Rede U. Helmhold: Frauenbeauftragte nicht in Frage stellen, sondern stärken

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Anrede,
auf den ersten Blick sieht alles ganz gut aus: mehr als die Hälfte der Abiturientinnen sind Frauen. Die Zahl der studierenden Frauen steigt stetig, die Erwerbsbeteiligung von Frauen liegt bei 43%. Es gibt den gesetzlichen Anspruch auf Teilzeitarbeit, ein Gleichstellungsgesetz für den öffentlichen Dienst und ein neues Gewaltschutzgesetz, das es Frauen ermöglicht in ihrer Wohnung in Sicherheit vor dem gewalttätigen Partner zu bleiben.
Das alles sind Erfolge der unter rot-grün begonnenen Frauenpolitik. Leider wurde diese unter der SPD-Alleinregierung nur äußerst schleppend weitergeführt, weshalb es mich doch etwas wundert, warum ausgerechnet die SPD-Fraktion sich jetzt als Frauenversteher gerieren will. Da hätte sie in der Zeit ihrer Alleinregierung reichlich Zeit gehabt und wahrlich mehr Einsatz für Frauenbelange zeigen können. Exemplarisch sei hier nur der Umgang mit dem Niedersächsischen Gleichstellungsgesetz genannt. Seit 1994 in Kraft, hat sich an der Situation im öffentlichen Dienst nur wenig geändert.
Es bleibt noch viel zu tun bis der Verfassungsauftrag der Gleichstellung von Männern und Frauen erfüllt sein wird.
Frauen sind zum Beispiel auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor erheblich benachteiligt. Trotz in der Regel besserer Abschlüsse sind sie häufiger und länger arbeitslos als Männer und oft nicht entsprechend ihrem Ausbildungsniveau beschäftigt. Frauen verdienen rund 30% weniger als ihre männlichen Kollegen. Teilzeitarbeit, Minijobs und befristete Arbeitsverträge liegen fest in Frauenhand, Führungspositionen dagegen sind weiterhin den Männern vorbehalten. Der Anteil von Frauen in Führungspositionen in der freien Wirtschaft beträgt nur ca. 6 %, und in den oberen Bundesbehörden noch lächerliche 1,3 %. Und auch in diesem Hause, wie in nahezu allen Gremien, ist der Frauenanteil ausbaufähig.
Es sind Frauen, die täglich die Doppelbelastung von Familie und Beruf schultern und unter dem Mangel an Kinderbetreuungsmöglichkeiten leiden.
Es sind Frauen, die in erschreckendem Maße Gewaltsituationen ausgesetzt sind. Das sind Vergewaltigung, Frauenhandel und Zwangsprostitution und - ganz alltäglich – Männergewalt in Familien.
Die Benachteiligung von Frauen ist in den sozialen Sicherungssystemen strukturell verankert, was dazu führt, dass die Altersversorgung von Frauen im Schnitt deutlich unter der von Männern liegt.
Bis zur Einsetzung der hauptamtlichen kommunalen Frauenbeauftragten unter rot-grün in Niedersachsen hatten die Städte und Gemeinden fast 50 Jahre Zeit, den Grundgesetzauftrag der Gleichstellung zu erfüllen. Die Ergebnisse waren aber in jeder Hinsicht mangelhaft.
Sparzwang und Finanznot sind allgegenwärtig. Aufgabe der Politik aber ist es, knappe Ressourcen gerecht, und das heißt auch geschlechtergerecht, zu verteilen.
Eine kommunale Institution, bei der eine Vielzahl von Informationen zusammen fließen und wo es Berührungspunkte zu allen gesellschaftlichen Bereichen einer Kommune gibt, muss uns Geld wert sein. Eine solche Arbeit kann nicht durch unverbindliche "Zielvorgaben" ersetzt und der Freiwilligkeit anheim gegeben werden.
Und wie es mit den freiwilligen Verpflichtungen bestellt ist, demonstriert anschaulich die 2001 getroffene freiwillige Vereinbarung zwischen den Spitzenverbänden der Wirtschaft und Bundeskanzler Schröder in der es um die Frauenförderung geht. Lediglich 9 % der Betriebe ab 10 Mitarbeiter haben betriebliche oder tarifliche Vereinbarungen zur Förderung der Chancengleichheit getroffen.
Freiwilligkeit in der Gleichberechtigung hat schon in der Vergangenheit nicht funktioniert. An Freiwilligkeit glauben Frauen nicht mehr. Die Frauenbeauftragten sind die wichtigste Institution zur Frauenförderung auf kommunaler Ebene und unverzichtbar.
Wer diese Stellen streichen will, attackiert den Verfassungsauftrag der Gleichberechtigung von Frauen. Ich bin allerdings zuversichtlich, dass die Landesregierung dieses Instrument nicht antasten wird, heißt es doch im Koalitionsvertrag:
"Die Landesregierung wird mit den kommunalen Frauenbeauftragten eng zusammenarbeiten". Das ist eindeutig und von Abschaffung ist dort jedenfalls nicht die Rede.
Daher fordere ich, vor dem Hintergrund der entstandenen Verunsicherung, die Landesregierung auf, eine klare Position für die Erhaltung der hauptamtlichen Frauenbeauftragten zu beziehen.

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