Rede Ursula Helmhold: Aktuelle Stunde: Wenn wenige viel haben haben viele wenig - Schwarz-Gelb spaltet die Gesellschaft

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Niedersachsen steigt die Armutsquote um fast 5 %, und die Reichen in Deutschland werden immer reicher. Das sind zwei Befunde aus dem September, die ein Schlaglicht auf die gesellschaftliche Entwicklung in unserem Land unter schwarz-gelben Regierungen in Niedersachsen und im Bund werfen.

(Heinz Rolfes [CDU]: Ach du lieber Himmel!)

- Herr Rolfes, hören Sie doch erst mal zu! - Der Wohlstand ist auch während der Krise gigantisch gewachsen, doch nur eine kleine Minderheit hat etwas davon. Den Staatsschulden in Höhe von 2 000 Milliarden Euro stehen riesige private Vermögen gegenüber, die in den letzten Jahren trotz der Krise weiter gestiegen sind. In nur zwei Ländern der Welt gibt es mittlerweile mehr Dollar-Millionäre als in der Bundesrepublik. Durch Rettungspakete, Schutzschirme, Bürgschaften und Garantien sind vor allem auch große Vermögen geschützt worden. Das war und ist nichts anderes als Umverteilung von unten nach oben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Die FDP hat auf die neuesten Zahlen schon reflexartig reagiert: Er teile die Meinung der Arbeitsministerin, nämlich privaten Reichtum für die nachhaltige Finanzierung öffentlicher Aufgaben heranzuziehen, nicht, tönte der Wirtschaftsminister aus Asien. Daneben attestierte er der nieder-sächsischen Kollegin einen „krampfhaften“ Egotrip - von der „Gurkentruppe“ ist das ja nicht mehr ganz so weit entfernt. Sein Generalsekretär schwadroniert unverdrossen das Mantra „mehr Netto vom Brutto“.

(Daniela Behrens [SPD]: Wer war das noch?)

Die Menschen sehen das anders. Nur noch 3 % würden die FDP wählen - die Partei, die aus ihrer Fürsorge für Reiche keinen Hehl macht. Aber auch Sie kommen doch über die glasklaren Befunde nicht hinweg: Das obere Zehntel besitzt inzwischen 53 % des Vermögens. Da stellt sich die Frage nach Gerechtigkeit und dem sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft drängend.

(Zustimmung bei den GRÜ-NEN)

Einen armen und schwachen Staat und eine zunehmende Zahl armer und perspektivloser Menschen können sich auch Reiche auf Dauer nicht leisten. Bei uns stehen fast 1 Million Millionäre 3 Millionen Menschen gegenüber, die weniger als 6 Euro pro Stunde verdienen. Sie gehen jeden Tag zur Arbeit, sind fleißig und müssen am Ende des Monats dennoch zum Amt laufen und ergänzende Hartz IV-Leistungen beantragen. Der Zusammen-hang zwischen Arbeit, zwischen Leistung und Bezahlung ist inzwischen doch völlig aus dem Ruder gelaufen. Hungerlöhnen

hier stehen unmäßige Gehälter und unmäßige Bonizahlungen da gegenüber, die in keinem Zusammenhang mit Leistung stehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, „Wohlstand für alle!“ - das war das Credo von Ludwig Erhard. Die soziale Marktwirtschaft sollte da-für sorgen, dass es allen gut geht. Dieses Versprechen gilt doch für Sie schon lange nicht mehr. Wissen Sie eigentlich, wie das tägliche Leben vieler Menschen in Niedersachsen aussieht? Arme haben in der Regel schlechtere Bildungsabschlüsse und damit lebenslang weniger Chancen. Sie sind in der Regel Migranten, Alleinerziehende und Kinder. Sie sind zunehmend Rentnerinnen. Sie sind häufiger krank, sie sterben eher, sie leben in separierten Stadtteilen und gehen in andere Schulen als die Kinder der Reichen. Armut vererbt sich. Arme Eltern haben arme Kinder, die wieder arme Eltern werden. So geht es traurig immer weiter - dank Ihrer Politik.

Herr McAllister, wenn Sie im blank geputzten Bus auf Sommerreise touren, fahren Sie dann eigentlich einmal in diese armen Stadteile? Kennen Sie die Suppenküchen, die Tafeln, die Kleiderkammern, die Tauschbörsen? Sprechen Sie mal mit den Kindern, die keinen Urlaub machen und deren Problem nicht unbedingt ist, dass ihre Eltern ihnen kein Reitpferd auf die Wiese stellen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Jens Nacke [CDU]: Haben Sie nicht gerade erst in der HAZ Sachlichkeit angemahnt, Frau Kollegin?)

Fahren Sie auch einmal dahin, wo es weh tut? Wenn Sie es täten, dann würden Sie spüren, wie die soziale und kulturelle Spaltung der Gesellschaft immer weiter fortschreitet. Das zu sehen, tut weh - mir zumindest.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Zustimmung von der SPD)

Die Antwort der Niedersächsin von der Leyen lautet: Bildungspaket, ein angeblicher Mindestlohn und Zuschussrente. Aber: Das Bildungspaket floppt, den Mindestlohn machen Sie gar nicht, und die Zuschussrente hilft kaum einem. Aber selbst bei diesen zarten Ansätzen kriegt die FDP schon wieder Zustände. Der Generalsekretär unterstellt der Union bereits „linke Tendenzen“. Das wäre schon fast ein Fall für den Innenminister.

Diese Landesregierung schüttet das Füllhorn der Bevorzugung für Versicherungskonzerne aus - siehe Talanx -; sie vergeudet Millionen für Subventionen - ich denke nur mal an die Cemag-Freunde des ehe-maligen Ministerpräsidenten -, und sie subventioniert Massenschlachthöfe. In denselben Schlachthöfen arbeiten die Menschen dann zu Hungerlöhnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Die Menschen in Deutschland und in Niedersachsen erleben, dass immer bei den Schwachen gespart wird.

(Glocke des Präsidenten)

Es ist an der Zeit, den gesellschaftlichen Reichtum anders zu verteilen. Die Wohl-habenden müssen endlich zur Bewältigung der Krisenkosten herangezogen werden. Und warum? - Weil Eigentum verpflichtet.

Vizepräsident Dieter Möhrmann:

Frau Kollegin, das war ein guter Schlusssatz.

Ursula Helmhold (GRÜNE):

„Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“ - so steht es in unserem Grundgesetz.

Deswegen brauchen wir eine vernünftige Einkommensteuer, eine Vermögensteuer

und eine Besteuerung von Erbschaften. Dieses Land braucht eine andere Politik, es braucht eine bessere Regierung. Jedenfalls braucht es CDU und FDP nicht.

Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN - Heinz Rolfes [CDU]: Mein Gott, was für ein plattes Gerede!)

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