Rede Ursula Helmhold: Entwurf eines Gesetzes über die Ladenöffnungszeiten

Anrede,

heute soll ein Gesetz verabschiedet werden, das außer der FDP eigentlich keiner will. Selbst  in der Bild-Zeitung von heute hat sich niemand gefunden, der oder die Ladenöffnungszeiten rund um die Uhr für gut hält: "Kunden lehnen dankend ab, für die Bosse rechnet es sich nicht. Mitternachtsshopping und keiner macht mit", lesen wird dort.

Es ist ein fauler Kompromiss, den CDU und FDP hier jetzt vorlegen: Gibst Du mir "Rund-um-die-Uhr-shoppen", gebe ich dir den Oster- und den Pfingstmontag. Gibst Du mir Bekleidung und Schmuck, bin ich mit Lebensmitteln in kleinen Mengen einverstanden.

Und das, nachdem Herr Bode für die FDP vollmundig erklärt hatte, es werde keinen Basar geben.

Das Credo der FDP lautet: "Ich kaufe, also bin ich". Damit die liberale Ideologie befriedigt wird, müssen Verkäuferinnen zu unmöglichen Zeiten arbeiten, werden Verwerfungen in der Struktur der Einzelhandelsgeschäfte in Kauf genommen. Zu all dem gibt die christlich-demokratische Union ihren Segen. Sie behaupten zwar, dass Sie wenigstens den Sonntag nicht auch noch dem Kaufrausch der FDP opfern müssen, aber zufrieden können Sie nicht sein.

Ihr Kompromiss ist teuer erkauft:

Sie konnten ja nicht einmal, wie von den Kirchen gewünscht, den Sonntag schützen indem wenigstens am Samstag die Läden um 20 Uhr schließen. Sie beklagen wortreich den allgemeinen Werteverlust, beschleunigen ihn aber durch die massive Abwertung des sozialen Miteinanders. Bei Ihnen gehen liberale Ideologie und ökonomische Interessen im Zweifel immer vor.

Was denken Sie sich eigentlich dabei, in der Gesetzesbegründung auch noch zu behaupten, das Gesetz sei gut für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Sie degradieren die Familie zur Betreuungsagentur bei der man sich die Klinke in die Hand gibt. Sie fordern den Schutz der Familie und nehmen ihr gleichzeitig eine der wichtigsten Grundlagen: gemeinsame Zeit. Ist das neuerdings das Familienbild der Christdemokraten?

Und wie haben Sie sich das eigentlich bei den Alleinerziehenden gedacht? In der Anhörung haben Sie doch erfahren, dass nach Einführung des langen Donnerstags viele Frauen im Einzelhandel arbeitslos wurden. Weil sich sonst nichts geändert hat, weil es zu solchen Zeiten keine Kinderbetreuung gibt und weil viele Frauen zu so später Stunde mangels ÖPNV-Verbindungen nicht mehr heim kommen.

Ihr Gesetz ist frauenfeindlich, auch weil nicht-existenzsichernde Teilzeitarbeitsplätze weiter zunehmen werden, weil aus Kostengründen die Löhne sinken werden, weil Frauen in den Abendstunden in größerem Maße der Gefahr ausgesetzt sind, Opfer von Gewalttaten zu werden.

Anrede,

dieses Gesetz ist in hohem Maße unsozial.

Nicht nur Frauen und Familien leiden unter Ihrem Götzen des ungehemmten Konsums. Auf seinem Altar opfern Sie auch den klassischen Einzelhandel im ländlichen Raum. Der kann mit großen  Einkaufszentren nicht mithalten. Das  kleine eigentümergeführte Geschäft, der Handwerksbetrieb hat doch überhaupt nicht die nötigen Personalreserven zur Verfügung und könnte sie im Zweifel nicht bezahlen.

Ihre Freiheit ist die Freiheit der großen Ketten, die mit geringstem Personaleinsatz jetzt den Freibrief haben, dem mittelständischen Einzelhandel immer mehr Marktanteile abzujagen.

