Rede Stefan Wenzel: Sanders letzte Mission: Nur noch schnell die Welt retten – was will der Umweltminister aus Niedersachsen am Kap der guten Hoffnung?

"Angesichts der jahrelangen Gleichgültigkeit, der erschreckenden Versäumnisse und der inkonsequenten Kurskorrekturen hätte Ihr Umweltminister eigentlich ein Einreiseverbot zur Klimakonferenz in Südafrika bekommen müssen", so Stefan Wenzel.

Landtagssitzung am 07.12.2011

Rede Stefan Wenzel, MdL

Anrede,

die Begründung von Minister Sander für seine Reise zum Klima- und Kyotogipfel in Südafrika entbehrt nicht einer gewissen Tragikomik. Es gehe um eine repräsentative Verpflichtung schreibt der Herr Minister dem Landtagspräsidenten. Er trifft sich jeden Tag zur Besprechung mit Herrn Röttgen und besichtigt Klimaschutzprojekte. Außerdem will er den Umweltminister von British Columbia treffen.

Anrede,

schon nach dem Gipfel in Kopenhagen beschlich mich das ungute Gefühl, dass ein großer Teil der Delegationen beim Klimagipfel gar nicht am Erfolg dieses Gipfels interessiert war.

Wenn ich mir das Schreiben des Herrn Umweltminister ansehe und mir seine Aktivitäten und Nichtaktivitäten der letzten Jahre vor Augen halte, verstehe ich, warum bei solchen Konferenzen so wenige Erfolge zu verzeichnen sind. Offenbar gibt es Delegierte, die nur den Anschein erwecken wollen, dass sie was mit Klimaschutz im Sinn haben. Delegierte, die dicke Papiere schreiben lassen, sich tatsächlich aber dem Schutz der Großindustrie verpflichtet fühlen.

Anrede,

im Sommer dieses Jahres haben sich breite parlamentarische Mehrheiten auf eine Rücknahme der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke und das Abschalten von acht Atomkraftwerken verständigt – ein wirklicher gesellschaftlicher Konsens für ein erneuerbares Energiesystem war das aber noch nicht.

Anrede,

leider müssen wir feststellen, dass maßgebliche Akteure der Landes- und der Bundesregierung die Signale vom Sommer nicht aufgenommen haben und weiter auf Konfrontation setzen:

  • Trotz neuer Endlagersuche halten sie an Gorleben, einem Weiterbau, einer sogenannten Weitererkundung und einer Sicherheitsanalyse mit den alten Seilschaften und alten Standards in Gorleben fest.
  • Mit neuen Hermes-Bürgschaften für AKW in Brasilien heizen sie den nuklearen Rüstungswettlauf in Lateinamerika an.
  • Sie befreien die besonders stromintensive Industrie komplett von den Netzentgelten und erlassen ihnen auch noch die bisherige Gegenleistung, nämlich einen Beitrag zur Netzstabilität.
  • Sie legen die Kosten von etwa 1,1 Mrd. € auf Privathaushalte und kleine Gewerbebetriebe um.
  • Sie befreien große Unternehmen von der Umlage für erneuerbare Energien - so dass auch hier die kleinen Kunden mehr zahlen müssen.
  • Sie betreiben drastische Einschnitte bei der Solarförderung und wollen einen neuen Deckel einziehen.
  • Sie legen ein Förderprogramm für Kohlekraftwerke auf
  • Sie versorgen große Unternehmen beim Emissionshandel oder bei der Energiesteuer mit Sonderregelungen.

Anrede,

wenn man sieht, was hier in Niedersachsen, Deutschland und Europa passiert und was Herr Röttgen und seine Entourage in Durban machen, wird die Doppelbödigkeit sichtbar:

Die Kanzlerin hängt die Erwartungen tief und weckt Zweifel an einem Kyoto II Vertrag.

Herr Röttgen bläst die Backen auf und legt die Hürden höher. Fordert gleiche Bedingungen für alle und neue Verträge nur wenn alle mitmachen.

Die Lobby der Konzerne – von Greenpeace treffend "the Dirty Dozen" genannt – argumentiert ähnlich und betreibt gleichzeitig  harte Lobbypolitik gegen Länder, die sich anschicken bei einem neuen Vertrag mitzumachen. Sie zerschießen die Voraussetzungen, die Herr Röttgen und andere zur Bedingung für einen neuen Vertrag machen.

In Deutschland fördern neun von zehn Entscheidungen der Bundesregierung und der Landesregierung die großen Mineralöl-, Strom- und Atomkonzerne – auch nach dem Grundsatzbeschluss zum Atomausstieg.

Bei der Klimakonferenz spielt man mit verteilten Rollen, bringt gemeinsam den Kyotovertrag zu Fall, simuliert aber großen Einsatz mit lauten Fanfaren.

Anrede,

wenn Ihr Minister in Durban glaubwürdig auftreten wollte, dann hätte er im Gepäck konsequente Beschlüsse, die zeigen was er zu Hause bewegen will:

  • Ein niedersächsisches Klima- und Energiespargesetz
  • Ein Landesenergieagentur
  • Ein Wind- und Solarkataster

nichts davon ist absehbar – die Tagespolitik zeigt in eine andere Richtung

Anrede,

Angesichts der jahrelangen Gleichgültigkeit, der erschreckenden Versäumnisse und der inkonsequenten Kurskorrekturen hätte Ihr Umweltminister eigentlich ein Einreiseverbot zur Klimakonferenz in Südafrika bekommen müssen.

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