Rede Thomas Schremmer: Aktuelle Stunde (SPD) zu bezahlbarem Wohnraum

- Es gilt das gesprochene Wort –

Anrede

Der Wohnungsmarkt in Niedersachsen ist angespannt – aber eben nicht überall, so lautet das aktuelle Fazit der N-Bank Wohnungsmarktbeobachtung, wie wir im letzten Sozialausschuss gehört haben.

Zur Wahrheit über die Ursachen gehört auch ein kurzer Blick zurück: Ursache ist zum einen ist das der eklatante Rückgang des sozial gebundenen Wohnungsbaus seit Mitte der 1980er Jahre (Öffnung für private Investoren) und zweitens der vollständige Rückzug des Bundes in den vergangenen 15 Jahren aus der Wohnungsbauförderung - dem Sie (Opposition) übrigens in ihrer Regierungszeit in Niedersachsen gefolgt sind (Endpunkt Föderalismusreform von 2006).

Es handelt sich also um eine quasi hausgemachte Krise, die mit der Abschaffung der Wohngemeinnützigkeit (WGG von 1988) ihren Anfang hatte. Prognosen über Engpässe und soziale Probleme am Wohnungsmarkt gab es damals viele, die bestätigen sich jetzt leider!

So verstärken sich die Unterschiede zwischen ländlichem Raum und Ballungsgebieten aktuell sehr schnell, das zeigt sich übrigens auch teilweise bei den Baukosten!

Und um gleich mal mit einer Chimäre aufzuräumen: Natürlich gibt es einen Reformbedarf im Bereich bauordnungsrechtlicher Vorschriften, das sagt das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum zu Recht. Aber, meine Damen und Herren, weil es gerade angesichts des Klimaziels von 1,5 Grad so wichtig ist: Einen Zusammenhang zwischen steigenden Baupreisen und energetischen Anforderungen gibt es eben nicht! Studien (tagesspiegel Ende 2014) des Baupreisindexes über 25 Jahre zeigen vielmehr: Gestiegen sind die Baukosten aufgrund der dt. Einheit, aufgrund des Wegfalls Eigenheimzulage (2006) und aufgrund des Konjunkturpaketes II (2009), aber weder die Wärmeschutzverordnung von 1995, noch die Energieeinsparverordnungen der Jahre 2002 und 2009 haben auch nur eine „Spur eines Einflusses“ auf die Preise gehabt!

Wir haben es also im Wesentlichen mit drei großen Herausforderungen zu tun, denen wir uns aktiv stellen:

  • Wachsende Nachfrage von Wohnraum für Familien in den Städten
  • Älter werdende Bevölkerung, besondere Wohnwünsche und –formen (mehr Haushalte!)
  • Erhöhte Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum (SGBII-Empfänger) und damit einhergehend die Flüchtlingsunterbringung (Verteilung nach Einwohnerzahl)

Mit dem neuen 400 Mio€ Programm hat die Landesregierung im ersten Schritt die richtige Antwort gegeben – und das überzeugt auch die Wohnungswirtschaft (vdw): „Das neue Wohnungsbauförderprogramm hat sich bereits bewährt; die Schwerpunktsetzung des Programms im Mietwohnungsbau ist zu begrüßen“ – übersetzt heißt das übrigens: Niedersachsen packt an!

Der Bund, meine Damen und Herren, ist in diesem Punkt immerhin auch nicht frei von Erkenntnis - mit der Verdoppelung der Mittel stehen uns weitere 98 Mio€ im Fonds zur Verfügung!

Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum scheitert also derzeit angesichts der niedrigen Zinsen und unserer Programme nicht am Geld, verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Was wir hingegen wirklich brauchen ist eine „Neue Wohnungsgemeinnützigkeit“ und damit die Rückkehr zur Objektförderung - ohne Bindung des gesamten Unternehmens. So könnte zum Beispiel ein auf 10 Jahre befristetes, komplett steuerbefreites Sofortprogramm eines neuen gemeinnützigen Sektors für untere Einkommensgruppen kurzfristig helfen – zum Beispiel als Ergänzung zu bestehenden Länderprogrammen und kommunaler Wohnraumförderung.

Das setzt aber eine bundesgesetzliche Regelung voraus und fordert daher ein klares Bekenntnis zur Gemeinnützigkeit!

Damit liegt das Dilemma in einem ganz anderen Punkt, den man ganz aktuell nüchtern und gänzlich ohne Kapitalismuskritik festzustellen hat: Wenn 62 Menschen über so viel Vermögen verfügen wie 3,6 Milliarden andere Menschen, dann ist das Bekenntnis zur Gemeinnützigkeit mittlerweile vom Wohlwollen einiger Weniger abhängig – ich sage ihnen – das schadet der Gesellschaft und damit auch der Demokratie!

Vielen Dank.

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