Rede Ursula Helmhold: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Maßregelvollzugsgesetzes

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Anrede,
spät kommt sie, aber sie kommt – die Einsicht, dass der Maßregelvollzug nicht mal eben so privatisiert werden kann. Aber es ist schon ein starkes Stück, dass es massiver Proteste bedurfte, um diese einfache Einsicht zu befördern. Denn beim Maßregelvollzug handelt es sich wegen des massiven Grundrechtseingriffs um eine hoheitliche Kernaufgabe, die nicht privatisiert werden darf.
Nun also rudern die Regierungsfraktionen zurück und plötzlich heißt es: "Gründlichkeit vor Schnelligkeit", denn beinahe wäre die Landesregierung mit ihrer Politik der Schnellschüsse erneut an die Grenzen der Verfassung gestoßen. Diese Einsicht hätten wir uns etwas eher gewünscht, gerade weil Sie in diesem Zusammenhang doch gebrannte Kinder sind.
Bei dem ganzen Vorgang ist bemerkenswert, dass wieder einmal das Gesetz des Handelns nicht bei der Sozialministerin liegt, sie scheint in dieser Frage völlig abgetaucht zu sein. In den 2 ½ Jahren ihrer Amtszeit hat sie versäumt, ein Psychiatriereformkonzept vorzulegen und muss nun zusehen, wie in ihren Zuständigkeiten herumgefleddert wird.
Die Entscheidung des Landgerichts Flensburg und der vor dem Oberlandesgericht Schleswig anhängige Streit um die Zulässigkeit der Privatisierung des Maßregelvollzugs zeigen, dass diesem Vorhaben schwerwiegende rechtliche Bedenken gegenüberstehen. Die Landesregierung ist deshalb gut beraten, die Entscheidungen der Gerichte abzuwarten und nicht, wie es zum Beispiel das Land Brandenburg gemacht hat, erst zu verkaufen und dann, wenn es rechtlich nicht gehen sollte, alles wieder rückgängig zu machen. Ein solches Vorgehen ist nun wirklich weder vorbildlich noch klug.
Das Landgericht Flensburg hat sich in seiner Entscheidung im Wesentlichen auf zwei Rechtsargumente gestützt:
Zum einen verstößt die Privatisierung gegen den Funktionsvorbehalt des Artikel33, Absatz 4 Grundgesetz, nach dem die Ausübung hoheitlicher Befugnisse in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen ist, die in einem öffentlich-rechtlichen Treueverhältnis stehen. Abweichungen von dieser Regel können nur in begründeten Ausnahmefällen unter Annahme eines sachlichen Grundes für zulässig erachtet wird. Der Kernbereich staatlicher Gewalt sei allerdings stets zu erhalten und nicht übertragbar. Zu diesen Kernbereichen seien sowohl der Strafvollzug als auch der Maßregelvollzug zu rechnen.
Finanz- und Kostengesichtspunkte seien als Grund für eine Übertragung nicht ausreichend. Eine Aufgabenübertragung auf Private könne nur erfolgen, wenn die Betrauung von öffentlich-Bediensteten nicht gleich gut zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet sei, wie die Übertragung auf Private.
Im Bereich des Strafvollzugs und des Maßregelvollzugs könne aber auch das nicht gelten. Der besonders intensive Grundrechtseingriff in die Freiheit des Bürgers sei nur durch staatliche Gewalt gerechtfertigt, weil eben nur der Staat das rechtsstaatlich unabdingbare Gewaltmonopol besitze. Dass der Beliehene durch den Beleihungsakt selbst Verwaltungsträger und damit Verwaltungsbehörde im funktionalen Sinn werde, reiche nicht aus.
Ein Modell, bei dem die verantwortliche Zuständigkeit für den Maßregelvollzug beim Land verbleibe und lediglich die praktische Durchführung übertragen werde, ist nach Meinung von Experten eine rein semantische Spielerei, die nicht zu einer anderen Bewertung nötigt.
Wir sehen also nun mit Spannung der Entscheidung der nächsten Instanz, des OLG Schleswig entgegen.
Wenn hier in Niedersachsen nun von einer teilweisen Privatisierung in den Bereichen Wäscherei, Verpflegung, Energieversorgung und Gebäudemanagement gesprochen wird, bleibt die Frage, ob sich das jeweils rechnet und den Kriterien einer nachhaltigen Haushaltspolitik entspricht.
Anrede,
wenn die hiesige Regierungsfraktion aus den Vorgängen in Schleswig-Holstein gelernt hat, dann kann uns das nur recht sein. Natürlich spielt da auch die Angst vor möglichen Sicherheitslücken im privatisierten Maßregelvollzug eine Rolle. Schlechte Schlagzeilen will sich Herr McAllister ersparen. Das löst aber noch lange nicht das Problem der selbst verschuldeten Überbelegung des Maßregelvollzuges, wo es endlich zu einem offeneren Vollzug und der systematischen Vorbereitung auf das Leben außerhalb der Klinikmauern mittels forensischer Ambulanzen und nachgehender Dienste kommen muss.
Der 1982 in § 3 formulierte Passus des Maßregelvollzugsgesetzes war, das ergeben die Begründungen zu dem damaligen Gesetzentwurf, nicht von der Absicht getragen, den Maßregelvollzug komplett zu privatisieren. Absicht war es, andere Träger im Zusammenhang mit Einrichtungen im offenen Vollzug und in der Nachsorge psychisch kranker Straftäter einzubinden. Aber angesichts der jetzt bekannten politischen Absichten, ist dieser Passus, den übrigens auch die SPD in ihrem damaligen Alternativentwurf nicht änderte, zumindest missbräuchlich zu interpretieren und ein juristisches Einfallstor für die Absichten der Landesregierung. Er muss deshalb dringend geändert werden.

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