Rede Stefan Wenzel zur Aktuellen Stunde: Eine unbequeme Wahrheit - die drohende Klimakatastrophe und was die Landesregierung nicht dagegen tut

Diese Landesregierung leistet sich ein Umweltministerium, das diesen Namen nicht verdient. Dieser Ministerpräsident offenbart Schwächen auf einem Politikfeld, das Fehler hart bestraft. Längst ist die ökologische Frage zu einer knallharten ökonomischen Frage geworden.

Anrede,

heute gibt es ein Jubiläum. Aber leider nichts zu feiern. Vor fast genau einem Jahr wurde die Landesregierung hier vom Landtag beauftragt, eine Regierungskommission Klimaschutz einzurichten.

Kommt Zeit, kommt Rat – lautet offenbar die Devise von CDU und FDP in der Umweltpolitik. Fast ein Jahr lang haben der Umweltminister und auch der Ministerpräsident diesen Beschluss mit spitzen Fingern angefasst. Vor drei Wochen wurde dann endlich der Vorsitzende des Gremiums benannt. Getagt hat die Kommission bis heute nicht. Auch eine Liste der Mitglieder ist bislang unbekannt.

Anrede,

dann überrascht Minister Sander am Mittwoch letzter Woche die Weltöffentlichkeit mit der Ankündigung, in der Mittagspause der heutigen Plenarsitzung der Presse die Klimaschutzstrategie seiner Regierung vorzustellen.

Klimaschutz sozusagen als Zwischenmahlzeit  – das ist bezeichnend dafür, welchen Stellenwert Sie diesem Thema beimessen. Als wir dann die aktuelle Stunde anmeldeten, wurde Herr Sander offenbar von der Staatskanzlei zurückgepfiffen. Heute morgen gab es dann überraschende Arbeitsgeräusche und Hektik im Umweltministerium. Dann erreichte uns eine Presseerklärung mit einer Anlage. In der Überschrift stand noch "Klimastrategie", aber in der Anlage war dann nur noch von "Strukturpapier" die Rede. Dahinter eine Zusammenstellung von Unterlagen aus bekannten Studien und Expertisen. Kein Zeichen von Strategie, keine konkreten Projekte.

Anrede,

wieder wurde ein Jahr vertan. Ihnen fehlt es in der Klimaschutzpolitik nicht nur an Ideen, es fehlt Ihnen auch an Ehrgeiz - Sie nehmen das Thema nicht ernst.

Jetzt habe ich gehört, Sie würden sich schon auf die heutige Debatte freuen, weil Sie den Grünen dann mal so richtig den Konflikt um das Kohlekraftwerk in Moorburg unter die Nase reiben können. Die Umweltsenatorin in Hamburg hat nach Recht und Gesetz entschieden. Die Entscheidung ist bitter, aber Sie wissen auch, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen nach dem OVG-Urteil keine andere Entscheidung ermöglicht haben.

Auch in unserem Energieszenario laufen vorhandene Kohlekraftwerke bis zum Ende ihrer wirtschaftlichen Lebensdauer. Das kann noch einige Jahrzehnte dauern. Aber das wird keine 60 Jahre dauern, wie das bei ihren neuen Kohlekraftwerken der Fall wäre. Trotzdem wird Vattenfall klagen oder auf den Bau verzichten, da bin ich sicher.

Der Fall Moorburg zeigt aber auch, dass wir eine neue Rechtsgrundlage für Kraftwerksbauten brauchen. Wenn man Bauherren neue Effizienzstandards abverlangt, muss man das auch bei den Stromkonzernen tun. Mit der Festlegung eines Mindestwirkungsgrades wäre die Diskussion schnell vom Tisch. Unsere Flüsse würden vor der Einleitung und Entnahme von Kühlwasser geschützt. Kraft-Wärme-Kopplung würde zum Standard.

Wenn es nach Ihnen und Ihren Hamburger Parteifreunden ginge, würden in Moorburg noch drei Stockwerke drauf gebaut. Wenn es nach Ihnen und Ihren Hamburger Parteifreunden gehen würde, dann wäre die Elbe heute schon ein toter Fluss.

