Rede Ursula Helmhold: Fortentwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland mitgestalten

Anrede,

zur Zeit tobt in der Medienpolitik der Kampf um die Präsenz von ARD und ZDF im Internet. In der Gefechtslinie zwischen den öffentlich-rechtlichen Sendern und den Verlagen positionieren sich die Fraktionen von CDU und FPD mit ihrem heutigen Antrag. Der Titel suggeriert, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk "fortentwickelt" werden soll. Ich will zunächst nur so viel sagen: Der Titel Ihres Antrags passt nicht zum Inhalt, denn fortentwickeln wollen Sie nichts.

Der 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag muss zwei Funktionen erfüllen: Umsetzung des Kompromisses im EU-Beihilfeverfahrens und, aus meiner Sicht wichtiger, eine Antwort auf die Herausforderungen der Digitalisierung der Medienlandschaft zu geben. Die Digitalisierung revolutioniert Formen und Verfahren der Massenkommunikation. Und in diesem Umfeld müssen Bestand und Fortentwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gewährleistet bleiben.

Sie meine Damen und Herren von CDU und FDP machen das Gegenteil:

Sie beschränken, Sie bürokratisieren, Sie bauen hohe Hürden auf, Sie verbieten. Meine Damen und Herren von der FDP: Mit Liberalität hat dieser Restriktionskatalog wenig zu tun.

Ich will nur einige Punkte nennen; Programmzahlbegrenzung, Verbot von Angeboten ohne Sendungsbezug, Erschwerung von neuen Angeboten, die Pflicht zur Löschung von Internetinhalten nach sieben Tagen.

Ich finde, in dieser seit Monaten währenden Schlacht um Marktanteile und Werbeeinnahmen gerät zunehmend das Wichtigste aus dem Auge: Die Interessen der Nutzerinnen und Nutzer des Internets.

Das Internet ist das freieste und demokratischste Medium, das derzeit existiert, weshalb autoritäre Regimes auch beträchtliche Schwierigkeiten damit haben und versuchen, ihre Bevölkerung möglichst weitgehend davon fernzuhalten.

Wer das Internet nutzt, sucht nach Unterhaltung oder Informationen. Die Verbreitung und das Vorhalten von Informationen sind in besonderer Weise durch den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gedeckt. Denn der öffentlich-rechtliche Programmauftrag besteht ja gerade darin, unabhängige, umfassende und frei verfügbare Angebote zur Verfügung zu stellen – und zwar für die ganze Gesellschaft und für alle Altersgruppen. Und jetzt kommen Sie her und versuchen, diesen Auftrag in dem zentralen Medium der Gegenwart und Zukunft zu beschränken.

Das Gegenteil ist richtig: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, wenn er seinem grundgesetzlich verbürgtem Anspruch gerecht werden und alle Bürgerinnen und Bürger erreichen will. Das Durchschnittsalter der Zuschauerinnen und Zuschauer bei ARD und ZDF liegt bei über 50 Jahren. Es erscheint doch logisch, dass auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk sich die anderen Altersgruppen dort erschließen muss, wo er sie mit Sicherheit antrifft, nämlich im Netz. Die Bestands- und Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist vom Bundesverfassungsgericht immer wieder betont worden; sie fordert geradezu die Nutzung neuer Übertragungswege und Formate und braucht ein Online-Angebot als dritte Säule.

Nach den Vorstellungen von CDU und FDP sollen die Inhalte der Internetauftritte von ARD und ZDF nach sieben Tagen gelöscht werden. Ich finde diese Idee außerordentlich seltsam: Der Nutzer darf Informationen finden, aber nur sieben Tage lang?

Ich erinnere mal an die olympischen Spiele: Da wurde an die chinesische Führung appelliert, das Internet freizugeben. Der Chinese aber, der sich zum Beispiel in freien Medien über die Staudammprojekte informieren will, hat wohl Pech, wenn er am achten Tag ins Netz geht – leider schon gelöscht.

So, meine Damen und Herren, geht das nicht.

Es wäre klüger zu versuchen, in dieser Schlacht abzurüsten. Statt an Verboten zu feilen und über eine sieben Tage-Frist nachzudenken, könnte man sich das englische Modell aneignen, dort betreiben öffentliche und private Sender gemeinsame Portale. Und was spräche eigentlich dagegen, Beiträge von ARD und ZDF nicht nach sieben Tagen aus dem Netz zu nehmen, sondern sie auch von Verlagen für ihre Online-Portale nutzen zu lassen? Schließlich sind sie von der Allgemeinheit bezahlt worden und verdienen Besseres als im Nirwana zu verschwinden. Es spricht doch vieles dafür, sie auf möglichst vielen Portalen dauerhaft zugänglich zu machen.

Wer den Bildungsauftrag der Medien ernst nimmt, muss den Kern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, nämlich Information und Kultur, ohne Einschränkung von der 7 Tage-Frist freistellen.

Sie verweisen ja auch immer gern darauf, dass das Internetangebot der Öffentlich-Rechtlichen zu Mehrkosten führen würde. Sie wissen doch selbst, dass das nicht stimmen kann: Nach der Systematik der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) sind die Online-Angebote der Rundfunkanstalten Teil des Bestands und zudem ist die Festsetzung des Bedarfs bis 2012 bereits erfolgt.

In Ihrem Antrag fordern Sie auch eine Neugestaltung des Rundfunkfinanzierungssystems, allerdings scheinen Sie noch keine Vorstellungen zu haben, wie dies aussehen soll.

Unsere Vorstellung für eine Weiterentwicklung der Rundfunkgebühren sind klar: Sie muss vereinfacht werden und von der gerätegebundenen Gebühr zu einer Mediengebühr umgestaltet werden. Denn die Entwicklung der technischen Geräte ist weitergegangen und heute sind nicht nur PCs, sondern auch Handys rundfunkempfangsfähig. Diese Mediengebühr wird pro Haushalt und Unternehmen gestaffelt nach Größe und Branchenzugehörigkeit erhoben. Sie ist einfach und unbürokratisch und erspart das Schnüffeln der GEZ. Sie erspart die ständigen wiederkehrenden Diskussionen darüber, für welchen Typ von Gerät wie viel gezahlt werden soll, denn mit einer Gebühr sind alle Geräte in einem Haushalt erfasst.

Sie soll weiterhin von der KEF festgelegt werden und bleibt damit staatsfern und unabhängig. sofern nicht wieder einmal Ministerpräsidenten, wie weiland auch Herr Wulff, nach Gutsherrenart die Empfehlung der KEF missachten. 

Zusammenfassend ist der Antrag der Regierungsfraktionen nicht geeignet, den Herausforderungen der digitalisierten Welt zu begegnen. Er ist auf der möglichen Restriktivitätsskala am äußersten Ende angesiedelt und in seinen Inhalten gegenüber der Anmutung seiner Überschrift geradezu eine Frechheit.

Sie täten gut daran, in den Auschussberatungen eine entschärfte Fassung vorzulegen.

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