Rede Ursula Helmhold: Zusammenlegung Arbeitslosen- und Sozialhilfe

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Anrede,
die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, über die Konsens besteht, gehört zu den grundlegendsten Sozialreformen der rotgrünen Bundesregierung. Sie beendet einen jahrzehntelangen und in den letzten Jahren immer heftiger beklagten Zustand, dass in Deutschland bislang zwei Fürsorgesysteme für Erwerbslose nebeneinander bestehen. Diese Systeme haben zu zwei Klassen von Arbeitslosen geführt, nämlich einmal zu denen, die niemals Ansprüche auf Lohnersatzleistungen durch sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufbauen konnten und somit Sozialhilfeempfängerinnen und Empfänger sind und zum zweiten zu denen, die, weil sie schon einmal Arbeit hatten, mit den Lohnersatzleistungen der Bundesanstalt leben können. Wir wissen alle, dass diese Unterteilung völlig kontraproduktiv ist und zu sehr unterschiedlichen Rechten und Pflichten bisher geführt hat. Mit der Zusammenführung beider Systeme kann künftig gezielt mit einheitlichen Instrumenten gearbeitet werden, die auf alle Erwerbslosen und Arbeitssuchende ausgerichtet ist.
Aus Grüner Sicht sind dabei folgende Punkte von entscheidender Bedeutung:
Jeder, der nach Rentenrecht mehr als 3 Stunden arbeitsfähig ist, wird in Zukunft von der Bundesagentur für Arbeit betreut werden und von den Maßnamen der aktiven Arbeitsmarktpolitik profitieren können, dabei wird es übrigens keine Verordnungsermächtigung geben.
Die Leistungen werden pauschaliert, deshalb werden LeistungsbezieherInnen nicht mehr um jede Kleinigkeit kämpfen müssen, auch so wird Bürokratie abgebaut und die Verantwortung des einzelnen gestärkt.
Die Zuverdienstmöglichkeiten werden über die bisherigen Sätze hinausgehen.
Das gesetzlich geförderte Altersvermögen wird vor Anrechnung geschützt sein.
Durch einen Kinderzuschlag von bis zu 140 Euro werden Familien mit geringem Erwerbseinkommen vor dem Abrutschen in den Sozialleistungsbezug bewahrt werden. Eine umfassende Unterhaltspflicht von Eltern und Kindern, außer bei Minderjährigen, die ihre Ausbildung noch nicht abgeschlossen haben wird es nicht geben und das ist auch gut so.
In der letzten Debatte zu diesem Thema hat die CDU sich dazu verstiegen, uns an dieser Stelle vorzuwerfen, damit kündige man die Familiensolidarität auf. Meine Damen und Herren, erklären Sie mir doch bitte mal, wie Ihre beständigen Sonntagsreden, man müsse wieder eine Familienpolitik betreiben, die Menschen dazu anregt, mehr Kinder zu bekommen, zu ihrer Forderung nach gegenseitigem Unterhalt im Falle von Arbeitslosigkeit passt. Wollen Sie wirklich, dass der 55-jährige für sein 35jähriges arbeitslos gewordenes Kind Unterhalt bezahlen muss und umgekehrt?
Dann lautet das Urteil für Eltern (und Kinder): lebenslänglich! Soll das Menschen Mut zum Leben mit Kindern machen?
Anrede
Jetzt steht eine umfängliche Debatte im Vermittlungsausschuss bevor.
In den vergangenen Monaten wurden mit verschiedenen Konzeptionen und Denkweisen scheinbar unversöhnliche Fronten aufgebaut, insbesondere in der Frage der Jobcenter, also der zukünftigen Zusammenarbeit von Bundesanstalt für Arbeit und kommunalen Sozialämtern. Nun ist die Stunde gekommen, in der vernünftige Kompromisse in den Gesprächen zwischen Bundesrat und Bundestag gefunden werden müssen. Die Bundesregierung hat hier in weiser Voraussicht im Gesetzentwurf Hartz IV genügend Spielraum gelassen, damit beide Seiten aufeinander zugehen und zu einer tragfähigen Lösung kommen können. Wir Grünen haben von Anfang an gesagt, dass wir eine Lösung im Sinne der Gründung von gGmbH’s anstreben. Es wird aber keine Änderung des Artikels 104 GG geben, um eine Lösung, wie sie sich der Landkreistag vorstellt durchzudrücken. Diese Illusion können Sie sich schenken.
