Rede Ursula Helmhold: Haushalt 2010 - Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit

Anrede,

nach der Sozialministerkonferenz vom Montag dieser Woche sind wir in Sachen Jobcenter leider immer noch nicht weiter auf dem Weg zur notwendigen Verfassungsänderung. Ich hatte eigentlich gehofft, dass die Niedersächsin von der Leyen unbelastet vor dem Hintergrund ihrer niedersächsischen Erfahrungen einen Neuanfang wagen würde. Leider hat sie im Wesentlichen die Lösung des damaligen Bundesarbeitsministers Scholz übernommen. Dass sich das schwarzgelbe Bündnis in Berlin weitgehend auf ein Papier geeinigt hat, das aus der Feder der SPD stammt ist schon kurios.

Nun sehe ich aber, anders als die SPD; durch den Beschluss der Arbeits- und Sozialminister noch nicht alle Türen für eine zukünftige gemeinsame Aufgabenwahrnehmung zugeschlagen. Die Minister sprechen ja nur von einem "diskussionswürdigen Ansatz". Wenn das heißen soll, dass alle Eitelkeiten bei CDU und SPD hinten angestellt werden und alle auf eine Verfassungsänderung drängen, wäre dies ein wirklich politischer Verdienst.

Anrede,

der Haushaltsplan der Sozialministerin folgt im Großen und Ganzen der Philosophie: "Allen wohl und niemandem wehe". Hier ein Projekt, da eine Anschubfinanzierung und vor allem: Vieles wird in runden Tischen oder Bündnissen geparkt und ausgesessen.

Zum Beispiel bei der Pflege. Da erfand sie Ende letzten Jahres das so genannte Pflegepaket. Allerdings als Windei, denn es passierte 1 Jahr lang überhaupt nichts. Jetzt, nach erheblicher Kritik soll es aber, sogar rückwirkend – endlich losgehen. Von der anfänglich geplanten Anreizfinanzierung für Einrichtungen, die zusätzliche Ausbildungsplätze schaffen, ist jedoch gar keine Rede mehr! Von der geplanten "Ideensammlung" zur Stärkung des Altenpflegeberufs ist auch weit und breit auch nichts zu sehen. Das würde aber auch nicht helfen, vor allem wenn dieselbe Sozialministerin den dringend notwendigen Mindestlohn in der Pflege blockiert. Gute Arbeitsbedingungen und bessere Pflege, das würde den Beruf attraktiv machen!

Dazu würde auch Engagement und Einsatz dafür gehören, dass die Pflegesätze in Niedersachsen endlich mindestens den Bundesdurchschnitt erreichen.

Und richtig gut wäre es, sie angesichts des schon bestehenden Fachkräftemangels endlich den Mut aufzubringen den Pflegenotstand zu erklären und die Altenpflegeausbildungsumlage wieder einzuführen. Nur das bringt uns weiter. Diesen Schritt scheuen Sie aber wie der Teufel das Weihwasser.

Anrede

zum Thema Neuorientierung der Eingliederungshilfe kommen wir im Januar-Plenum zu ausführlicheren Debatten als es jetzt hier bei der Haushaltsdiskussion möglich ist.

Aber warum schon so lange Funkstille beim Heimgesetz herrscht, könnte hier heute vielleicht mal erklärt werden. Ich fürchte fast, das wird eine ebenso unendliche Geschichte wie das Behindertengleichstellungsgesetz.

Ein weiteres Problem ist die Förderung von Doppelstrukturen: Es bleibt bei Ihnen – aus ideologischer Voreingenommenheit, - bei dem bisher ungeordneten Nebeneinander von Seniorenservicebüros und Pflegestützpunkten. Es versteht doch kein Mensch im weiten Lande, warum der ältere Mensch oder seine Angehörigen erst in das eine Büro und dann 500 m weiter in das andere stapfen soll, wenn's um Pflege geht.

Anrede

Über die Krankenhausversorgung haben wir heute Vormittag debattiert. Seit Jahren geht die Entwicklung unter der Hand schleichend weg von der Wohnortnähe: Kleine Krankenhäuser mussten schließen, Abteilungen wurden zentralisiert und die privaten Träger gründen sogenannte Portalkliniken oder Medizinische Versorgungszentren, um Wertschöpfungsketten hin zu ihren meist von den Landkreisen übernommenen Kliniken zu lenken. Wir sind der Meinung, dass sich das Land hier lenkend mit Zuschüssen einmischen sollte und haben dafür 10 Mio. € in unseren Haushaltsänderungsantrag zur Umnutzung und Umwidmung bisher als Krankenhäuser genutzter Immobilien hineingeschrieben. Hier kann die Entwicklung zwischen stationär und ambulant sinnvoll und zukunftsweisend strukturiert werden.

Anrede,

wir lesen heute, dass in Niedersachsen weiterhin jeder Siebte sogar jedes 5. Kind armutsgefährdet ist. Dagegen agieren Sie mit halbherzigen Bundesratsentschließungen und warmen Worten. Harte Fakten beschließen CDU und FDP dagegen bei der Erhöhung des Kindergeldes. Jedes 5. Kind in Niedersachsen ist ihnen nicht einen einzigen Cent wert.

Anrede,

die Landessozialminister haben sich bei den Verträgen zur Lieferung von Impfmitteln gegen die Schweinegrippe offenbar über den Tisch ziehen lassen. Wegen der Abnahmepflicht sitzen sie nun auf viel zu vielen Impfdosen. Fachleute wie der Pharma-Experte Professor Glaesecke sprechen von Fehlentscheidungen, weil sich die Politik unter einen gewaltigen Handlungsdruck habe setzen und einseitig den pharmazeutischen Bereich bevorzugt habe. Das freute die Pharmaindustrie, die sich in den Verträgen einer Ausstiegsklausel erfolgreich verwehrte Ich kann den Ärger des Finanzministers an diesen Punkt schon verstehen. Er sollte sich jedoch, statt hinterher seine Kollegin beim nächsten Mal entweder mit an den Verhandlungstisch setzen oder gleich selbst verhandeln, um Schaden vom Landeshaushalt abzuwenden.

Anrede

Frauenpolitik findet in Niedersachsen, abgesehen von Gewaltschutz fast nicht mehr statt. Das Wortgeklingel des Ministerpräsidenten kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Frauenanteil in Führungspositionen stagniert. Stufenpläne existieren offenbar nur auf dem Papier. Wir müssen ja sogar im Plenum darüber diskutieren wie Frauen von Landesbehörden diskriminiert werden. Die Frauenabteilungsleitung soll aufgegeben werden, die Förderung der Frauenhäuser wurde nur nach massiven Protesten vorläufig gesichert – ambitionierte Frauenpolitik sieht anders aus!

Anrede,

im nächsten Jahr steht ja die Überprüfung des Nichtraucherschutzgesetzes ins Haus. Ich bin gespannt, ob die Kraft der Gesundheitsministerin ausreichen wird, um sich den Aufweichungsinteressen der FDP zu widersetzen.

Viel Hoffnung habe ich allerdings nicht.

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