Rede Thomas Schremmer: Aktuelle Stunde (SPD) zu bezahlbarem Wohnraum

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

Die Große Koalition hat im März dieses Jahres die Mietpreisbremse beschlossen oder wie es im Fachjargon heißt: Das „Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten". Das Gesetz wurde bereits in weiten Teilen Deutschlands eingeführt – auch in Niedersachsen wird es eine gründlich vorbereitete Umsetzung geben, denn auch wir haben angespannte Wohnungsmärkte.

Es ist zu betonen, dass die Mitpreisbremse etliche Ausnahmen enthält: Sie gilt nicht zum Beispiel nicht für Neubauten ab 2014 und sie gilt nicht für umfassende Sanierungen.

Anrede,

Der Geschäftsführer des Eigentümerverbands in Osnabrück, Christian Biemann, empfahl nun allen seinen Mitgliedern im Gespräch mit NDR 1 Niedersachsen: "Erhöhen Sie bitte die Miete so hoch Sie können, damit Sie jetzt eine gute Ausgangslage haben, wenn die Mietpreisbremse im Sommer kommt". Der Landesverband von Haus und Grund sieht das nach den Worten des Vorsitzenden Hans Reinold Horst genauso. Hier wird jegliche Zurückhaltung gegenüber dem Gesetzgeber aufgegeben - Umgangssprachlich übersetzt heißt das doch: Presst die Mieter aus wie die Zitronen! Solange es noch geht. Das ist in meinen Augen für sich genommen schon ein skandalöser Vorgang. Er reiht sich dazu noch nahtlos ein in eine Reihe von aktuellen einzelnen Unternehmensstrategien zur Umgehung von gesetzlichen Verpflichtungen oder zur Ausschöpfung aller erdenklichen rechtlichen Spielräume:

Die Recherchen zu den Panama Papers deckten (teilweise) auf welche Ausmaße die Steuerflucht weltweit und in Deutschland angenommen hat. Die VW-Boni Diskussion dieser Woche zeigt, wie weit entfernt einige Manager von der Realität der normalen Arbeitnehmer*innen leben. Und auch die spontanen Entlassungen von Leiharbeitern bei Wiesenhof nach dem Brand zeigen die problematische Schieflage auf dem Arbeitsmarkt.

Anrede,

Der Leitartikel aus dem SPIEGEL vom 09.04.2016 „Schlimmer Wohnen“ fasst die Lage gut zusammen:

Keineswegs sind nur Menschen mit geringen Einkommen in den Ballungsgebieten betroffen, sondern vielmehr schon der gesicherte Mittelstand! Wir befinden uns quasi auf dem Weg zu einer Immobilienblase – was Mitnahmeeffekte in die Höhe treibt und leistungslose Mieterhöhungen zu Lasten der Wohnungssuchenden erzeugt. Überall wird händeringend versucht, den sozialen Wohnungsbau wieder anzukurbeln – einige Akteure der Wohnungswirtschaft scheinen sich allerdings ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht bewusst zu sein. Das gilt übrigens auch für Spekulanten im Zusammenhang mit Flüchtlingsunterkünften. Dabei ist es meines Erachtens heuchlerisch, wenn Haus und Grund einerseits solche Aussagen macht und gleichzeitig Mitglied im „Bündnis für bezahlbares Wohnen“ der Bundesbauministerin ist!

Anrede,

Auch Niedersachsen hat in Teilen angespannte Wohnungsmärkte:

Die Angebotsmieten lagen in 2014 in Niedersachsen durchschnittlich um 21 Prozent höher als die Bestandsmieten. In Braunschweig waren es sogar 27 Prozent. Die Zahl der Wohnungen pro Einwohner geht gerade in angespannten Regionen zurück. Beispielsweise in Osnabrück um -1,7 Prozent. Hier ist die Ursache die mangelnde Neubautätigkeit bei gleichzeitigem Zuzug. Ein weiterer Fakt: Nur 13 Prozent aller Mietwohnungen in Niedersachsen gelten als preiswert. Sprich die Nettokaltmiete liegt unterhalb der lokal geltenden Kosten für Unterkunft. In 2010 waren es noch 2,4 Prozent mehr.  Blicken wir auf den Leerstand: Im Landesdurchschnitt haben wir 5 Prozent Leerstand, in Ballungsgebieten sind nur 1,3 Prozent der Wohnungen leer.

Diese vier Kriterien, den Vergleich Bestands-/Angebotsmiete, die Wohnungen pro Einwohner, die Anzahl von preiswerten Wohnungen und den Leerstand sind ausschlaggebend für die Einführung der Mietpreisbremse. Die von der NBank identifizierten Kommunen weisen im Vergleich zum Landesdurchschnitt in mindestens drei Kriterien schlechtere Werte auf.

Die Wohnungssituation in Niedersachsen wird offensichtlich von Haus und Grund komplett ignoriert und soll jetzt ausgenutzt werden – einziges Ziel: Die Mietspiegel vor Inkrafttreten der Mietpreisbremse in die Höhe treiben – das ist verantwortungslos!

Anrede,

Fassen wir zusammen:

Es geht hier um ein einziges marktradikales Prinzip, und das lautet: „Ist uns doch egal, was in den Parlamenten demokratisch beschlossen wird – wir sind ausschließlich an der Steigerung unserer Renditen interessiert!“

Das ist vielleicht rechtlich nicht zu beanstanden, hat aber mit Anstand nun gar nichts zu tun! Es fördert dagegen die gesellschaftliche Spaltung, beklagt man doch, dass ein sehr großer Teil der Bevölkerung für „die da oben“ nichts mehr übrig hat – aber was ist denn dieses Vorgehen von Haus und Grund anderes als Wasser auf die Mühlen derer, die sich das politisch zu eigen machen? Und es ist im milde gesagt mindestens demokratieschädigend. Wenn das zur Regel wird, dann müssen wir uns nicht wundern, wenn ein noch größerer Teil der Menschen in unserem Lande den rechten Rattenfängern auf den Leim geht! Oder anders gesagt: Die AfD kann sich auch bei Haus und Grund bedanken.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

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