Rede Susanne Menge: Antrag (SPD/GRÜNE) - Infrastrukturpolitik

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Präsident,

um Herrn Thümler zu antworten, der Erkenntnis vor Umsetzung anmahnt:

Wir haben erkannt, dass Sie über 75 Millionen Euro des Bundes für einen zukunftsweisenden Öffentlichen Personennahverkehr eins zu eins in den Schülerverkehr gesteckt haben und dies ÖPNV-Konzept nennen.

Wir haben erkannt, dass Sie völlig überdimensionierte Neubauvorhaben durchsetzen wollten und dabei vorhandene Straßen nicht in dem Maße saniert und erhalten haben, wie es notwendig gewesen wäre.

Wir haben erkannt, dass Sie insbesondere den ländlichen Raum bemüht haben, um ihren Schülerverkehr als gelungenes Beispiel für ÖPNV darzustellen. Einen Takt am frühen Morgen und mittags definieren Sie als ein gelungenes ÖPNV-Konzept.

Wir haben erkannt, dass Sie die Schienenstrecken weit hinter Straßenneubau gesetzt haben und damit ignorant umgegangen sind mit Klimazielen und einer verantwortungsbewussten Steuermittelverwendung.

Wir setzen aus dieser Erkenntnis um:

Reaktivierung der Bahnstrecken;

Umverteilung der Entflechtungsmittel;

Stärkung - nach zehn Jahren schwarz-gelber Verkehrspolitik – des SPNV und den ÖPNV;

Vernünftige Vertaktung von Bussen und Zügen;

Erreichbarkeit der Bahn- und Busstationen in vernünftiger Entfernung.

Niedersachsen kommt in der Verkehrspolitik eine zentrale Bedeutung zu. Ob Straße, Schiene oder Wasser – bundesweit wichtige Verkehrsachsen treffen sich hier bei uns quasi vor der Haustür. Damit tragen wir eine hohe Verantwortung gegenüber dem eigenen Bundesland, aber auch weit darüber hinaus.

Rot-Grün stellt sich erfolgreich dieser Verantwortung seit gut eineinhalb Jahren, in denen wir bereits viel für das Land erreicht haben (ich nenne hier nur: den Prozess zur Reaktivierung von Bahnstrecken, den Prozess zur Alternativfindung zur Y-Trasse, die öffentliche Beteiligung bei der Bewertung der Projekte für den BVWP 2015, die Sicherung und vernünftige Verteilung der Entflechtungsmittel durch das LandesGVFG, die Einstellung von Mitteln für den Erhalt, das Radwegekonzept und vieles mehr). Wir sind dafür angetreten und setzen seither Stück für Stück eine vernünftige, eine seriöse und vor allem eine zukunftssichere Verkehrspolitik um, die den Menschen und der Wirtschaft zu Gute kommt.

Es mag ja sein, dass sich nicht jeder hier im Raum mit den knappen Finanzmitteln abfinden möchte. Gleichwohl kommen wir an der wesentlichen Tatsache nicht vorbei, dass auch in der Verkehrspolitik der Euro nur einmal ausgegeben werden kann:

Fakt ist, dass unsere Verkehrsinfrastruktur massiv unterfinanziert ist. Jeder weiß das und bekommt täglich zu spüren, dass Verkehrswege uns regelrecht unter unseren Füssen wegbrechen. Mehr als 7 Mrd. Euro pro Jahr brauchen wir zusätzlich, um den zunehmenden Zerfall von Straßen, Schienen und auch Wasserwegen aufzuhalten.

Fakt ist auch, dass gleichzeitig unser Bundesverkehrswegeplan massiv überzeichnet ist. Das Modell, bundesweit in die Länder die endlose Wünsch-Dir-was-Liste auszurufen, darf als Mittel zum Zweck einer bundesweiten und länderspezifischen vernetzten Mobilität als gescheitert betrachtet werden. Die vorliegenden Verkehrsprojekte lassen sich auch in 200 Jahren kaum abarbeiten.

Daraus folgt:

Wir müssen uns entscheiden, ob wir endlich angemessen unsere Infrastruktur sanieren und synergetisch optimieren wollen oder aber ob wir weiter „Business as usual“ betreiben und munter neue Straßen bauen wollen. Eines will ich an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Wer weiter wie in bisherigem Ausmaß in Neubau investieren will und sich als Fan von Autobahnen bezeichnet, hat offenbar seine oder ihre Form der Verdrängungsfähigkeit kultiviert. Denn wenn schon jetzt 7 Milliarden Euro jährlich nicht ausreichen, vorhandene Fahrbahnwerte zu sanieren und zu erhalten, wer, bitte schön, soll denn die zusätzlichen Erhaltungskosten für Neubauten tragen? Es sei denn, es gilt das Motto: Neubau vor Sanierung, Verfall als Prinzip.

