Rede Stefan Wenzel: Strahlenprognose 2011 überschreitet genehmigten Grenzwert für Castorlager in Gorleben – Neuer Transport von La Hague nach Gorleben muss abgesagt werden

Landtagssitzung am 11.11.2011

Stefan Wenzel, MdL

Anrede,

eins möchte ich gleich zu Beginn klarstellen: Wenn der Landtag am Freitag einer Plenarwoche eine Entscheidung treffen soll, können wir nicht akzeptieren, wenn die Landesregierung drei Tage davor, zu Beginn der Plenarwoche, versucht Fakten zu schaffen. Dass am Mittwoch dieser Woche der Bescheid der Atomaufsicht für das Zwischenlager Gorleben verschickt wurde, muss man als harten Affront werten.

Interessant ist jedoch, dass der Umweltminister offenbar selbst Zweifel an den Berechnungen hegt. Wie anders könnte man seine Äusserungen nach dem gestrigen Gespräch mit Greenpeace verstehen. Interessant auch, dass die Experten von Greenpeace gestern nicht überzeugt werden konnten.

Verdächtig ist zudem, dass wir noch immer nicht über einen vollständigen Datensatz der unabhängigen Messstelle verfügen. Auch die Messungen zur möglichen zusätzlichen Strahlenbelastung durch 11 weitere Castorbehälter liegen uns bislang nicht vor. Am Mittwoch ließ Minister Sander uns zwei Seiten mit einem Datenauszug zukommen. Diese Daten werfen aber noch mehr Fragen und Widersprüche auf, wenn man sie mit den Daten der GNS vergleicht.

Anrede,

im Jahresbericht 2010 zur Umgebungsüberwachung für das Zwischenlager Gorleben nach der Richtlinie zur Überwachung kerntechnischer Anlagen steht am Ende der Zusammenfassung der Satz: Der Betrieb der Zwischenlager des Werkes Gorleben hat keine radiologische Auswirkungen auf die Umgebung."

Dieser  Satz ist ganz offensichtlich falsch.

Anrede,

der Umweltausschuss hat sich mittlerweile in drei Sitzungen und bei einem Ortstermin mit den radiologischen Messwerten am Zwischenlager befasst, nachdem der NDR erstmals über die Tatsache berichtete, dass das NLWKN als unabhängige Meßstelle eine Überschreitung des Eingreifrichtwertes und des Genehmigungswertes für das Jahr 2011 vorausberechnete. Deshalb mussten sie nach Nebenbestimmung A8 der Genehmigung den Einlagerungsbetrieb unterbrechen. 

Anrede,

wir haben im Ausschuss das NLWKN zweimal gehört, wir haben den TÜV und die PTB gehört und wir haben uns vor Ort über die Lage informiert und die Daten der GNS angeguckt.

Ich bin heute felsenfest überzeugt, dass die rechtskräftigen Genehmigungswerte im Jahr 2011 schon ohne neue Castoren überschritten werden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind die Genehmigungswerte auch schon vor 2011 überschritten worden. Das bestätigen eigene Berechnungen auf Basis der vorliegenden Daten und das bestätigen auch Berechnungen, die die Bürgerinitiative Lüchow Dannenberg zusammen mit Experten vorgenommen hat.

Ich zweifle nicht an der Qualität der Messungen der PTB, aber ich stelle fest, dass man der PTB seitens des Ministeriums einen Auftrag erteilt hat, der das bisherige Messprogramm des NLWKN bewusst ignorierte und Referenzpunkte, die vor fast zwei Jahrzehnten festgelegt wurden, nicht berücksichtigte.

Es gibt zwei Wege, um Vergleichsdaten für die Hintergrundstrahlung zu bekommen: Entweder geht man zeitlich zurück und erhebt Daten vor Beginn der Mülleinlagerung oder man gehr weit weg in Bereiche, die nicht durch Strahlung aus dem Lager beeinflusst werden.

Der Auftrag an die PTB ignorierte diese Referenzpunkte und erfand neue, die direkt im Strahlungsbereich am Zaun lagen. Die GNS führte zwar Messungen an Referenzpunkten durch, berücksichtigte sie aber ebenfalls nicht bei der Berechnung.

Anrede,

es gibt noch einen weiteren Weg, um die Plausibilität der Daten der zu prüfen. Diesen Weg hat Greenpeace gewählt. Die von der NLWKN, PTB und TÜV gemessenen Werte wurden entsprechend der Vorgaben der Strahlenschutzverordnung berechnet. Statt Rosinenpickerei wurde der jeweils vorgeschriebene Messwert in die Berechnung einbezogen. Und siehe da: Auch bei dieser Berechnung werden die Genehmigungswerte überschritten.

Anrede,

zusätzlich hat die GNS Castorbehälter im Lager umgestellt. Fakt ist, dass sie vom Messpunkt am Zaun weggestellt wurden. Insgesamt wurden 19 Castoren verstellt. Das geschah angeblich aus Terrorschutzgründen, hatte aber auch Wirkung auf die radioaktive Strahlung am Zaun.

Zusätzlich wurde festgestellt, dass jahrelang nicht am ungünstigsten Aufpunkt gemessen wurde, obwohl genau dies in der Genehmigung vorgeschrieben war.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP,

vielleicht sind Sie der Meinung, dass Sie all das ignorieren können. Dass Sie nur genug Polizei einsetzen müssen, um den Widerstand der Region zu brechen. Da werden Sie sich täuschen. 

Für diesen Fall sage ich Ihnen voraus, dass Sie in ganz kurzes Gras kommen werden. Die Durchführung des Transportes ist schlicht und einfach rechtswidrig. Die Manipulation ist offensichtlich.

Anrede,

am Tag nachdem die niedersächsische Landesregierung öffentlich verkündete, dass sie Gorleben als Standort für eine Wiederaufarbeitungsanlage und ein nukleares Endlager vorstellte, zitierte die Frankfurter Rundschau den ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt. Dieser habe Ministerpräsident Ernst Albrecht in einem Vier-Augen Gespräch "mit aller notwendigen Deutlichkeit" mitgeteilt, dass der Standort Gorleben von der Bundesregierung als ein "Scheinangebot" gewertet werde.

Später diente dieses Scheinangebot auch diesem Bundeskanzler trotz aller Bedenken als Entsorgungsnachweis für Atomkraftwerke. Die Atomindustrie kümmerte das nicht. Sie wollte Fakten schaffen.

Heute auf den Tag genau vor 35 Jahren brachte die Landesregierung Gorleben ins Gespräch - ohne Auswahlverfahren, willkürlich malte man einen Punkt auf die Landkarte.

35 Jahre sind genug - jetzt muss Schluss sein. Stimmen Sie unserem Antrag zu!

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