Rede Susanne Menge - Antrag der FDP „Die Landesregierung muss ihre verkehrspolitische Umorientierung stoppen - Mittel für den kommunalen Straßenbau aus dem Entflechtungsgesetz müssen erhalten bleiben!“

- es gilt das gesprochene Wort - 

 

 

Sehr geehrter Herr Präsident,

verehrte Damen und Herren,

zwei kanadische Verkehrsökonomen, Duranton und Turner, haben den Zusammenhang zwischen Straßenbau und Verkehrsaufkommen am Beispiel der USA über einen Zeitraum von 20 Jahren empirisch untersucht.  Das umfangreiche und regional aufgeschlüsselte Material ihrer Studie belegt, dass ein Ausbau des Straßennetzes um ein Prozent in einer Region dazu führt, dass der Autoverkehr dort um ein Prozent zunimmt - und zwar in weniger als zehn Jahren. Eine Verdoppelung der Straßen verdoppelt den Verkehr.

Dieses Ergebnis ist umso interessanter, je stärker man sich mit den Faktoren wie Demografie und Ökonomie auseinandersetzt. Die Entwicklung des motorisierten Verkehrs nimmt zu, völlig unabhängig vom Bevölkerungswachstum und der wirtschaftlichen Entwicklung einer Region, unabhängig davon, wie gut und dicht das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln ist.

Der Verkehr nimmt also zu, sobald es mehr Straßen gibt. Menschen fahren häufiger Auto, wenn das Straßennetz ausgebaut wird.

Ergo: Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten.

Und genau das ist Ihre Philosophie: Straßen neu bauen, um Wirtschaftlichkeit zu erhalten. Deshalb haben Sie auch auf eine umwelt- und damit zukunftsorientierte Verkehrspolitik verzichtet nach dem Motto: Hinschauen, nichts dazu lernen, Geld verkloppen.

Denn Sie haben bereits die GVFG-Mittel in Höhe von 205 Mio € nur für den Straßenbau für die kommenden drei Jahre verbraten!

Wohl wissend, dass hierauf Interpretationen folgen werden wie: die Grünen wollen alle Straßen abschaffen oder wollen Güter mit Pferd und Wagen durch die Republik rollen, möchte ich drei Punkte hervorheben:

1.   Wie auch die dringliche Anfrage am gestrigen Tag wiederholt zeigte, haben wir ein massiv vernachlässigtes Verkehrsnetz und damit einen Sanierungsstau, der sich nur mit Disziplin über einen langen Zeitraum mit einer verantwortungsvollen Verkehrspolitik abbauen lässt. Wir brauchen jährlich allein für die Bundesfernstraßen in Niedersachsen zusammen mit den Ingenieursbauwerken 250 Millionen Euro, um deren Bestand zu erhalten [Quelle: Straßenbaubehörde].

2.   Auf Bundesebene bestätigen die Ergebnisse der Daehre-Kommission, dass es äußerst schlecht um unsere Verkehrswege bestellt ist. Eine Politik der Überzeichnung bei Neubauten hat den Erhalt unseres Verkehrsnetzes in Vergessenheit geraten lassen. Das Ergebnis dieses blinden Aktionismus:

20 Prozent der Autobahnen, 40 Prozent der Bundesfernstraßen und fast die Hälfte der Brücken an Bundesfernstraßen befinden sich in einem bedenklichen Zustand. In den nächsten Jahren sind jährlich zusätzlich 7,2 Mrd. Euro nötig, um unsere Verkehrswege so zu erhalten, dass die Bürger dieses Landes und die Wirtschaft sie auch nutzen können! Sagt die Daehre-Kommission!

3.   In Niedersachsen sind außerdem  550 Millionen Euro vom Haushaltjahr  2014 an gebunden, um bereits im Bau befindliche Projekte fertig zu stellen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

das sind die Fakten, denen wir uns als Verantwortungsträger  zu stellen haben. Und der Sanierungsaufwand und die Zahlen werden nicht besser, wenn wir sie immer und immer wieder hier am Pult und im Ausschuss widerkäuen.

Rot-Grün ist angetreten, eine moderne und nachhaltige Verkehrspolitik einzuleiten und diese Politik in den kommenden Jahren auch umzusetzen.

