Rede Ursula Helmhold: Anträge zur Änderung der Geschäftsordnung des Niedersächsischen Landtages

Anrede,

wenn ich mir ansehe, welche Pirouetten die Regierungsfraktionen in den vergangenen Jahren beim Thema Parlamentsreform gedreht haben, wundere ich mich, dass Sie selbst noch mitkommen. In der Enquetekommission hat die CDU, damals noch in der Opposition, für Reformen gestritten: Minderheitenrechte wollte Herr Althusmann, ein Drittel der Abgeordneten sollte eine Aktuelle Stunde beantragen können, die Regierung sollte ohne Themenankündigung befragt werden können, die Ausschüsse öffentlich tagen. Das alles hat die Enquetekommission einstimmig beschlossen.

Nach dem Motto "Was schert mich mein Geschwätz von gestern" wollte man nach dem Regierungswechsel 2003 davon nichts mehr hören: keine neuen Sitten im Parlament, als neue Fraktion sollte sich die FDP erst mal mit der alten Geschäftsordnung einarbeiten.

Nach einer öffentlichen Debatte in der Mitte der vergangenen Wahlperiode wurden dann Teile der von der Enquete-Kommission zur Parlamentsreform unterbreiteten Vorschläge umgesetzt. Das Parlament sollte aktueller, lebendiger und transparenter werden. 

Und statt diesen Prozess fortzusetzen heißt es nun bei Ihnen: Kommando zurück! Die Kurzinterventionen haben Sie schon beschnitten, jetzt folgen die drastische Kürzung der Nachfragerechte bei Dringlichen Anfragen und die Vorbemerkungen werden wieder abgeschafft. All das hat doch nur ein Ziel: Sie wollen die Möglichkeiten der Opposition schwächen. Ich finde das billig.

Halten Sie denn Ihre Minister für so schwach, dass Sie sie vor der Opposition derart fürsorglich schützen müssen?

Anrede,

wir Grüne wollen weitere Punkte der Enquete-Kommission aufgreifen: Wir wollen mehr Transparenz und Aktualität: das Plenum soll in kürzeren Abständen tagen, die Ausschusssitzungen endlich öffentlich werden und ein echtes Selbstbefassungsrecht soll eingeführt werden. Nehmen Sie sich mal ein Vorbild an den Bayern, die machen das schon seit langem.

Anrede,

Sie haben Ihre Ankündigung, mit uns über eine Änderung der Regeln für die Ausländerkommission zu reden, nicht eingelöst.

Niedersachsen braucht eine Kommission für Integrationsfragen. Eine, die echte Möglichkeiten hat und in der die Mitglieder sich nicht missbraucht fühlen.

Bislang muss in der Kommission über Hinweise und Empfehlungen an den Landtag einstimmig beschlossen werden. Das führt dazu, dass faktisch kaum Beschlüsse gefasst werden. Wir wollen das beenden und das Mehrheitsprinzip anwenden. Und wir wollen, dass die Empfehlungen in den entsprechenden Ausschüssen beraten werden müssen. Diese Selbstverständlichkeit sollte ganz klar in der Geschäftsordnung geregelt sein. Selbstverständlich müssen auch diese Sitzungen öffentlich sein. Wir wollen, dass zwei vertretene Verbände dem Bereich der Selbstorganisation der AussiedlerInnen angehören. Den SpätaussiedlerInnen muss mehr Beachtung und Einfluss zuteil werden, um ihrem wachsenden gesellschaftlichen Anteil und Einfluss gerecht zu werden. Damit würde auch die Bedeutung der Kommission gestärkt. Die Zahl der MigrantenvertreterInnen muss also auf zehn erhöht werden.

Anrede,

wir werden heute auch über eine Änderung des Abgeordnetengesetzes beschließen.

Meine Fraktion wird der Erhöhung der Fraktionskostenzuschüsse zustimmen, weil auch in einem verkleinerten Parlament die Fraktionen arbeitsfähig bleiben müssen.

Durch die Verringerung der Mandatsträger fällt beim Einzelnen mehr Arbeit an, deshalb tragen wir auch die Heraufsetzung der Stundenzahl für die Zuarbeit in den Abgeordnetenbüros mit, zumal der niedersächsische Landtag mit Halbtagsstellen im Ländervergleich äußerst schlecht ausgestattet war.

Die Erhöhung der Diäten und Aufwandsentschädigung können wir allerdings vor diesem Hintergrund nicht mittragen. Im Gegenteil: Wir schlagen vor, die erhöhten Entschädigungen für die Vizepräsidenten des Landtages zu kürzen – eine dauerhafte Einsparung vor dem Hintergrund, dass diese auch wirksam für die Altersbezüge sind.

Anrede,

ich habe bereits in der vergangenen Debatte darauf hingewiesen, dass das, was Sie hier heute mit der Änderung der Geschäftsordnung vorhaben, gefährlich ist.

Vor dem Hintergrund der  erschreckend niedrigen Wahlbeteiligung muss ein Parlament doch jetzt alles tun, um sich zu öffnen, transparenter und lebendiger zu werden!

Sie tun das Gegenteil. Sie nehmen in Kauf, dass die Außenwirkung des Parlaments sich verschlechtert, das Parlament Schaden nimmt und die Distanz zum Parlamentarismus weiter zunimmt.

Das ist fahrlässig und kein gutes Signal am Beginn dieser Wahlperiode.

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