Rede Ursula Helmhold: Gleichberechtigung fördern statt "Männerquote" fordern

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Anrede,
Ausgangspunkt dieses Antrages sind Äußerungen des Kultusministers zur Feminisierung der Schule, insbesondere im Primar- und Elementarbereich gewesen.
Nachdem bereits während der ersten Plenums-Beratung klar gestellt wurde, dass nicht die Lehrerinnen für die deutlichen Leistungsunterschiede von Jungen und Mädchen in der Schule verantwortlich zu machen sind, möchte ich heute auf zwei Aspekte der Diskussion tiefer eingehen:
Erstens. Wir erleben nicht nur eine Feminisierung der Schule, sondern eine Feminisierung der Kindheit im Allgemeinen. Diese Entwicklung ist das Ergebnis der Absentierung der Männer. In vielen Kindheiten tauchen Männer entweder gar nicht oder nur noch am Rande auf. Es mag vielfältige Ursachen dafür geben, warum z.B. Väter in Familienfragen durch Abwesenheit glänzen - tradiertes Rollenverständnis und eine Arbeitswelt, die vielfältige Lebensentwürfe nicht zulassen mag(? will), gehören jedoch auf jeden Fall dazu.
Zwangsläufig müssen wir also auch die Männer in den Blickpunkt nehmen. Nicht mehr nur: Wo sind zu wenige Frauen, sondern auch, wo sind zu wenig Männer ist die Frage, und sie erscheint mir zunehmend interessant.
Wenn heute die zurückgehenden Geburtenzahlen beklagt werden, wird häufig anklagend auf die Frauen gewiesen: Sie, und insbesondere die Akademikerinnen unter ihnen, verweigern kollektiv das Gebären und schädigen so die sozialen Sicherungssysteme.
Neueste soziologische Untersuchungen zeigen jedoch ein anderes Bild: Häufig sind es nicht die Frauen, sondern die Männer, die eine Bindungs- und Familiengründungsscheu an den Tag legen: Viele Frauen bekommen keine Kinder, weil ihnen die Männer fehlen, die bereit sind, ihren Anteil an der Familienarbeit zu leisten. Vor diesem Hintergrund hat meine Fraktion im vergangenen Jahr die Diskussion um den Girls`Day eröffnet. Im Ergebnis wird dieser jetzt weiterentwickelt mit dem Ziel, auch Jungen die Perspektive auf eher weibliche Berufsfelder und die Familienarbeit zu eröffnen.
Zweitens bleibt festzuhalten, dass trotz besserer schulischer Leistungen von Mädchen diese Vorteile nicht bis in das Berufsleben hineintragen, sondern Frauen im Erwerbsleben immer noch hinsichtlich der Einkommenshöhe und des Anteils an Führungspositionen benachteiligt sind.
Der Bericht über die Umsetzung des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes (NGG) hat dies für die öffentliche Verwaltung noch einmal eindrucksvoll bestätigt. Daraus folgt, dass auf die klassischen Instrumente der Frauenförderung keinesfalls verzichtet werden kann.
Leider tut diese Landesregierung genau das:
Sie schaffen den überwiegenden Teil der hauptamtlichen kommunalen Frauenbeauftragten ab, sie schwächen die Stellung der verbleibenden, sie zerschlagen mit der Abschaffung der gesamten Projektförderung im Frauenbereich eine gewachsene Landschaft der Hilfe, Unterstützung und Beratung für Frauen.
Auf die Konzeption des Ersatzprojekts der Ministerin warten wir noch immer.
Und die Frage bleibt: gilt das eigentlich nur für Frauen? Müssen nicht gerade auch Männer ermuntert werden, ganz selbstverständlich auch ihre Kinder zu betreuen und das nicht nur ihren Partnerinnen zu überlassen?
Dann allerdings darf eine Frauenministerin nicht einseitig den Frauen das Geld wegnehmen. Gerade, da sie selbst immer wieder betont, wie profitabel die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für die Wirtschaft ist, sollte im Sinne von gender mainstreaming der Wirtschaftsminister diese Projekte fördern.
Wenn der neue "Mitnahmeeffekt" der niedersächsischen Wirtschaftsförderung eine Feminisierung der Arbeitswelt und eine Maskulinisierung der Kinderwelt wäre, hätten wir viel erreicht.

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