Rede Volker Bajus: Antrag (SPD/GRÜNE) zur Energiewende

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

Vor wenigen Tagen habe ich mir das Projekt Enera angeschaut. Hier kommen über 70 Akteure unter der Führung von EWE zusammen. Sie lösen dort Fragen der Versorgungssicherheit, der Netzsteuerung und der natürlichen Schwankungen des erneuerbaren Stroms. Das Besondere, es geht um eine Region, in der schon heute mehr Ökostrom produziert wird, als vor Ort gebraucht wird.

Es ist schon beeindruckend, wenn man auf diese ExpertInnen trifft. Die trauen sich die Energiewende mit 100 Prozent Erneuerbaren nicht nur zu, sondern stellen sich den damit verbundenen Herausforderungen und technischen Problemen schon.

Das Enera-Projekt ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Heimat der Energiewende Niedersachsen ist. Wir sind das Land der Erneuerbaren, das Land, in dem die Branche zu Hause ist. Das Land, wo die Energietechnologien von morgen schon heute entwickelt werden. Und, unsere rotgrüne Landesregierung steht dafür, dass das auch so bleibt.

Pionierland zu sein, bedeutet eben auch, dass sich bei uns die praktischen Probleme der Energiewende zuerst zeigen.

Ein Beispiel. Ein strahlender Sonnentag an der Nordseeküste. Der Wind weht. Es ist Sonntag, bestes Ausflugswetter. Die Windräder und die Zähler der Photovoltaik Anlagen laufen auf Hochtouren.

Doch Sonntags ist der Stromverbrauch bekanntlich eher gering. Große Verbraucher aus der Industrie fahren ihre Anlagen über das Wochenende herunter. An einem solchen Tag ist das Netz im Norden schon heute voll mit erneuerbarem Strom.

Trotzdem wird dann noch zusätzlich klimaschädlicher Kohle- oder hochriskanter Atomstrom produziert. Im Netz drängeln sich also Erneuerbarer, Kohle- und Atomstrom. Was nicht verbraucht oder abtransportiert wird, gefährdet die Netzstabilität. Es müssen also Anlagen abgeschaltet werden.

Jedoch sind die alten Kraftwerke ungefähr so gut steuerbar wie Ozeantanker. Nämlich gar nicht. Sie brauchen Stunden, um überhaupt Leistung zu bringen und Tage um auf Volllast zu kommen.

Deshalb sind es dann die Erneuerbaren, die es trifft, weil eben Kohle und Atom nicht so schnell runter gefahren werden können. Umwelt- und klimapolitisch ist das völlig kontraproduktiv. Und teuer. Denn die VerbraucherInnen tragen die fälligen die Entschädigungen für den nicht genutzten Ökostrom mit.

Auf diese Problemlage hat die Bundesregierung derzeit leider nur eine Antwort: Deckeln, Bremsen, Verlangsamen.  Mit der Einführung sogenannter „Netzausbaugebiete“ wird zudem der Windenergieausbau in großen Teilen Norddeutschlands um weitere 40 Prozent ausgebremst.

Meine Damen und Herren,

das ist einfach Unsinn und offensichtliche Folge der Einflüsterungen der alten Stromwelt in Berlin, zum Beispiel von den Fuchsens und Pfeiffers vom wirtschaftspolitischen Flügel der CDU.

Und das alles auf Kosten der Klimaziele von Paris … es kann doch nicht sein, dass die so schnell wieder vergessen sind?

Es ist doch nicht der Ökostrom, der die Netze verstopft, es sind die alten inflexiblen Meiler. Während das 40 Jahre alte Kohlekraftwerk in Wilhelmshaven oder das AKW in Lingen läuft, steht am gleichen Standort, gleich nebenan ein modernes, klimaverträglicheres Gaskraftwerk still, das sich jederzeit flexibel hoch – und runterfahren lässt.

Das ist genauso unsinnig, wie die Schuldzuweisungen des Bundes, der Norden würde den Netzausbau verschleppen. Die einzige Nullnummer beim Netzausbau leistet sich der Bund selber.

Aber, lassen wir das. Denn  dieser Streit löst die Probleme nicht. Stattdessen sollten wir auf die Innovationskraft unserer IngenieurInnen und die Chancen der Digitalisierung setzen.

Wenn wir Angebot und Nachfrage besser zusammen bringen, dann lösen wir viele der genannten Probleme schon heute. Warum fördern wir nicht endlich eine flexible Nachfrage nach Ökostrom, die sich der Tageszeit und dem Wetter anpasst, statt für abgeschaltete Anlagen und Braunkohle-Reservekraftwerke zu zahlen, die keiner mehr braucht? Warum werden Speicheranlagen abgabenmäßig bestraft, statt gefördert? Warum bestimmen nicht Systemdienlichkeit und Klimaverträglichkeit das Anreizsystem, die diesen sowieso staatlich hochregulierten Sektor treiben?

Antworten haben zum Beispiel die findigen MitarbeiterInnen beim schon erwähnten Enera-Projekt. Ihr Ansatz:

Durch ein intelligentes dynamisches Management von Angebot und Nachfrage können mit nur noch fünf Prozent Abregelung von Ökostrom doppelt so viele Erzeugungsanlagen an das Netz angeschlossen werden ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden.

Bei der Energiewende geht es eben darum, nicht nur Ökostromanlagen zu bauen, sondern das ganze System neu zu denken und intelligenter zu gestalten. Dazu braucht es aber mehr Flexibilitätstechnik und Speichermöglichkeiten und enstprechende Anreizesysteme.

Genau dafür setzt sich unser Antrag ein. Wir wollen die Energiewende, und zwar schnell UND effizient. Unnötiges Abbremsen ist Ressourcenverschwendung und hemmt die Innovationskraft unseres Landes. 
Ich bin gespannt auf die Ausschussberatungen.

Vielen Dank!

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