- Es gilt das gesprochene Wort -

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,

vor vier Wochen hat der UN-Klimarat den ersten Teil seines neuen Berichts zum Weltklima vorgelegt. Die Ergebnisse sind – dies war zu befürchten – weiterhin alarmierend. Daran, dass der Klimawandel Menschen gemacht ist, gibt es keine Zweifel mehr. Dennoch hat der Bericht für Verunsicherung gesorgt.

Zwar haben die 800 Wissenschaftler grundsätzlich den Erwärmungstrend bestätigt, aber zugleich ihre Prognosen angepasst. So steigt die Lufttemperatur an der Erdoberfläche weiter, aber langsamer als erwartet. Die Gründe sind noch unklar.

Diese Aussage haben einige zum Anlass genommen, um den Klimawandel gleich grundsätzlich in Frage zu stellen. Andere sahen in der Aussage eine Entwarnung: „Alles halb so schlimm.“ Wieder andere – so auch in den Reihen der schwarz-gelben Opposition – interpretieren die Ergebnisse so um, dass man sich „mehr Zeit lassen könnte“ mit dem praktischen Klimaschutz und erst noch mal alles überdenken sollte.

Die FDP hat dazu gleich den entsprechenden Antrag vorgelegt. Tenor: „Ui ui ui, Wetter, Klima, Prognosen, das ist ganz schön komplex. Und dann erst mal der Klimawandel, … noch viel komplexer, da muss man erst einmal besser … ähm, … ja was? …  ähm, am besten erst mal gar nichts tun.“

Nein, meine Damen und Herren, so geht das nicht. Dafür sind wir nicht gewählt worden. Wir wollen und wir müssen uns dem Klimawandel stellen.

Im IPCC-Bericht – über den wir ja noch morgen bei den mündlichen Anfragen zu sprechen kommen – wird übrigens zugleich von einer deutlichen Erhöhung der Prognosewerte für den Anstieg des Meeresspiegels gesprochen. Auf „bis zu 98 cm“ statt wie bisher „bis zu 59 cm“. Von Entwarnung also keine Rede! Im Gegenteil!

Wir sind Bewohner eines Landstrichs, der wegen seiner Küstenlage besonders gefährdet ist. Was wohl die Menschen an unseren Küsten dazu sagen würden, wenn wir jetzt der FDP folgen und erst mal gar nichts machen? Sie würden uns wegen Arbeitsverweigerung feuern – und hätten recht damit. So geht das doch nicht.

Meine Damen und Herren,

die Debatte um Klimaschutz und Energiewende wirkt oft furchtbar freud-  und kraftlos. Natürlich, Niedersachsen und auch Deutschland allein werden den Klimawandel nicht stoppen. Und die Zusammenhänge sind nicht einfach, sondern in der Tat kompliziert. Aber, wer, wenn nicht wir, sollte die Klimapolitik zum Erfolg führen,

Wir haben zwar fast keine Rohstoff- und nur wenig fossile Brennstoffvorkommen. Aber Niedersachsen zeichnet sich aus durch unsere vielen hochqualifizierten Menschen. Wir sind ein Hochtechnologieland. Wir betreiben Spitzenforschung. Wir sind führend bei den Erneuerbaren Energien. Wir sind die Nr. 1 beim Ökostrom.

In Niedersachsen arbeiten wir an neuen Speichertechnologien und neuen Mobilitätskonzepten. Hier baut VW das Ein-Liter-Auto und ein Netz von Schwarmkraftwerken. Hier ist der Weltmarktführer für Wärmepumpen genauso zu Hause, wie die internationale Windkraft-Weltspitze.

Warum sollten wir beim Thema Klimaschutz verzagt sein? Hier in Niedersachsen entwickeln wir die Technologien mit denen Klimaschutz erfolgreich wird. Hier entsteht das Know-How, das auf den Märkten von morgen gefragt ist. Warum sollten wir jetzt die Hände in den Schoß legen und unsere Zukunft verspielen?

Damit unsere Industrie sich weniger Gedanken über Energieeffizienz und Energiekostensenkung macht?

Damit unsere Auto-Industrie weiterhin ineffiziente Verbrennungsmotoren herstellen kann und die Trends von morgen verschläft?

Damit die alten Monopol-EVUs dank ihrer fossilen Kraftwerksdinosaurier noch länger garantierte Renditen bekommen?

Damit die Familie Quandt auch morgen noch die politische Landschaft pflegt?

Nein, meine Damen und Herren! Dafür nicht!

Das sehen auch die BürgerInnen so. 84% der Deutschen wollen eine klimafreundliche Energieversorgung. Und, viele leisten bereits wichtige Beiträge zum Klimaschutz: Sie nutzen Car-Sharing-Angebote, haben ihre Häuser energetisch saniert oder beziehen Öko-Strom.

Sie haben die Chancen des Klimaschutzes längst erkannt. Fast jede zweite Kilowattstunde Ökostrom stammt aus Anlagen, die von BürgerInnen, Landwirten oder Energiegenossenschaften betrieben werden. Diese investieren in die Zukunft und generieren zugleich regionale Wertschöpfung.

Bereits heute sind Klimaschutztechnologien Jobmotor. Allein die Erneuerbare-Energien-Branche beschäftigt 50.000 Menschen in Niedersachsen. Und das ist ausbaufähig, wenn wir nicht nachlassen.

Die Politik ist gefordert, jetzt klare Orientierung zu geben. Dazu gehören Ziele, Maßnahmen und Zeitpläne. Dazu gehört ein verbindlicher Rahmen, wie das Klimaschutzgesetz und die dazugehörige Strategie.

Wir brauchen aber auch auf Bundes- und Europaebene eine ambitionierte Klimapolitik. Daher bin ich froh, dass unser Ministerpräsident Stefan Weil und unser Umweltminister Stefan Wenzel gemeinsam mit VertreterInnen aus Energiewirtschaft, Forschung und Verbänden sich jüngst auf einen gemeinsamen Vorschlag für eine Energiewende 2.0. verständigt haben. Die neue Bundesregierung wird sich daran messen lassen müssen, wie weit sie dieser weitsichtigen Maßgabe folgt.

Meine Damen und Herren,

wir sollten uns in der Debatte nicht einseitig auf Risiken, Unsicherheiten und Kosten versteifen. Angst und Verzagtheit bringt keine Zukunftsvision. Der Übergang ins postfossile Zeitalter ist nichts für Hasenfüße.

Den Mutigen erschließen sich dagegen neue Möglichkeiten, neue ökonomische wie soziale Chancen. Das sollten wir nutzen.

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