Was ebenfalls unrealistisch sein wird, ist, den Erwerbslosen Dumpinglöhne anzubieten und einen Niedriglohnsektor zu befördern, von dem niemand leben kann. Das wird die Betroffenen auf Dauer von gigantischen Transferleistungen des Staates abhängig machen.
Wenn Herr Hirche sagt "Tariflöhne sind für den Betroffenen nicht das wichtigste – entscheidend ist, dass er von seiner Arbeit auch leben kann", dann muss er doch auch einmal sagen, wie und auf welchem Niveau eben dies gehen soll, wenn Arbeitslose jede Arbeit zu jedem Lohn annehmen sollen. Haben sie sich wirklich überlegt, dass sie damit den regulären Handwerksbetrieben das Wasser abgraben? Oder gehen Sie davon aus, dass diese Betriebe alle regulären Beschäftigungsverhältnisse auflösen und die Menschen dann zu Niedrigstlöhnen wieder einstellen, die dann schlimmstenfalls nach dem Koch`schen Modell staatlich aufgefüttert werden? Genau dies führt zu dauerhaften Abhängigkeiten von staatlichen Transferleistungen und im Übrigen zu extremen Finanzbelastungen des Bundes.
Vielleicht können Sie uns heute mal erklären, wie Sie zu den Koch`schen Dumpinglohnvorschlägen stehen. Auch die Landesregierung hält sich ja auffallend bedeckt. Ist die Pressekonferenz nach der Kabinettssitzung in der vergangenen Woche vielleicht deshalb ausgefallen, wie sie unangenehmen Fragen der Journalisten zu diesem Thema ausweichen wollten?
So langsam müssen Sie sich doch mal entscheiden, ob Sie dem hessischen Kollegen zur oder in die Seite treten wollen?
Und es wird auch nicht gehen, den Kommunen die Alleinzuständigkeit für die Arbeitslosigkeit aufzudrücken, wie Sie das vorhaben. Städtetag und Städte- und Gemeindebund lehnen dies nach wie vor vehement ab. Es kann doch nicht angehen, dass in Zukunft jede Stadt und jede Gemeinde die politische Verantwortung für die Beseitigung der Arbeitslosigkeit im jeweiligen Einzugsbereich übernehmen soll. Dazu fehlt ihnen nicht nur das gesetzliche und politische Instrumentarium, das würde auch eine nicht nachzuvollziehende Verschiebung politischer Verantwortungsebenen mit sich bringen. Die Kommunen wollen auch gar nicht für die bundesweite Vermittlung von Arbeitslosen zuständig sein, wie ein Vertreter des Landkreistages in der Evangelischen Akademie Loccum bekannte. Und spätestens hier können wir feststellen, dass das Modell des Landkreistages wieder neue Zuständigkeitszersplitterungen mit sich bringt, die den Betroffenen überhaupt nicht helfen werden.
Arbeitsämter und kommunale Dienststellen sollen und werden in Zukunft nach unseren Vorstellungen gleichberechtigt und dauerhaft in den Job-Centern zusammenarbeiten. Die Kommunen und ihre MitarbeiterInnen müssen auf gleicher Augenhöhe eingebunden werden, das wollen sie auch, aber mehr wollen sie nicht.
Dasselbe gilt für die bewährte Infrastruktur der sozialen Dienste der frei-gemeinnützigen Träger, deren Mitarbeit, das wissen wir doch alle, unverzichtbar bleibt. Gerade hier bedarf es noch klarer Regelungen, um die bewährte Arbeit der sozialen Dienste der Wohlfahrtspflege wie im Bundessozialhilfegesetz festgelegt, abzusichern.
Meine Damen und Herren, bitte tragen Sie in den Verhandlungen in diesem Sinne dazu bei, zügig Regelungen zu beschließen, von denen Erwerbslose und Kommunen schnell profitieren können.
es gilt das gesprochene Wort

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