Rede Stefan Wenzel: „Von Schwarz-Gelb lernen heißt tricksen lernen!" Niedersachsens Bürgerinnen und Bürger müssen die Zeche zahlen

Anrede,

die letzte Woche der Koalitionsverhandlungen hat der Glaubwürdigkeit der neuen Regierung noch vor der Wahl der Kanzlerin einen schweren Schlag versetzt. Der Theaterdonner von Herrn Wulff bereitete dem Plan zur Einrichtung eines Schattenhaushaltes den Weg. Das Gerede von seriöser Haushaltspolitik und Politik für künftige Generationen wurde als großes Schauspiel entlarvt.

Zwei Tage währte die Halbwertzeit dieser Pläne. Ein beispielloses Medienecho setzte dem Schattenhaushalt zunächst ein Ende.

Jetzt verstecken Merkel und Westerwelle ihre Pläne hinter zehn Kommissionen und 84 Prüfaufträgen.

Jetzt kommt die Koalition mit einem Vertrag daher, der Steuerentlastungen in Aussicht stellt, aber keinerlei Perspektive für eine seriöse Finanzierung verspricht.

Im Gegenteil:  CDU und FDP flüchten in eine ausufernde Verschuldung und in Absichtserklärungen, die schon strittig sind, bevor überhaupt die Tinte unter ihrem Vertragswerk trocken ist.

Mittlerweile haben sich selbst beste Freunde zu scharfen Kritikern entwickelt: Ministerpräsident Müller im Saarland, Ministerpräsidentin Lieberknecht in Thüringen, Ministerpräsident Tillich in Sachsen, Bürgermeister von Beust aus Hamburg.

Dann gibt es Schweiger, wie Ministerpräsident Wulff und Finanzminister Möllring.

Nur einen treuen Hundt haben wir vernommen: Den Arbeitgeberpräsidenten.

Anrede,

"Ist das Betrug", fragt Heribert Prantl in einem Kommentar für die Süddeutsche Zeitung. "Natürlich ist das Betrug", schreibt die Süddeutsche.

Ein bisschen Steuersenkung, insbesondere für die besser verdienende Hälfte der Bevölkerung, ein bisschen mehr Steuersenkung für das am Besten verdienende Zehntel der Bevölkerung, aber höhere Abgaben für alle.

"Dieser Wortbruch war zu erwarten", schreibt Zeit-online. Die FAZ spricht von Schwarz-Geld und die Süddeutsche von Schwarzen Kassen.

Auch die Wirtschaftswoche spricht schlicht von "Armutszeugnis". Was sie Anderen stets vorgeworfen haben, machen Merkel und Westerwelle jetzt selber: Schulden anhäufen.

Anrede,

neben den Schulden im Bund reißen die Pläne der neuen Regierungskoalition neue gigantische Löcher in den Landeshaushalt: Fast 60 Prozent zahlen die Länder und Kommunen. Das Land wird im Haushalt 2010 nach Abzug der Folgen des Verfassungsgerichtsurteils zur Anrechnung der Krankenversicherung mit zusätzlich etwa 350 Mio. Euro getroffen. In den Folgejahren mit 1,2 Mrd. Euro. Das entspricht den Kosten für fast 30.000 Lehrer (die Hälfte aller LehrerInnen), 200.000 Kitaplätze (Zweidrittel der Plätze) oder 150.000 Studienplätze (alle Plätze).

Anrede, Herr Ministerpräsident,

wo wollen Sie weitere 1,5 Mrd. Euro im Landeshaushalt einsparen? Was passiert dann mit dem Bildungshaushalt, der eigentlich gestärkt werden muss? Werden Sie die Einsparungen im Land mit Zeitverzug auf die Tagesordnung setzen, um die haltlosen Versprechungen von Westerwelle und Merkel finanzieren zu können?

Anrede,

ist das ein Konjunkturprogramm, was jetzt kommt? Nein, sagt selbst Hans Werner Sinn vom IFO-Institut, der uns sonst nicht gerade nahe steht. "Zu klein und zu spät." Trotzdem geht der Staat jetzt ohne Not noch tiefer in die Verschuldung.

Dabei stehen wir wirtschafts- und finanzpolitisch noch lange nicht im Trockenen: Die Unternehmen schieben einen Berg von ca. 700 Mrd. Euro Verlustvorträgen vor sich her – eine Zeitbombe für den Landeshaushalt und die Haushalte der Kommunen.

Der Export im Maschinenbau ist um 20 Prozent zurück gegangen. Der Absatz im Automobilbau ist um 30 Prozent eingebrochen.