Zusammen mit den geplanten Änderungen im Landesraumordnungsprogramm und der Bäderregelung werden dann die FOCs rund um die Uhr und auch noch sonntags für den Ruin des mittelständischen Einzelhandels sorgen.

Überhaupt, die Bäderregelungen: An nahezu allen Sonntagen außer im November und Dezember kann hier 8 Stunden lang fast alles verkauft werden. Dafür sorgen schon ihre unklaren Formulierungen, so unklar, dass bei der öffentlichen Vorstellung des Kompromisses die Vertreterinnen von CDU und FDP sich nicht einig darüber waren, ob Supermärkte in Bädern und Kurorten denn sonntags aufhaben dürfen oder nicht? Sind sie sich inzwischen einig, meine Damen?

Und wie wollen Sie eigentlich mit den regionalen Wettbewerbsverzerrungen umgehen, wenn zum Beispiel im Bad Lauterberg sonntags munter alles verkauft wird, in Osterode oder Herzberg die Geschäfte jedoch geschlossen bleiben müssen?

Mit ihren Machtspielchen haben Sie die Chance vertan, die sich mit den Gestaltungsmöglichkeiten beim neuen Ladenschlussgesetz für die Länder ergeben haben.

Wir Grünen bringen deshalb heute einen Änderungsantrag ein, der genau diese Gestaltungsmöglichkeiten nutzt. Im Gegensatz zur SPD geht es um mehr als um ein schlichtes "Weiter so".

Da, wo bei Ihnen das freie Spiel der Kräfte regiert, wollen wir den Kommunen die Entscheidungshoheit darüber geben, sich in ihren Innenstädten mit verlängerten Öffnungszeiten einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der grünen Wiese zu sichern.

Da, wo Sie den Sonn- und Feiertagsschutz mit Hilfe eines flankierenden Gesetzes zur Neufassung des Landesraumordnungsprogramms und weitreichenden Ausnahmeregelungen unterhöhlen, machen wir eindeutige Vorschläge und Begrenzungen zum Warenangebot sowie zu zeitlichen und räumlichen Ausnahmen für die Sonntagsöffnung.

Da, wo Sie einen mit heißer Nadel gestrickten Gesetzentwurf eingebracht haben, den der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst auf bislang 61 Seiten überarbeiten musste und den offensichtlich nicht einmal die sogenannten Expertinnen Ihrer Fraktionen in Gänze durchschauen, da legen wir einen eindeutigen und übersichtlichen Entwurf vor. Unser Gesetzentwurf trägt einerseits dem veränderten Konsumverhalten Rechnung, hält aber andererseits die Belastungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Grenzen und schiebt der drohenden Verödung unserer Innenstädte einen Riegel vor.

Ein Appell an die ideologisch verbohrte FDP erscheint mir überflüssig wegen Unbelehrbarkeit. An die Kolleginnen und Kollegen der CDU: Nehmen Sie ihre Verantwortung für das soziale Miteinander ernst und lassen Sie nicht einseitig ökonomische Interessen ihr Handeln bestimmen.

Noch gestern erhielten alle Abgeordneten des Landtags eine Resolution der Katholischen Arbeitnehmerbewegung, Bezirksverband Braunschweig. Ich zitiere den letzten Satz: "Wir fordern die niedersächsischen Abgeordneten auf, gegen die ausufernden Ladenöffnungszeiten zu stimmen, vor allem um die Betroffenen VerkäuferInnen zu schützen und ihre Familien nicht noch mehr zu belasten. Ladenschluss ist Menschenschutz!"

Anrede,

haben Sie sich im Zusammenhang mit diesem Gesetz eigentlich jemals die Sinnfrage gestellt? Umfragen und Erfahrungen in anderen Bundesländern zeigen, dass an "Rund-um-die-Uhr-Shopping" kein Bedarf besteht.

Das wäre noch das Beste an Ihrem Gesetz: Herr Rösler öffnet seinen Freiheitsladen, Herr Wulff will dort bedienen und keiner geht hin.

(es gilt das gesprochene Wort)

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