Es kann eigentlich nicht wahr sein, dass Sie von CDU und FDP, die Sie in den letzten zehn Jahren verantwortlich für den Zerfall unseres bestehenden Netzes waren, sich weiterhin in ihrer Stimme überschlagen und Neubauten fordern!

Das ist geradezu so, als wenn es in Ihr Haus hineinregnet, sich an den Wänden Schimmel breit macht und im Schlafzimmer der Putz von der Wand bröckelt, Sie aber trotzig den Bau eines schicken Wintergartens einfordern.

Erst den Bestand sanieren und dann über Neues nachdenken! So herum gelingt ein verantwortungsvoller Umgang mit dem uns anvertrauten Verkehrsnetz!

Die Mittel, die Niedersachsen  bislang durch das Entflechtungsgesetz in Höhe von jährlich rund 130 Mio. Euro zu Verfügung stehen, sind Mittel, die für den Neubau und den Ausbau der Verkehrsträger Straße UND Schiene zu verwenden sind. Diese Mittel werden wir in den kommenden Jahren vernünftig einsetzen.

Für einen fließenden Verkehr, für die Anbindung der Menschen auch auf dem Land und für eine starke Wirtschaft in Niedersachsen brauchen wir weit mehr als eine ideenlose graue Betonpolitik. Das ist schon lange nicht mehr zeitgemäß! Uns stehen in diesem Land verschiedene Verkehrsträger zur Verfügung. Und wir wollen, fern von alten überkommenen Ideologien, alle Verkehrsträger einsetzen und aufeinander abstimmen, um eine optimale Versorgung für die Menschen und die Unternehmen zu gewährleisten. Denn alle Verkehrsträger tragen zum Gelingen bei, wenn es darum geht, den steigenden Güterverkehr zu transportieren, wenn es darum geht, mit einem alltagstauglichen SPNV und ÖPNV die Menschen in der Fläche anzubinden und wenn es darum geht, uns mit der Begrenztheit von Energieressourcen und dem Klimawandel ordentlich und ernsthaft zu beschäftigen.

Meine Damen und Herren,

Rot-Grün wird mit wichtigen Parametern eine zukunftsfähige Verkehrspolitik entwickeln, die mehr als nur eine einzige Strategie bereithält.

Wir räumen dem Erhalt und Bestand unserer Verkehrswege Priorität ein - vor dem Neubau. Und wir werden Verkehrsträger, deren ökologische Kosten geringer ausfallen als andere, stärker fördern. Ein Mittel und Weg für diese neue Verkehrspolitik sind die Entflechtungsgesetz-Mittel, die wir zugunsten der seit zehn Jahren durch Schwarz-Gelb vernachlässigten Schiene umverteilen werden. Wir brauchen die Mittel für die Schiene und im ÖPNV, um den Menschen auf dem Land eine echte Alternative zum Auto bieten zu können.

Weite Fahrten zum Arbeitsplatz werden sich die Menschen angesichts steigender Energiepreise zunehmend schwerer leisten können.

Wir werden uns an diesen und anderen Punkten immer wieder ideologischen und kulturellen Unterschieden stellen müssen: Wir sind davon überzeugt, dass wir mit einem kritischen Blick auf das Hier und Jetzt, mit einer Auseinandersetzung um die aktuellen und zukünftigen Probleme und mutigen Schritten in eine andere Verkehrspolitik wesentlich konstruktiver aufgestellt sind als Sie es je waren und sein werden.

Enden möchte ich mit einem Zitat des Bundesverkehrsministers: „Die Umweltfolgen des Wachstums sind sehr unterschiedlich. Feinstaub, Stickoxide (NOX) und Klimagase (CO2) stellen weiterhin Herausforderungen für die Umweltpolitik dar.

Durch ambitionierte Vorgaben der Politik, effizientere Fahrzeuge auf der Angebotsseite und dem Umstieg auf umweltschonendere Verkehrsträger wie Schiene, Fahrrad oder Fußverkehr auf der Seite der Nutzer kann ein nicht unerhebliches Klimaschutzpotential ausgeschöpft werden.“

Umstieg heißt Umstieg. Umstieg ist Umorientierung. Genau hingucken, mutig anpacken und Ihre verfehlte Verkehrspolitik liegen lassen – das ist Auftrag an Rot-Grün und den werden wir anpacken!

 

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