Rede Ursula Helmhold: Entwurf eines Gesetzes zum Rundfunkänderungsstaatsvertrag (Jugendmedienschutz)

 

Anrede,

mit der Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages wollen die Bundesländer junge Menschen vor jugendgefährdenden Inhalten schützen, die über internetbasierte Medien verbreitet werden. Das ist gut. Das Problem ist nur, dass es so wie vorgeschlagen leider nicht geht. Der Grundirrtum besteht inder Annahme, das Internet funktioniere ähnlich wie Fernsehen oder Radio und sei damit in Wirklichkeit eine Art Rundfunkangebot. Das ist aber nicht so, insbesondere im Web 2.0 nicht.

Im Grunde ist dieser Staatsvertrag der Versuch, im Internet die Grenzen der Kleinstaaterei hochzuziehen. Das gilt auch, wenn 16 Bundesländer versuchen, zu einer einheitlichen Regelung zu kommen. Denn das Internet kann mit keinem noch so schönen Regelwerk so sauber gemacht werden wie deutsche Vorgärten, weil es eben kein deutsches Internet gibt.

Das Vertragswerk setzt sehr stark auf technische Filterprogramme - diese bestehen ja aus zwei Komponenten: Der freiwilligen Alterskennzeichnung der Inhalte durch den Anbieter und aus einem Programm, das die Netzprovider ihren Kundinnen und Kunden anbieten sollen. Dieses Programm wird auf dem PC installiert und soll anschließend die Webseiten blockieren, die nicht über die entsprechende Altersfreigabe verfügen.

Aus medienpädagogischer Sicht sind solche Sperren und die damit verbundenen Probleme fragwürdig. Sie schützen scheinbar das Kind vor jugendgefährdenden Inhalten. Aber in Wirklichkeit setzt das voraus, dass es erstens Eltern gibt, die auf den PCs eine entsprechende Software installieren können. Schon daran wird es sehr häufig scheitern, denn im Regelfall kennen sich die Kinder und Jugendlichen besser mit den Computern aus als ihre Eltern. Zweitens müssten die Eltern dann darauf achten, dass ihre Kinder das Internet nur mit dem Account des Kindes, also filterüberwacht nutzen. Die Realität sieht anders aus: die Jugendlichen haben das Programm installiert; sie können es aber auch wieder deinstallieren oder es umgehen. Und die technischen Sperren schaffen oft einen zusätzlichen Anreiz, sich gerade für diese Inhalte zu interessieren.

Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag arbeitet mit einer Schuldvermutung. Das heißt, alle deutschen internetbasierten Angebote, die nicht über eine Altersfreigabe verfügen, werden durch die Filtersoftware blockiert. Diese Vorgehensweise beeinträchtigt private und nichtkommerzielle Anbieter, die vermutlich einen recht hohen Aufwand betreiben müssen, um die Klassifizierung zu erreichen. Jede ehrenamtlich arbeitende Jugendgruppe, die eine eigene Webseite hat, muss künftig eine Altersfreigabe haben. Ansonsten ist sie von PCs mit Filterprogrammen aus nicht mehr zu erreichen. Und natürlich - siehe Kleinstaaterei - internationale Webseiten müssen die Eltern jeweils einzeln freigeben. Wie realistisch ist das denn?

Es könnte sogar sein, dass der vorliegende Entwurf den Fortbestand von medienpädagogischen Projekten und Webseiten von Jugendgruppen behindert. Denn ein Anbieter muss, um eine Altersfreigabe zu erhalten, sicherstellen, dass andere Userinnen und User auf dieser Webseite keine jugendgefährdenden Inhalte veröffentlichen. Dies ist doch schlechterdings überhaupt gar nicht möglich und die bisherige Praxis ist auch eine andere. Auf "MyJuleica" beispielsweise wird ohne besondere Verbote gearbeitet. Jeder Artikel ist sofort für andere User sichtbar. Problematische Inhalte werden selbst reguliert und durch jeden User gesperrt und für eine Kontrolle an den Landesjugendring gemeldet. So entstehen gemeinsam entwickelte Prinzipien und die Medienkompetenz wird maßgeblich gestärkt. Und genau das ist die Aufgabe der Zukunft: Medienkompetenz bei Eltern, Lehrern, Jugendlichen, Kindern und Erzieherinnen stärken. Nur so kann eine Lösung aussehen. Filterprogramme können nicht Kompetenz und Erziehungsbereitschaft der Erziehenden ersetzen, so schön das auch vielleicht im Einzelfall wäre.

"Thema verfehlt", so kann man den Inhalt des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags zusammenfassen.

Meine Damen und Herren, dafür können Sie unsere Zustimmung nicht erwarten.

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