Rede Thomas Schremmer: Landeshaushalt 2017/2018 – Schwerpunkt Soziales und Gesundheit

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

Wir sehen uns mit einer wachsenden sozialen Spaltung unserer Gesellschaft konfrontiert. Ein Befund, für dessen Erkenntnis man kein Sozialist sein muss, Marcel Fratzscher, Chef vom DIW, ist beileibe keiner, er sagt zu den Ursachen (HAZ 7.12.16):

„Zuallererst der ungleiche Zugang zu Bildung. In unserem Land sind die Bildungswege der Kinder wie zementiert – sie bleiben zu häufig auf dem Niveau ihres Elternhauses. Zudem hat sich die Arbeitswelt in den vergangenen Jahren stark ausdifferenziert. Nur noch 50 Prozent der Beschäftigten arbeiten unter dem Schutz eines Tarifvertrags. Wir erleben immer mehr zweifelhafte Jobkarrieren, mit Entgelten am Rand des Mindestlohns über viele Jahre.

Und dass etwa die Vermögen in Deutschland so ungleich verteilt sind wie in keinem anderen Land Europas, ist nun einmal Fakt. Gut 40 Prozent der deutschen Haushalte haben praktisch keinerlei Nettovermögen. Wie sehr die hohe Ungleichheit zu sozialen Konflikten führt, sehen wir derzeit in der Politik. Brexit, Trump, Italien: Überall wird im Kern gegen die Eliten abgestimmt. Das muss uns Sorge machen.“

Ursache dafür ist in erster Linie die Sozial- und Arbeitsgesetzgebung und die mangelnde Investitionsbereitschaft des Bundes (SZ 13.12.16), die soziale Ungleichheit eher verstärkt und Menschen in schwierigen Lebenslagen zusätzliche benachteiligt, als sie zu unterstützen. Wir haben daher in dieser Legislaturperiode bereits häufiger auf Berlin hingewiesen und Nachbesserungen gefordert, zum Beispiel beim Thema Kinderarmut.

Aber, meine Damen und Herren, diese Landesregierung beschränkt sich nicht darauf, auf Zusagen aus Berlin zu warten. Mit diesem Sozialhaushalt legen wir ein konkretes Programm vor, um benachteiligte Menschen zu unterstützen. Denn wir wollen ein gerechtes Niedersachsen, das Teilhabe für alle Menschen ermöglicht. Im Einzelnen:

Langzeitarbeitslosigkeit:

Ganz besonders liegt uns daran, wieder denen einen Zugang zum Arbeitsmarkt möglich zu machen, die schon lange keinen Job mehr hatten. Arbeit ist mehr als Geld verdienen - Arbeit ist gesellschaftliche Teilhabe. Sie durchbricht den Armutskreislauf nicht nur für die betroffenen Langzeitarbeitslosen, sondern zeigt auch deren Kindern, dass Arbeitslosigkeit keine Sackgasse sein muss.

Das geht nur, wenn wir Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren – deswegen legen als ersten Impuls ein Landesprogramm für Langzeitarbeitslose über 20 Millionen Euro auf. Wir werden nicht nur mindestens 1.000 Langzeitarbeitslosen direkt die Hand reichen. Unser Programm wird – zusammen mit den Programmen in anderen Bundesländern - den Druck auf den Bund erhöhen, endlich die Weichen für einen dauerhaft geförderten sozialen Arbeitsmarkt zu stellen.

Wohnraumförderung:

Seit Regierungsübernahme haben wir die soziale Wohnraumförderung deutlich aufgestockt, mit dem letzten Haushalt haben wir noch einmal zusätzliche 400 Mio. Euro zur Verfügung gestellt, die gut abgerufen werden. Wir haben ein Sonderprogramm für studentisches Wohnen aufgelegt, ein Förderprogramm für energetische Sanierungen und eines für barrierefreie Modernisierungen.

Mit diesem Doppelhaushalt werden wir zudem die Bundesmittel aus dem Integrationspaketes nutzen, um in die Zuschussförderung einzusteigen, um Bauen vor allem vor dem Hintergrund der Niedrigzinsphase noch attraktiver zu machen.

