Rede: Ursula Helmhold: Fortsetzung zweite Beratung Haushalt 2009 – Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit

Anrede,

nachdem die Vorgängerin die soziale Landschaft mit der Wurzelbürste behandelt hat, arbeitet die amtierende Sozialministerin nun mit dem Weichspüler. Allen soll wohl und möglichst niemandem wehe getan werden.

Vorsicht und Behutsamkeit in der eigenen Haushaltspolitik ersetzen aber nicht die Notwendigkeit einer innovativen zukunftsfähigen Sozial- und Gesundheitspolitik. Im Haushaltsplan der Sozialministerin säuselt Vieles vor sich hin, entscheidende Weichenstellungen sucht man vergeblich.

Eine aktive gestaltende Pflegepolitik gibt es in diesem Land nicht mehr.

Im März wurde von Niedersachsens Bischöfen der Pflegealarm ausgerufen. Die Pflegesätze liegen um 20 Prozent unter denen anderer Bundesländer, die Träger müssen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Tarifverträgen entlassen, die Pflegequalität leidet und die Fachkraftquote ist kaum zu halten.

Die Sozialministerin verweist lapidar und schmallippig auf die Vertragspartner  und versteigt sich zu der Behauptung, es sei doch gut für die Menschen, wenn sie in Niedersachsen billig gepflegt werden.

Die Sozialhilfeträger zwingen zunehmend weniger betuchte Pflegebedürftige in Mehrbettzimmer. Es gibt inzwischen Investoren, die in Niedersachsen Voranfragen auf 5-Bettzimmer stellen. Das ist unwürdig und das haben Sie zu verantworten, denn eine Steuerung gibt es nach der Änderung des Pflegegesetzes nicht mehr.

Anrede,

Sie drücken sich davor die Anzahl der Fachkräfte in der Altenpflege zu sichern und verweigern die solidarische Umlagefinanzierung.

Die Philosophie der Landesregierung "der Markt soll`s richten" geht nicht auf. Es braucht eine verbindliche Rahmenplanung zur Steuerung von Quantität. Deshalb warten wir darauf, dass die Ministerin ein Heimgesetz vorlegt, das innovative Wohn- und Pflegeformen abbildet und den Verbraucherschutz sichert.

Nach den bundespolitischen Auseinandersetzungen traut sich die Ministerin nicht an das Thema Pflegestützpunkte ran - stattdessen setzt sie auf Seniorenservicestellen. Wir fordern Sie auf, diese mit den Aufgaben, die den Pflegestützpunkten im SGB XI zugedacht sind zu betrauen. Sorgen Sie dafür, dass solche Stellen oder Stützpunkte unabhängig von den Kassen und den Anbietern arbeiten. Die Anhörung im Ausschuss hat hierzu große Zustimmung ergeben.

Anrede,

Menschen mit Behinderungen sind von einem Wunsch- und Wahlrecht hin zu einem weitgehend selbstbestimmten und selbstorganisierten Leben noch weit entfernt. Der Heimbestand im Lande Niedersachsen ist nach wie vor viel zu hoch.

Seelisch Behinderte werden, wie es in einem der Jahresberichte des Psychiatrieausschusses nachzulesen ist, immer noch viel zu häufig nach Klinikaufenthalten in Heime eingewiesen. Das ist keine Normalisierung, das ist Ausgrenzung und Aussonderung. Sie haben keinerlei Plan zur Gegensteuerung – im Gegenteil, die bestehenden Strukturen werden einfach fortgeschrieben.

Anrede,

was bietet dieser Haushalt an Maßnahmen zur Bekämpfung von Armut und speziell von Kinderarmut? Der jetzt von Ihnen aufgelegte Fonds, der für jedes der betroffenen Kinder 1,25 € im Jahr an Unterstützung vorsieht ist ein armseliges Almosen. Und der Sozialfonds bei der Kultusministerin wurde in den Haushaltsplänen zuerst mit Null Euro angesetzt, bevor ihn die Regierungsfraktionen mit 1,5 Mio. € retten durften, ein unwürdiges Schauspiel.

