Rede Ursula Helmhold zur Akt. Stunde SPD: Nachhilfe für den Innenminister: Eine Bischöfin ist kein General und die Kanzel kein außenpolitischer Krisenstab

Anrede,

unter einer Predigt versteht man im allgemeinen Sinne die Verkündigung des christlichen Glaubens in Wort, Tat und Lebensführung; im speziellen eine Form christlicher Rede.

Selten hat wohl eine Predigt im politischen Raum eine so breite und aufgeregte Resonanz gefunden wie die der EKD-Ratsvorsitzenden am Neujahrstag in der Dresdener Frauenkirche.

Gar nicht mehr einkriegen konnte sich der niedersächsische Innenminister Schünemann, zunächst über den Boulevard und dann noch mal über die FAZ. Schünemann unterstellte dabei sogar, dass Käßmanns Kritik einem islamistischen Kalifat und dem Al-Qaida-Netzwerk Auftrieb gebe.

Der Ministerpräsident äußerte sich ja deutlich klüger und differenzierter, aber er hat leider nicht dafür gesorgt, dass sein Innenminister mit seinen Anwürfen aufhört.

Anrede,

ich glaube, es ist das gute Recht, um nicht zu sagen die Pflicht der Kirche, das Wort zu ergreifen zu einem Thema, bei dem es immer mehr Menschen unbehaglich wird. Immer mehr Menschen zweifeln: Wie überzeugend sind Werte, in deren Namen Menschen in Käfige gesperrt und foltert werden, große zivile Opfer zu beklagen sind und es sogar geschieht, dass Hochzeiten und Trauerfeiern bombardiert werden?

Wer die Verbrennung von mehr als 100 Menschen wochenlang als "militärisch angemessen" bezeichnet, verändert auch im eigenen Land die Einstellung zur Gewalt. Wenn inzwischen sogar von der Notwendigkeit zur Vernichtung des Gegners  gesprochen wird, müssen wir aufhorchen.

Ich erwarte, dass Kirche sich zu diesen Fragen äußert.

Nach 8 Jahren Krieg, ohne dass ein Ende absehbar ist, müssen Zweifel geäußert werden dürfen, muss man fragen dürfen, ob die gewählte Strategie erfolgreich ist oder mehr Phantasie für andere Lösungen nötig ist.

Und es ist unredlich, sich dann hinzustellen und derjenigen, die Zweifel und Unbehagen in Worte fasst vorzuwerfen, sie lasse die Truppe im Stich, demoralisiere die Soldaten und quasi eine neue Dolchstoßlegende aufzulegen.

Diskutieren, Herr Schünemann, das wäre angesagt, aber nicht Diskreditieren.  Differenzieren, aber nicht Polemisieren!

Aber man fragt sich doch überhaupt wieso ausgerechnet der Niedersächsische Innenminister sich berufen fühlte, in dieser Debatte zu diesem Zeitpunkt Laut zu geben. Wenn sich der Wehrbeauftragte zu Wort meldet oder Verteidigungs- und Außenpolitiker, das leuchtet unmittelbar ein. Aber von allen deutschen Ministern ausgerechnet der Minister des Inneren aus Niedersachsen?

Herr Schünemann, ist es nicht in Wirklichkeit so, dass diese Bischöfin Sie schon lange ärgert? Mit ihrem engagierten Einsatz für Flüchtlinge, für mehr Menschlichkeit, für echte Härtefallentscheidungen: War es da nicht einfach verlockend, auch einmal die vermeintlich moralische Keule schwingen zu können?

Und könnte es daneben nicht auch sein, dass dieselbe Predigt gehalten von einem Mann nicht zu diesem erregten und im Duktus oft schwer danebenliegenden Protest gereizt hätte?

Wissen Sie, Max Weber ist für PolitikerInnen immer ein guter Ratgeber, wobei ich Sie übrigens eher bei Carl Schmitts Begriff des Politischen sehe.

Hätten Sie die von Ihnen zitierte Weber`sche Verantwortungsethik doch selbst an den Tag gelegt: Leidenschaft im Sinne von Sachlichkeit, Verantwortlichkeit und Augenmaß.

Ich bin sicher, Sie hätten sich anders verhalten.

Tun Sie jetzt wenigstens nachholend und entschuldigen Sie sich.

Anrede

Bundespräsident Köhler hat am vergangenen Freitag Frau Käßmann ermuntert:"Ich mache mir nicht alle Ihre Wort zu eigen. Aber unser Land braucht solche Beiträge. Das ist eine überfällige Debatte!"

Mit ihrer Neujahrspredigt, so Köhler, habe sie "uns allen einen Dienst erwiesen".

Das sehen wir genau so wie der Bundespräsident!

Zurück zum Pressearchiv