Rede: Ursula Helmhold: „Den Niedersächsischen Landtag nicht teuer neu bauen, sondern effizient und zeitgemäß modernisieren!“

Landtagssitzung am 19.02.2009

Ursula Helmhold, MdL

TOP 18: "Den Niedersächsischen Landtag nicht teuer neu bauen, sondern effizient und zeitgemäß modernisieren!"

Anrede,

es wird Zeit, dass der Landtag sich einmal mit dem Thema beschäftigt, das seit Wochen bei der Fachwelt und der Stadtöffentlichkeit Hannovers für Kopfschütteln, Ärger und Empörung sorgt.
Seit der Entscheidung der Baukommission für eine Standortvariante, die den Abriss des heutigen Plenarsaals voraussetzt, hagelt es Kritik:

Gewerkschaft, Historische Kommission, Geschichtslehrerverband, Niedersächsisches Amt für Denkmalpflege, Niedersächsischer Heimatbund, Bund der Steuerzahler, die niedersächsische Architektenkammer, der Bund Deutscher Architekten, die Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung (SRL), Bund deutscher Architekten, Landesamt für Denkmalpflege und viele Bürgerinnen und Bürger – sie alle meldeten sich zu Wort und äußerten massive Bedenken.

"Leichtfertig und geschichtsvergessen – sind so die Niedersachsen?" fragte der Niedersächsische Heimatbund öffentlich und leider muss man sagen: Ja, offenbar jedenfalls weite Teile der Mitglieder der Baukommission unter tätiger Mithilfe des Landtagspräsidenten.

Der will seinen Neubau und vor allen Dingen, so muss man leider nach den Diskussionen in der Baukommission annehmen, will er Parkplätze.

Dafür wird viel in Kauf genommen: eine aufgebrachte Fachwelt und Öffentlichkeit, der Abriss eines symbolträchtigen denkmalgeschützten Gebäudes und der Verzicht auf ein transparentes Verfahren.

Transparenz, meine Damen und Herren, erreichen Sie nicht durch Glasfassaden. Das ist nur die Illusion von Transparenz.

Transparent wäre eine öffentliche Auseinandersetzung über die Abrisspläne gewesen, zu der wir den Landtagspräsidenten im vergangenen Jahr aufgefordert hatten. Leider war er dazu nicht bereit und so haben wir eine öffentliche Fachveranstaltung zum Thema eben selbst durchgeführt.

Niemand, aber auch wirklich niemand, der sich mit Architektur und Stadtplanung auskennt, kann die Entscheidung der Baukommission gutheißen.

Und weil Ihnen inzwischen offenbar die Argumente ausgehen und deshalb öffentlich Unwahrheiten verbreitet werden, möchte ich hier noch einmal in aller Deutlichkeit klarstellen: An dieser Entscheidung haben wir nicht mitgewirkt. Ich zitiere aus dem Protokoll der Sitzung der Baukommission am 20. November 2008.

"Präsident Dinkla: Es ist mehrfach der Antrag gestellt worden – auch ich selbst habe dies zum Antrag erhoben-, den Beschluss zu fassen, Variante 7 weiter zu verfolgen. Ich lasse nun darüber abstimmen.

(Zustimmung aller anwesenden stimmberechtigten Mitglieder mit Ausnahme von Parl. GFìn Helmhold)."

Anrede,

inzwischen hat der Protest die niedersächsischen Landesgrenzen weit überschritten. Es meldete sich die Akademie der Künste aus Berlin und das Museum of Modern Art in New York. Die Bauwelt hatte einen großen Artikel, in der Zeit erscheint er heute.

Was eint die Kritiker, meine Damen und Herren?

Es ist zum einen die Bestürzung darüber, wie leichtfertig hier mit dem symbolisch wichtigsten Bau der jungen Demokratie in Niedersachsen umgegangen wird. Der Anbau des Architekten Dieter Oesterlen an das historische Leineschloss ist ein herausragendes Beispiel dafür, wie in derNachkriegszeit ein behutsamer Umgang mit dem nur noch teilweise erhaltenen historischen Baubestand gefunden werden konnte.

