Rede U. Helmhold: Gleichberechtigung fördern statt "Männerquote" fordern

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Anrede,
der SPD-Antrag stellt treffend dar, dass das Ziel der Gleichberechtigung von Frauen und Männern in Niedersachsen nach wie vor nicht erreicht ist.
Auf dem Arbeitsmarkt sind Frauen erheblich benachteiligt und trotz besserer Schulabschlüsse ist ihr Anteil an Führungspositionen in Politik und Wirtschaft verschwindend gering. Vor diesem Hintergrund verwundert einen doch die von Minister Busemann eröffnete Diskussion über die Männerquote im Primarbereich.
Weil sie von Frauen unterrichtet werden zeigen Jungen also in der Schule schlechtere Leistungen als Mädchen. Da staunt das Publikum und die Grundschullehrerinnen wundern sich, dass ihr Kultusminister ihnen unterstellt, sie würden Jungen nicht ausreichend fördern.
Dabei haben gerade die Grundschullehrerinnen im Rahmen der IGLU Studie eindrucksvoll bewiesen, dass die hauptsächlich feminin unterrichteten Grundschulkinder besser abschneiden als die Älteren, bei denen häufiger Männer eingreifen. Mit der Logik des Kultusministers müsste man nun doch aus dieser Tatsache schließen, dass unterrichtende Männer schlechtere Schulergebnisse von Kindern produzieren.
Wissenschaftlich ist überhaupt nicht geklärt, ob die negativere Leistungsentwicklung von Jungen tatsächlich damit zusammenhängt, dass sie von Frauen unterrichtet werden. Ich bezweifle den vom Kultusminister hergestellten Zusammenhang zwischen weiblichem Unterricht und geschlechtsspezifischen Leistungsunterschieden.
Denn: Schon seit langem sind die meisten Erzieherinnen der Jüngsten in Kindertagesstätten und Grundschulen Frauen. Warum schaden sie Jungen gerade in der letzten Zeit so sehr? Es ist doch kaum wahrscheinlich, dass sie sich gerade jetzt in jungendiskriminierende Monster verwandelt haben. Hinter den geschilderten schulischen Problemen von Jungen stehen doch eher gesellschaftliche Verhältnisse, zu deren Reparatur Schule sich nur bedingt eignet.
Es ist doch so: Die Erziehung und Ausbildung der Kinder überlassen Männer gern den Frauen, jedenfalls so lange man dabei schlecht oder gar nicht verdient. Vom Erziehungsurlaub machen Männer so gut wie keinen Gebrauch, im Alltag ihrer Söhne sind sie allenfalls am Wochenende vorhanden, sie sind rar auf Elternabenden, Elternsprechtagen und Eltern-Kind-Ausflügen. Wickeltische in Herrentoiletten suchen wir vergeblich. Männer stehlen sich mehrheitlich aus der Erziehung ihrer Kinder davon. Die Verweiblichung des Schulbetriebs ist nur eine Folge dieses Desinteresses. Jetzt, wo die Söhne versagen, wird dies hoffentlich zum Thema.
Als Konsequenz aus der Misere eine Quote für Männer als Lehrer an Grundschulen zu fordern hieße mehr Probleme zu schaffen als zu lösen.
Selbstverständlich ist es sinnvoll, Kindern männliche Pädagogen als Rollenvorbilder zur Seite zu stellen. Nur, dies in Form einer Männerquote tun zu wollen, zeigt denn doch, dass zu kurz gedacht wurde: Da muss man dann erst einmal junge Männer von der Attraktivität des Grundschullehrer- und Erzieherdaseins überzeugen. Denn offensichtlich sind sie das nicht:
Der Anteil der Frauen beim Lehrernachwuchs ist weiterhin steigend: Beim Lehramt für Grund- und Hauptschulen liegt er bei knapp 85%; im Sonderschulbereich bei 82%. Damit sind männliche Lehrkräfte in diesen Schularten absolute Mangelware und im Regelfall als Schulleiter und Hausmeister zu finden.
Im Erzieherinnenberuf sind Männer ja geradezu mit der Lupe zu suchen, dies ist dem vergleichsweise geringen Verdienst und den kaum vorhandenen Karrieremöglichkeiten geschuldet, dazu sind die Erzieherinnen bei den derzeit üblichen Öffnungszeiten der Kindertagestätten ja quasi zwangsweise zu Teilzeitarbeit verpflichtet. Und genau dies ist einer der Gründe für die Überrepräsentanz von Frauen im Erzieherinnen- und Lehrerinnenberuf: Bei der desolaten Lage der Kinderbetreuung in unserem Land sind dies Berufe, bei denen Berufstätigkeit und Kindererziehung wenigstens halbwegs vereinbar erscheinen.
Wer also künftig mehr Männer in diesen Berufen sehen will, muss dort andere Arbeitsbedingungen anbieten. Dies beinhaltet eine deutliche bessere Bezahlung und mehr Möglichkeiten des beruflichen Aufstiegs. Ich würde es sehr begrüßen, wenn die Landesregierung sich zu entsprechenden Schritten entschließen könnte, denn dies käme auch allen dort arbeitenden Frauen zu Gute.

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