Auf Bundesebene halten Sie sich an unverbindliche Entschließungen: Die Regelsätze der Kinder werden nicht neu berechnet und das Kindergeld wird nach wie vor auf die Regelsätze angerechnet. 

Bei der Neuberechnung der Kinderregelsätze könnte das Land über seine Zuständigkeit im SGB XII durchaus den Vorreiter spielen. Hier hat sich die Ministerin bei meiner Nachfrage in der 21. Plenarsitzung klar vor der Verantwortung gedrückt und sich hinter dem großen Buckel der Bundespolitik versteckt.

Auch bei der Sozialberichterstattung hat sich die Ministerin wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert. Statt das Thema beherzt aufzugreifen und der Landesarmutskonferenz entgegen zu kommen wurde gezögert und verzögert. Stattdessen hat sich die Ministerin – siehe wiederum die 21. Plenarsitzung – mit den fremden Federn des Statistischen Landesamtes geschmückt, um ihre eigene Untätigkeit zu verbergen. Das war nur noch peinlich.

Der jüngste Bericht des Landesamtes sagt es deutlich: Armut stagniert in Niedersachsen auf hohem Niveau und liegt über dem Bundesdurchschnitt. Jeder 7. Einwohner, jedes 5. Kind lebt in Niedersachsen in Armut. Dagegen haben Sie kein Konzept!

Anrede,

frauenpolitisch bleibt die Ministerin, gelinde gesagt, eher unauffällig. Das wundert nicht, denn sie gehörte ja zu den lautstarken Befürworterinnen der Abschaffung und Schwächung der kommunalen Frauenbeauftragten. Wir wollen die Arbeit der Mädchenhäuser stärken und mit einem Opfer­schutzfonds die Arbeit für die von Frauenhandel und Zwangsheirat betroffenen Frauen in Niedersachsen verbessern. Frauenhandel und Zwangsheirat sind schwere Menschenrechtsverletzungen, Hier brauchen wir mehr Mittel, vor allem aber auch die Bereitschaft, betroffenen Frauen wirklich zu helfen und dass heißt vor allem, sie nicht mit Abschiebung zu bedrohen. Wer es hier ernst meint, muss ihnen ein eigenständiges Aufenthaltsrecht geben.

Anrede,

die Lage vieler Krankenhäuser ist nach wie vor dramatisch. Wir haben kürzlich dazu eine ausführliche Debatte gehabt. Geändert hat sich seitdem nahezu nichts. Die im Haushalt eingestellten Mittel zur Investitionsförderung sind nach wie vor völlig unzureichend, wir haben deshalb auch hier mehr Mittel beantragt. Die Lage der Pflegekräfte ist katastro­phal. Weitere Änderungen wird es wohl nach der Einrichtung diverser Bund-Länder-Arbeitsgruppen zu strittigen Fragen erst ab dem Jahre 2010/2011 geben.

Anrede,

in der vergangenen Woche  hat die Landesregierung in Bückeburg wieder einmal schweren Schiffbruch erlitten. Der schnöde Mammon ist der Landesregierung beim Verkauf der Landeskliniken zu Kopfe gestiegen und hat die Gehirne vernebelt. Nun muss erhebliche Gesetzesarbeit geleistet werden. Wir dürfen alle gespannt sein, wie die Ministerin dieses Urteil nun rechtssicher, also verfassungsgemäß umsetzen wird.

Meine Prognose: Sie macht erst mal wieder einen runden Tisch, einen Gipfel oder ein neues Bündnis, moderiert und versucht die Wellen zu glätten.

Der Sache aber wäre es dienlich, auch mal einen Stein ins Wasser zu werfen, um Wellen zu erzeugen, die wenigstens ein bisschen Dynamik in die trägen Wasser niedersächsischer Sozialpolitik bringen.

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