Anrede, Herr Wulff,

in dieser Situation bremsen Sie ausgerechnet die zukunftsfähigsten Branchen aus: Die Laufzeitverlängerungen bei den Atomkraftwerken verstopfen die Netze und blockieren den Ausbau in der Windkraftbranche. Gerade in Niedersachsen droht damit einer hoffnungsvollen Entwicklung die kalte Dusche.

Auch die Solarbranche wollen Sie stoppen durch eine außerordentliche Senkung der Einspeisevergütung.

Ich sprach kürzlich mit dem Geschäftsführer eines Unternehmens, dass als Zulieferer für viele Branchen im industriellen Sektor arbeitet: Was im Moment läuft ist Solartechnik, sagt er.

Anrede, Herr Wulff,

Sie wollen Wachstum, aber ausgerechnet die neuen Wachstumsbranchen sollen jetzt leiden. Sie gefährden die industriepolitische Pole Position bei den erneuerbaren Energien und der Effizienztechnologie.

Stattdessen lassen Sie sich vor den Karren der großen Stromkonzerne spannen. Das sind Entscheidungen gegen den Markt. Das sind Entscheidungen gegen den Wettbewerb um die effizienteste Technologie.

Sie reden von Wachstum, aber Sie bremsen klein- und mittelständische Unternehmen aus, die für Innovation und neue Arbeitsplätze stehen.

Sie stellen sich nicht der Herausforderung des Klimawandels. Beim Kampf gegen den Klimawandel drohen uns vier verlorene Jahre.

Sie verspielen die Chance auf eine abgestimmte Antwort auf Klima- und Finanzkrise.

Anrede, Herr Wulff,

Sie lassen sich Ihre energiepolitischen Konzepte von den Strategen und Lobbyisten der großen Energie- und Atomkonzerne diktieren.

Anrede, Herr Wulff,

gleiches gilt auch für Ihre Pläne in Gorleben. Sie haben sich längst für Gorleben entschieden und jetzt wollen Sie weiterbauen. Das haben etliche Ihrer Parteifreunde unverblümt zu Protokoll gegeben – darunter sehr hochrangige.

Ihr Vorhaben ist verwerflich. Sie ignorieren die Ereignisse in der Asse, die Versuchsendlager für Gorleben war. Sie wollen dort weitermachen, wo Kohl nach der Manipulation der PTB-Gutachten aufgehört hat. Sie wollen sogar wieder das Bergrecht anwenden.

Das Land Niedersachsen und seine Kommunen können sich diese Politik nicht leisten. Die Haushalte sind jetzt schon verfassungswidrig.

Sie brechen drei zentrale Wahlversprechen:

  • Sie kündigen eine Steuersenkung an, können Sie aber nur auf Pump finanzieren.
  • Zwei Drittel der Bevölkerung werden am Ende weniger "Netto" im    Portmonee     haben.
  • Sie nehmen Abschied von einer solidarischen Finanzierung der sozialen Sicherung

Deshalb fordere ich Sie auf: Stimmen Sie im Bundesrat gegen diese Politik.

Bleibt am Ende nur noch die Geschichte vom neuen Herkules der FDP.

"Das Märchen vom Waisenjungen, der Minister wurde" schreibt die Bild-Zeitung. Ein steiler Aufstieg für einen jungen Mann, von dem im Niedersächsischen Landtag zunächst einmal zwei ganz große Ehrenworte in Erinnerung bleiben werden.

  1. Er wird mit 45 aus der Politik aussteigen.
  1. Er wird nie nach Berlin gehen.

Neulich stand in der HAZ wie ein namentlich nicht genannter Parteifreund das alles erlebte: "Ich sitze seit Stunden vor dem Fernseher und verstehe es nicht", steht da. Nun, wir können dem Parteifreund und allen anderen Rätselratern helfen. Die Antwort auf die Frage, warum Phillip Rösler nun doch nach Berlin geht ist wirklich simpel:

Nur wenn er sein Ehrenwort Nummer zwei bricht, kann er sein Ehrenwort Nummer Eins halten. Nicht auszuschließen, dass aber selbst das nicht klappt. Angesichts der desolaten Lage im Gesundheitsbereich und angesichts der ungesunden Programmatik der FDP dazu, könnte der Ausstieg aus der Politik schon deutlich früher anstehen.

Persönlich wünsche ich Herrn Rösler alles Gute.

Man könnte auch sagen: Hals- und Beinbruch.

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