Dass vor allem Menschen mit geringem Einkommen besonders in den Ballungszentren große Probleme haben, eine angemessene Wohnung zu finden, ist bekannt. Der CDU-Vorschlag gegen diese Misere heißt wie schon zu Zeiten von Schwarz-Gelb: Eigentumsförderung. Sozialer Wohnungsbau geht eben nur mit Rot-Grün!

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU,

Selbstverständlich muss man in diesem Zusammenhang auch das Thema Wohnungslosigkeit mitdenken. Ihr Vorschlag für ein Landesprogramm zur Wohnungslosigkeit ist aber doch reine Oppositionsrhetorik (Luftnummer), ich kann weder feststellen, dass das in ihrer Regierungszeit auch nur einmal Thema war, noch haben sie aktuell irgendeinen Antrag dazu eingebracht. Und auf Bundesebene war es die CDU/CSU, die im Februar selbst die Einführung einer Wohnungsnotfallstatistik verhindert hat, einziges Argument: Überflüssig! Aber wie wir ja auch schon gestern bei der Pflegekammer gehört haben – in der CDU sagen die einen so und die anderen so!

Behindertenhilfe:

über die politische Liste haben wir uns für eine Erhöhung des Landesblindengeldes eingesetzt, eine Leistung im Übrigen, die zu Zeiten von schwarz-gelb vollständig abgeschafft und erst nach massiven Protesten in deutlich geringerem Umfang wieder eingeführt wurde. Seit Regierungsübernahme bemühen wir uns nun, die Folgen Ihrer Sozialpolitik wieder aufzufangen. Das Landesblindengeld erhöhen wir nun schon zum zweiten Mal innerhalb der Legislaturperiode! Noch mehr gefreut hätte mich allerdings ein wirklich neues und progressives Teilhaberecht – das ist leider auf Bundesebene kümmerlich geblieben. So wäre es z.B. sinnvoller gewesen, die unterschiedlich hohen Landesblindengelder in einem Bundesteilhabegeld aufgehen zu lassen, wie die Bundesregierung ursprünglich einmal angekündigt hatte und wie wir es hier auch interfraktionell beschlossen haben.

Gesundheitsversorgung:

die rot-grüne Landesregierung legt mit diesem Haushalt ein Sondervermögen zum Abbau des Investitionsstaus in den niedersächsischen Krankenhäusern auf. Damit sind wir meines Wissens bundesweit das erste und einzige Bundesland, das dieses Problem systematisch angeht. Dem müsste der Kollege Jasper ja eigentlich zustimmen, wir werden sehen! (NOZ, 9.12.16)

Über den Strukturfonds des Bundes stehen weitere Mittel zur Verfügung. Explizit möchte ich an dieser Stelle betonen, dass diese Mittel nicht nur großen Häusern zu Gute kommen. Der Krankenhausplanungsausschuss hat bereits über die Vergabe beraten und dabei auch kleine Häuser im ländlichen Raum berücksichtigt, die es ungleich schwieriger haben, die für die Versorgung vor Ort aber unabdingbar sind.

Anrede,

all diese Projekte zeigen: Rot-Grün investiert weiter in ein gerechtes Niedersachsen, in gute Arbeit und in Hilfe für die Schwächsten unserer Gesellschaft. Das ist ein Erfolg!

Anrede,

Lassen Sie mich abschließend noch etwas Grundsätzliches sagen, weil ich das oft gefragt werde: Marcel Fratzschers drastischer Buchtitel „Verteilungskampf“ sollte uns Warnung sein! Der soziale Frieden in unserem Land war und ist Voraussetzung für das Gelingen der Demokratie – es gibt ihn aber nicht ohne umfassende Investitionen in öffentliche Güter und soziale Aufgaben. Also nicht zum Null-Tarif.

Und ja, in dieser Hinsicht bin ich ausdrücklich anderer Meinung als die FDP und das ist auch gut so!

Ich persönlich halte deswegen das gebetsmühlenartige Predigen einer „Schwarzen Null“ für gefährlich - wir müssen auch zukünftig weiter in starke öffentliche Institutionen investieren - einen schwachen Staat können sich nämlich nur wenige leisten!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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