Rede Susanne Menge zum Verordnungsvorschlag der EU-Kommission für die Hafendienste

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

die chinesische Staatsreederei Cosco hat bereits 2010 den hochprofitablen Containerterminal in Piräus übernommen und dort eine gewerkschaftsfreie Zone geschaffen, mit der Folge prekärer Arbeitsbedingungen und Einbußen in der Sicherheit.

Im nordgriechischen Thessaloniki ist trotz eines erhöhten Transport- und Arbeitsvolumens die Zahl der Hafenarbeiter in wenigen Jahren von 350 auf 220 gesunken, weil die unter der Troika erzwungenen politischen Vorgaben Neueinstellungen untersagen.

Was hat Griechenland zu tun mit einem „Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission zur Schaffung eines Rahmens für den Zugang zum Markt für Hafendienste und für die finanzielle Transparenz der Häfen“?

Wie kann es sein, dass, im Duktus des EU-Kommissars gesprochen, Effizienzsteigerung und der Anspruch, mehr Wachstum und Beschäftigung zu erzielen, dann so aussehen wie in Griechenland?

Port Package 3 - was sich anhört wie eine dritte Paketverladestation am Hafen - ist in Wirklichkeit der dritte Versuch der EU-Kommission, europaweit Hafenaufgaben wie das Ausbaggern, Festmachen von Schiffen, Auffangeinrichtungen für Schiffsabfälle sowie Lotsendienste dem Wettbewerb auszusetzen. Es ist der erneute Versuch, einen Keil zwischen die Tarifpartner zu treiben und unter anderem ins Streikrecht einzugreifen – wie sonst soll man die Absicht der Kommission verstehen, mit »Notfallmaßnahmen« die Hafenbehörden zum Einsatz anderer Betreiber zu ermächtigen?

Diese Verordnung greift ein in unser Wirtschaftssystem der sozialen Marktwirtschaft, in dem der Staat sich verantwortlich fühlt und einen Rahmen setzt für wirtschaftliches Handeln. Ich weiß, dass viele an dieser Stelle genau das verändert haben wollen. Propagiert wird der freie Markt, denn nur er könne Wohlstand und Wachstum garantieren.

Allen Befürwortern dieses neoliberalen Marktverständnisses sei an dieser Stelle in Erinnerung gerufen, dass wir unseren sozialen Frieden im Land – und auch das darf man als einen Ausdruck von Wohlstand bezeichnen - nicht zuletzt der Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu verdanken haben.

Zurück zum Veränderungsvorschlag. Dass dieser in den Bundesländern auf breite Ablehnung stößt, ist bemerkenswert, denn damit zeigt eine breite Mehrheit der Politik, dass sie zur sozialen Marktwirtschaft steht und gewillt ist, die Einflussmöglichkeiten des Staates in unser Wirtschaftssystem aufrecht zu erhalten.

Das ist eigentlich ein deutliches Bekenntnis gegen die Deregulierung des Marktes, gegen Privatisierung und Liberalisierung.

Wären da nicht die nachdenklich stimmenden Hinweise gestern Abend von Herrn Professor Lammert, dass 90% aller EU-Verordnungen und Entschließungen aus Deutschland selbst kommen.

Ein erster Kompromiss unter den Ablehnenden der Hafendienstleistungsverordnung hebt vier Aspekte hervor:

  • Ihre Rechtsform,
  • neue administrative Strukturen,
  • Eingriffe in das föderale System der BRD,
  • Privatisierung der Hafendienstleistungen.

Ein weiterer Kompromiss in Form eines gemeinsamen Antrages dieses Landtages war nicht möglich, was ich kurz begründen möchte:

CDU und FDP lehnen, genau wie wir, den Vorschlag im Kern ab, sie bestehen aber auf sechs Unterpunkte. Diese widersprechen unseres Erachtens dem eigentlichen Ablehnungstext, denn sie fordern unter anderem Ausnahmeregelungen und die Herausnahme spezifischer Hafendienstleistungen und pochen auf individuelle Entgeltregelungen.

Hier mischt sich in den Ablehnungstext ein eigener Port Package 3-Entwurf für die BRD:

Konkurrenz statt Kooperation, Liberalisierung statt staatlicher Rahmensetzung und Gewinnoptimierung statt sozialer und ökologischer Verantwortung.

Das wollen wir nicht und stellen deshalb den rot-grünen Antrag zur Abstimmung.

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