Sie sind seit Jahrzehnten als Totengräber von Natur- und Umweltschutz unterwegs. Kohle, Atom, Autobahnen, Gentechnik, Chemie und Agrargifte - unter der Regie von Politikern Ihresgleichen feiert die umweltpolitische Ignoranz ihre größten Triumphe. 

Diese Landesregierung leistet sich ein Umweltministerium, das diesen Namen nicht verdient. Dieser Ministerpräsident offenbart Schwächen auf einem Politikfeld, das Fehler hart bestraft. Längst ist die ökologische Frage zu einer knallharten ökonomischen Frage geworden.

Anrede,

  • Ihr Generalplan Küstenschutz ist jetzt schon Makulatur.
  • Innovationsförderung kommt nicht voran – den Ökofonds gebrauchen Sie als Sparbüchse.
  • Bei klimafreundlichen C02-Grenzwerten für Autos gehören Sie zu den Oberbremsern.
  • Beim Hafenhinterlandverkehr setzen Sie zuerst auf die Straße.
  • Der Windkraftmarkt im Binnenland ist auch dank Ihrer Aktivitäten eher rückläufig.
  • Bei Offshore-Windkraft und Netzanbindung haben Sie Fehler im Genehmigungsverfahren zu verantworten, die unzureichende Berücksichtigung des Naturschutzes führt zu weiteren Verzögerungen.

Anrede,

wir wollten heute was hören, Herr Sander. Ihre Klimaschutzstrategie ist überfällig. Jetzt haben Sie schon zum Frühstück was zusammengezimmert. Wirklich neues konnte ich nicht entdecken.

Ich will Ihnen sagen, was jetzt notwendig wäre und was jetzt machbar wäre:

  • 1000 neue Blockheizkraftwerke in 1000 Tagen, in Kooperation mit den Stadtwerken
  • 100 neue Bioenergiedörfer – zwei Bürgerprojekte in jedem Landkreis
  • Eine Stadt der blauen Dächer als Modellprojekt für Solarinnovation
  • Repowering bei der Windkraft – 20 neue 5 MW Anlagen in jedem Landkreis: Damit ersetzen wir 3-4 Großkraftwerke
  • 5 Kombikraftwerke für dezentrale Lastsicherung mit der innovativsten Technologie, die der Markt hergibt
  • Ein HGÜ-Kabel nach Norwegen – wir tauschen Wind- gegen Wasserkraft
  • Bionik: Gründung eines Kompetenzzentrums Photosyntheseforschung

Ein Umweltministerium bietet heute Megachancen. Es könnte die Schaltzentrale für neue Ideen und neue Projekte sein. Das Mekka aller innovativen Geister dieser Republik.

Anrede,

was Sie aus diesem Haus gemacht haben ist hingegen ein Trauerfall. Energiepolitisch sind Sie in den Schützengräben der achtziger Jahre unterwegs. Obwohl auch Atomkraft deutlich mehr CO2 emittiert als die Erneuerbaren, wollen Sie hier mit dem Kopf durch die Wand.

Wenn es nach CDU und FDP gegangen wäre, wenn wir auf die Stromkonzerne gehört hätten, dann wäre die Windkraftbranche, die Solarbranche, Biogasanlagen und Kraft-Wärme-Anlagen noch ein Thema für Exoten. Dass wir heute Technologieführer in vielen dieser Zukunftsbranchen sind, ist nur möglich, weil wir Ihren Rezepten nicht gefolgt sind.

Deshalb wünsche ich Ihnen im Wahlkampf viel Spaß mit den Herren von Vattenfall, EON, RWE und ENBW. Vielleicht sollten Sie deren Logos auch auf Ihre Wahlplakate drucken. Wenn nicht, werden wir dafür sorgen, dass klar ist wessen Geschäft Sie besorgen.

Herr Sander, Sie und Ihre Kollegen sind doch längst umweltpolitische Fossile. Versteinert und im bornierten Werbefeldzug für Kohle und Atom untergegangen. Karbonosaurus Sanderix - Ihr Platz ist im Museum.

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