Die Nachkriegsmoderne, die in diesem Bau beispielhaft sichtbar wird, gilt aus dem Blick der Architekturgeschichte inzwischen als abgeschlossene Architekturepoche. Die qualitativ wichtigen Bauwerke dieser Zeit erfordern daher einen besonderen Schutz.

Und hier sehen die Bürgerinnen und Bürger einen zweiten wichtigen Anlass zur Kritik:

Das Land als oberste Denkmalschutzbehörde hat eine besondere Verantwortung für die im eigenen Zuständigkeitsbereich befindlichen Bauten. Wenn der Landtag als Gesetzgeber des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes sich selbst über seine eigenen Anforderungen hinwegsetzen sollte, wäre dies ein fatales Signal an alle privaten Eigentümer von Baudenkmalen.

Wie wollen Sie in Zukunft von einem privaten Eigentümer eines Baudenkmals verlangen, dass er sich an die Vorschriften der Denkmalpflege hält?

Das ist Politik nach George Orwell: "Alle Schweine sind gleich, aber manche Schweine sind gleicher als die anderen", heißt es in Farm der Tiere. Meinem Rechtsstaatverständnis entspricht das nicht.

Wie bei vielen anderen unwilligen Denkmalbesitzern werden nun zunehmend Scheinargumente ins Feld geführt, um den Abriss zu erklären:

Man brauche mehr Platz, beispielsweise. Warum ein verkleinerter Landtag plötzlich doppelt so viel Platz benötigt, erschließt sich uns nicht.

Und dann heißt es noch, dass die Besprechungsräume unbedingt Tageslicht brauchen.

Ehrlich gesagt, in diesem Raum sind wir etwa 30 Tage pro Jahr. Der Aufenthalt in den Besprechungsräumen wird sich im Durchschnitt auf einige Minuten pro Plenartag beschränken. Dafür soll das Baudenkmal abgerissen werden? Dafür sollen mindestens 42 Millionen ausgegeben werden?

Das können Sie doch vor den Steuerzahlern nicht verantworten. Unsere Kinder sitzen in maroden Schulen und Hochschulen und zwar jeden Tag. Die Eltern dieser Kinder äußern sich in den Leserbriefspalten zu Recht empört über die Hybris der Mehrheit dieses Parlaments.

Anrede,

wir Grünen stellen uns einer Sanierung des Plenarsaals nicht in den Weg und haben dies auch nie getan. In der damaligen Diskussion um ständig neue Einzelmaßnahmen haben wir uns für einen teilweisen Neubau des Plenarsaals unter Klimaschutzgesichtspunkten ausgesprochen.

Die Pläne für einen teilweisen Neubau des Plenarsaals liegen mit dem Siegerentwurf des Wettbewerbs von 2002 vor.

Auf dieser Grundlage kann sehr gut  weitergeplant werden.

Wir wollen keinen Protzbau, schon gar nicht in diesen Zeiten, sondern eine behutsame Modernisierung im Bestand. Wie bei jedem privaten Eigentümer eines Baudenkmals muss das Nutzungskonzept sich an die baulichen Möglichkeiten anpassen.
Lassen Sie uns deshalb bescheiden sein und uns aus Denkmalschutz- und Kostengründen auf das unabdingbar Erforderliche beschränken.

Eigentlich, meine Damen und Herren, gehört dieses Gebäude doch den Bürgerinnen und Bürgern des Landes.
Wir sind hier als gewählte Abgeordnete nur Gäste – und zwar auf Zeit.
Horchen Sie doch mal in die Besuchergruppen, reden Sie mit den Menschen.
Ich empfehle neben Bescheidenheit auch Sensibilität: Behutsamer Umgang mit dem historischen Erbe, den Wünschen der Bevölkerung, den Steuermitteln und Oesterlens Baudenkmal.
Und dann sagen Sie dem Landtagspräsidenten, dass er die Abrissbirne abbestellen soll!

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