Rede Ursula Helmhold: Diätenerhöhung/Nebeneinkünfte - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Abgeordnetengesetzes

... es scheint mehr und mehr so zu sein, als hätten Teile dieses Parlaments die Bodenhaftung verloren. In Zeiten, in denen die Bevölkerung auf Heulen und Zähneklappern eingeschworen wird (...), beschließen Sie unmäßige Diätenerhöhungen.

Anrede,

gestern verabschiedete die Bundesregierung ein Sparpaket im Wesentlichen zu Lasten der sozial Schwachen. Und heute will sich die Mehrheit hier im Hause noch mal eben die Diäten kräftig erhöhen.

Das ist angesichts der dramatischen Haushaltslage nicht zu verantworten, schon gar nicht in der doppelten Ausführung, die die niedersächsischen Bürgerinnen und Bürger jährlich mit rund 1,4 Millionen Euro belastet.

800.000 Euro kostet zum Beispiel die Gesamtfinanzierung aller 29 Beratungs- und Interventionsstellen bei häuslicher Gewalt. Und wie diese blicken viele soziale Initiativen oder mit Sorge auf die anstehende Sparrunde.  Denn sie wissen: jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden.

Nach dem Motto "Augen zu und durch" wollen Sie die doppelte Erhöhung jetzt hier durchziehen.

Eine gemeinsame genügsame Haltung der Fraktionen wäre in diesen dramatischen Zeiten das einzig angemessene Signal gewesen.

Anrede,

es scheint mehr und mehr so zu sein, als hätten Teile dieses Parlaments die Bodenhaftung verloren. In Zeiten, in denen die Bevölkerung auf Heulen und Zähneklappern eingeschworen wird verschanzen Sie sich in der Wagenburg, beschließen unmäßige Diätenerhöhungen und wollen sich auch noch  mit Millionensummen ein neues Plenargebäude bauen lassen.

Und reden Sie bitte nicht davon, dass die Diätenerhöhung von einem neuen Selbstbewusstsein der Parlamentarier zeugt. Selbstbewusstsein kann man nicht beschließen – mit keiner noch so großen Mehrheit. Das kriegt man durch Anerkennung und Erfolg; Sie sind gerade dabei, beides zu verschießen.

Anrede,

Sie werden uns hier wieder Populismus vorwerfen. Aber  in den vergangenen Jahren haben immer auch Abgeordnete von CDU, SPD und FDP in Berlin gegen Diätenerhöhungen protestiert. Waren das alles Populisten?

Und sind diejenigen, die in der CDU-Fraktion gegen die Diätenerhöhung gestimmt haben Populisten?

Wenn das so wäre, dann wäre mein Lieblingspopulist aber der Kollege Schobert. Der sagt zwar in Hannover nicht viel, begründet dafür aber in einer Pressemitteilung des CDU-Gemeindeverbands Lehre die Diätennullrunde im letzten Jahr mit dieser Aussage:

"Eine Erhöhung der Bezüge für Politiker passt  nun wirklich nicht in dieses wirtschaftlich schwierige Jahr", und " Politiker müssen Vorbilder sein. Wir können nicht über weitere Einsparungen diskutieren und uns im selben Atemzug die Diäten erhöhen."

Warum gilt das nicht auch in diesem Jahr?

Und es gibt offenbar noch weitere Mitglieder der CDU-Fraktion, die zu Hause in den Weiten Niedersachsens von Diätenerhöhungen gar nicht mehr so viel halten. Weil wir aber viel von Transparenz halten, möchten wir der Bevölkerung die Möglichkeit geben das Abstimmungsverhalten ihrer Abgeordneten nachzuvollziehen und beantragen namentliche Abstimmung.

Über eine wie immer gestaltete Art von Indexlösung für künftige Erhöhungen hätten wir gern mit Ihnen diskutiert. Ich halte die Methode für erwägenswert. Aber diskutieren, das liegt ja insbesondere dem vielleicht künftigen Fraktionschef Björn Thümler nicht so sehr.

Und damit bin ich beim zweiten Teil dieses Tagesordnungspunkts.

Wir wollten mehr Transparenz über Nebentätigkeiten von Abgeordneten. Das war im November letzten Jahres. Wie Sie seitdem mit unserem Gesetzentwurf umgegangen sind, ist wirklich unterirdisch.

Sie haben die Beratung im Ausschuss verzögert und monatelang Vorlagen angekündigt und dann keine vorgelegt. Sie haben sich sieben Monate Zeit gelassen. Uns geben Sie zur Vorbereitung nicht einmal 24 Stunden.

Ich will Ihnen sagen, warum Sie keine ordentliche Beratungen ermöglichen wollen und die Grundsätze der demokratischen Fairness mit Füßen treten: Ihnen passt unser Vorschlag nicht, das wollen Sie aber nicht so gern zugeben und deshalb wollten Sie den kurz und schmerzlos vom Tisch haben.

Sie wollen keine wirkliche Transparenz über Einkünfte neben dem Mandat. Wählerinnen und Wähler haben aber ein Recht darauf zu wissen, welche ökonomische Bedeutung Nebentätig­keiten für Abgeordnete haben und ob in bestimmten Debatten die Meinung dieses Abgeordneten womöglich durch seine wirt­schaftliche Tätigkeit beeinflusst werden könnte.

Meine Damen und Herren,

Ihr Änderungsvorschlag ist inhaltlich wenig strittig. Es hat  allerdings mit unserem Gesetzentwurf nichts, aber auch gar nichts zu tun. Hätten Sie dies als eigenständigen Antrag vorgelegt und vernünftig beraten, hätten wir wohl zu einer Gemeinsamkeit kommen können. So allerdings dient er Ihnen doch lediglich dazu, unsere Vorschläge begraben zu können.

Wir werden die Diätenerhöhung ablehnen und das Geld – wie in den letzten Jahren auch – spenden.

Und: Wir werden uns an der Farce, die Sie hier veranstalten nicht beteiligen.

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