Rede U. Helmhold: Würdige Bestattung von Tot- und Fehlgeburten

...

Anrede,
gern stimmen wir heute dem Antrag zu. Sein Anliegen findet sich in einem Entschließungsantrag wieder, den meine Fraktion bereits in der vergangenen Legislaturperiode eingebracht hat.
Die Möglichkeit, auch Fehl- und Totgeburten mit einem Gewicht unter 500 g bestatten zu können, hebt diese Kinder aus dem Status des Operationsabfalls heraus. Dadurch wird den Eltern ein würdiger Umgang mit ihrem gestorbenen Kind, zu dem sie in der Zeit der Schwangerschaft ja bereits eine Beziehung aufgebaut haben, ermöglicht.
Es ist richtig, die Krankenhäuser zu verpflichten, Eltern auf die Möglichkeit einer Bestattung hinzuweisen. Allzu häufig ist es ja leider so, dass diese erst im Nachhinein bedauern, keinen Ort der Trauer zu haben und so das Gefühl eines doppelten Verlustes ertragen müssen.
Die Friedhofsträger sind aufgerufen, Bestattungsmöglichkeiten zu schaffen, die auch unter finanziellen Gesichtpunkten für die Eltern akzeptabel sind.
Wenn wir heute beschließen, eine würdige Bestattung von Fehl- und Totgeburten zu ermöglichen, bitte ich Sie, nicht zu vergessen, dass sich der Antrag meiner Fraktion zu einer weitergehenden Änderung der Friedhofs- und Bestattungsordnung noch im parlamentarischen Verfahren befindet.
Auch in diesem Antrag geht es um Würde. Um die Würde von Menschen muslimischen Glaubens, denen bislang durch die Vorschrift des Sargzwanges die Möglichkeit einer Bestattung nach ihren religiösen Vorschriften verwehrt ist. Der Sargzwang führt dazu, dass Angehörige ihre Toten zur Bestattung in die Ursprungsländer bringen, obwohl die Familien teilweise schon seit Generationen in Deutschland leben. Es gibt kein Argument für dieses Vorgehen gegenüber unseren muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern.
Auch im zweiten Punkt unseres Antrags geht es um die Würde Verstorbener und ihrer Angehöriger. Mit der Aufhebung des Friedhofszwangs wollen wir dem Willen verstorbener Menschen über ihre eigene Bestattung einen höheren Stellenwert einräumen, als dies bislang der Fall ist.
Viele Menschen haben den Wunsch, dass ihre Asche an einem anderen Ort als auf einem Friedhof bestattet wird. Sie möchten eine Baumbestattung, eine Verstreuung ihrer Asche an einem gewählten Ort oder von einem Ballon aus, eine Bestattung an einem Felsen, in ihrem Garten oder dem Garten eines Angehörigen oder eine Aufbewahrung ihrer Asche im Umfeld eines Angehörigen. Mit der Aufhebung des Friedhofzwangs würde der Wunsch von einem Drittel der Bevölkerung berücksichtigt und wir würden uns unseren europäischen Nachbarn angleichen.
Mit der vorgesehenen hohen Hürde, nämlich den Friedhofszwang nur dann aufzuheben, wenn der Verstorbene dies zu Lebzeiten testamentarisch so festgelegt hat, stellen wir den Wunsch des Verstorbenen in den Mittelpunkt der Betrachtung. Die Hinterbliebenen erfüllen in der Ausführung dieses Wunsches die allgemein anerkannte Pflicht, den letzten Willen des Verstorbenen hinsichtlich Art und Ort der Bestattung zu beachten.
Mit der Aufhebung des Friedhofszwangs würden wir den unwürdigen Zustand beenden, dass Angehörige gezwungen sind, Umwege über europäische Nachbarländer zu gehen oder die Urne bei Nacht und Nebel auf dem Friedhof auszugraben, wenn sie dem Wunsch ihres Verstorbenen nachkommen wollen, der nicht auf einem Friedhof beerdigt werden möchte.
Wie die Befürworter des Friedhofzwangs selbst anführen, handelt es sich bei der Würde des Toten um ein allgemein anerkanntes, verfassungsrechtlich verankertes Schutzgut. Es stellt sich hier jedoch die Frage, warum einerseits bei der Aufhebung des Friedhofszwangs für Urnen eine Verletzung dieser postmortalen Würde drohen soll, und andererseits bei eindeutiger Missachtung der noch zu Lebzeiten geäußerten Wünsche des Verstorbenen eine verfassungskonforme Handlung vorliegt.
Ich wünsche mir, dass in den weiteren parlamentarischen Beratungen des Friedhofs- und Bestattungswesens Entscheidungen getroffen werden, die die veränderten individuellen Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger berücksichtigen und ihre freien Entscheidungen respektieren, ohne dabei die Belange der Mehrheit zu vernachlässigen.
Dies sollte in einer offenen und toleranten Gesellschaft möglich sein.

- es gilt das gesprochene Wort -

Zurück zum Pressearchiv