Rede Ursula Helmhold: Landesblindengeld als Nachteilsausgleich erhalten

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Anrede,

der niedersächsische Blindenbund hatte seine Hand weit ausgestreckt und Ihnen einen Kompromissvorschlag zur Zukunft des Blindengeldes unterbreitet. Wir hatten diesen Vorschlag in Teilen als unseren Antrag in die Landtagsberatungen eingebracht und wurden dafür auch gelobt. Doch Ihre Regierung hat die ausgestreckte Hand nicht ergriffen, sondern weggestoßen. Wer so etwas nötig hat, meine Damen und Herren, zeigt nicht nur, ein wie kaltes Herz er hat, es ist auch politisch völlig unklug.
Der Kompromissvorschlag des Landesblindenbundes ist seinen Mitgliedern nicht leicht gefallen, er hat dafür Anfeindungen hinnehmen müssen. Doch was die Regierung jetzt zusammen gezimmert hat, ist einfach ein Tiefschlag gegen die Betroffenen. Die jungen Blinden werden noch mit einem geringen Blindengeld ausgehalten, der Rest muss sich seine Hilfen nach dem Gesichtspunkt der Bedürftigkeit beantragen oder ist gar auf Almosen aus der Hilfsstiftung angewiesen. Und dies alles ohne jegliche Übergangsfristen und deswegen auch mit hohen Reibungsverlusten! Da wundert es nicht, dass Kommunal-Verwaltungsangestellte in vorauseilendem Gehorsam Bescheide schon an die Blinden herausgeschickt haben, als das Parlament die Gesetzesnovelle noch gar nicht geschlossen hatte. Ein starkes Stück!
Für die Blindenhilfe nach SGB XII müssen die Blinden nun aber erstmal ihre Ersparnisse bis auf das Vermögensniveau der Sozialhilfe aufgebraucht haben. Das ist das, meine Damen und Herren, was insbesondere den Finanzminister freut, dass er hier bei Menschen, die gerade mit dem Blindengeld bisher ein selbstständiges Leben jenseits eines Heimaufenthaltes führen konnten, erst einmal – indirekt - abkassieren kann, bevor er selbst löhnen muss. Das diese Menschen dann möglicherweise in ein Heim einziehen müssen, weil sie ohne Blindengeld nicht mehr selbstständig leben können und da viel höhere Kosten verursachen: wen interessiert das eigentlich in der Regierung.
Anrede,
der Beschluss der Landesregierung ist eine Volte zurück in die 50iger Jahre. Da brauchen Sie sich nicht zu wundern, dass sich die Betroffenen wehren und dabei sind, eine Volksinitiative zum Erhalt des Landesblindengeldes vorzubereiten. Ich denk, es wird ein leichtes sein, hierzu 25.000 Stimmen zusammen zu bekommen. Ich hoffe, dass es dann weitere Früchte trägt.

Anrede,
unser Entschließungsantrag ist leider nicht mehr ausreichend zu Ende beraten worden. Wir hatten Ihnen ja vorgeschlagen, die Leistungen des Blindengeldes in das SGB IX zu überführen und langfristig ein Bundesleistungsgesetz zu verabschieden. Dazu haben sie sich nicht verhalten, obwohl sie wissen, dass andere CDU-geführte Bundesländer hier durchaus dabei sind, interessante Vorschläge. Sie haben sich in der damaligen Debatte ereifert, dass rotgrün das ja schon längst hätte machen können. Das ist nun wirklich ein starkes Stück, denn: als das SGB IX von rotgrün eingebracht und verabschiedet wurde, ein Gesetz, das Sie in ihrer 16jährigen Regierungszeit nicht zustande gebracht haben, waren Sie hier ja noch gar nicht in der Regierung und kein Bundesland dachte daran, das Landesblindengeld abzuschaffen. Die niedersächsische Landesregierung präsentiert sich mit ihrem Beschluss einerseits als Vorreiter für den sukzessiven Abbau aller Landesblindengeldgesetze und entwickelt andererseits keinerlei Bundesratsinitiative zur Integration eines Landesblindengeldes im SGB IX. Das ist das eigentlich Infame an der Sache, die Betroffenen werden hier doppelt im Regen stehen gelassen. Wenn man die Landesblindengeldgesetze im Grundsatz für antiquiert hält – sie haben mir damals in diesem Punkt ja durchaus Zustimmung signalisiert - weil es eigentlich eine bundeseinheitliche Leistung geben müsste und nicht einen völlig bunten Fleckerlteppich an Leistungen zwischen den Bundesländern, dann muss diese Landesregierung auch gegenüber Berlin eine Gesetzesinitiative in diese Richtung starten. Da ist nicht die Bundesregierung in der Pflicht, sondern der Verursacher des Übels, und das sind Sie. Wir werden deshalb diesen Punkt erneut in den Ausschussberatungen ansprechen.
Anrede,
die Streichung des Landesblindengeldes für die Mehrzahl der Blinden ist eines der herbsten Ereignisse in der niedersächsischen Sozialpolitik unter schwarzgelb. Es zeigt an, dass die Sozialministerin von dem grundsätzlichen Nachteilsausgleich und zugleich Teilhabeanspruch, den behinderte Menschen gegenüber der Allgemeinheit geltend machen, nichts verstanden hat und auch nichts verstehen will. Es geht hier um einen prinzipiellen Ausgleich jenseits von Einkommen und Vermögen und nicht um Bedürftigkeit. Das zu begreifen täte auch dieser Landesregierung bitter not.


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