Rot-Grün in Niedersachsen hat in dieser Frage Farbe bekannt: Für uns ist der Erhalt das Gebot der Stunde. Der notwendige Ausbau bei Engpässen, die kluge Vernetzung der unterschiedlichen Verkehrsträger in einem landesweiten Konzept uns absolut wichtig.

Mit unserer Position stehen wir nicht allein da! Mit der Grundkonzeption zum BVWP 2015 ist der Bundesregierung ein mutiger Relaunch gelungen, der aktuelle Erkenntnissen aufnimmt und in einen Neuanfang umsetzt. So macht der BVWP 2015 Schluss mit dem Märchen, dass Straßenneubau Wirtschaftspolitik sein soll. Es gibt schlicht keinen Zusammenhang zwischen dem Bau von Straßen und einer vermeintlich positiven Auswirkung auf Wirtschaft und Arbeitsplätze. Wissenschaftlich und empirisch ist die Behauptung, Straßen schaffen Wachstum und Arbeit,  Unsinn! Wenn Sie uns nicht glauben wollen, dann schauen Sie ruhig in die Studie des BMVI hinein („Grundsätzliche Überprüfung und Weiterentwicklung der NKA im Bewertungsverfahren der Bundesverkehrswegeplanung“ aus 2013). Da heißt es, dass die Standortwahl eines Unternehmens nicht von der Infrastrukturanbindung abhängt, sondern von der Verfügbarkeit der Arbeitskräfte. (Nachzulesen auf Seite 122 der BMVI-Studie). Das BMVI kommt konsequenterweise zu dem Schluss, dass regionalwirtschaftliche Effekte künftig nicht mehr als Nutzen angerechnet werden können und aus dem BVWP 2015 zu streichen sind.typo3/

Wir begrüßen das sehr! Genau wie den Vorsatz, die Fortschreibung des alten BVWP zu durchbrechen und alle Projekte, die nicht bis Ende 2015 begonnen werden, auf Neuanfang zu setzen! Darin sehen wir eine Chance, jetzt einen Schnitt zu machen und für die Zukunft sauber zu unterscheiden, was dem Verkehrsnetz dient, wie hoch der Bedarf tatsächlich ist und wie viel die Maßnahme wirklich kostet und was lediglich teure, überflüssige Wünsche einzelner Akteure sind.

Anrede,

Wir befinden uns bei der Verkehrspolitik mitten in einem Paradigmenwechsel. Der Bund hat  mit dem neuen BVWP dafür eine gute Grundlage geschaffen. Die Richtung stimmt! Gleichzeitig gibt es an der einen oder anderen Stelle Umstellungsprobleme vom alten zum neuen Ansatz.  

Der Bundestag ist der Souverän. Das Parlament trifft die Entscheidungen. Nach dem Auftritt von Herrn Lammers hier im Landtag dürften auch andere Fans von Neubauvorhaben mindestens eines als Beispiel autokratischer Strukturen begreifen:

Die Erteilung des Baurechts bzw. der Baupflicht durch das Bundesministerium außerhalb des Analyseprozesses zum Bundesverkehrswegeplan und außerhalb der Haushalts-entscheidungen des Parlaments.  Die Länder wurden angewiesen, Projekte jetzt zu bauen. In Niedersachsen sind dies drei Straßenneubauprojekte.

Wir werden hier in Niedersachsen für unsere Interessen trotzdem weiterhin eintreten und die Bewertung unserer angemeldeten Verkehrsprojekte konstruktiv begleiten mit eigenen Kriterien. Erstmals wird Niedersachsen die Menschen an dem Bewertungsverfahren beteiligen, um am Ende eine Prioritätenliste zu erstellen, die von einer breiten Mehrheit getragen wird.

Anrede,

Rot-Grün in Niedersachsen gestaltet den notwendig gewordenen neuen Weg in der Verkehrspolitik. Wir nehmen die Verkehrsprognose 2030 ernst, die z.B. die Verkehrsströme zum Teil deutlich nach unten korrigiert. Wir nehmen ernst, dass Kostenkalkulationen bislang völlig unrealistisch waren und an die realistischen Ausgaben angepasst werden müssen. Für uns gilt: Wir wollen erst prüfen, ob ein Projekt Sinn macht und ob es zu unseren Nachhaltigkeitszielen passt, und erst im zweiten Schritt Geld für die Planung in die Hand nehmen.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

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