Rede Stefan Wenzel: Regierungserklärung Haushalt

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Anrede,
die Dimension des Finanzproblems hier in Niedersachsen war vor der Wahl erkennbar, auch wenn sich die alte Landesregierung redlich Mühe gegeben hat, den Handlungsbedarf zu kaschieren. Es gäbe etliche Zitate des ehemaligen finanzpolitischen Sprechers Möllring zum Notgesetz oder von meinem Kollegen Golibrzuch zum Haushaltssanierungsausschuss. Sie stammen aus der letzten Wahlperiode. Daraus geht eindeutig hervor, dass zumindest allen damaligen Oppositionsfraktionen die Finanzlage des Landes völlig klar war.
Insofern ist es überhaupt nicht glaubwürdig, wenn Sie heute versuchen den Eindruck zu erwecken, dass das Loch im Landeshaushalt plötzlich zu einem Krater gewachsen ist.
Es war lange klar, wie die Bilanz aussehen wird.
Anrede,
in den CDU-Reden vor der Wahl sollte der Eindruck vermittelt werden, dass mit dem Antritt der Regierung Wulff eine wirklich solide Finanzpolitik und eine nachhaltige Sanierung des Haushaltes zu erwarten ist.
Mit Erstaunen müssen wir nun zur Kenntnis nehmen, dass Sie am heutigen Tag einen Anstieg der Nettoneuverschuldung für dieses Jahr nicht ausschließen können. Die 91 Millionen Euro Einsparungen, die die Ministerien für den Nachtrag erbringen müssen und die zum Teil der Finanzierung der Wahlversprechen dienen sollen, reichen nicht einmal aus, die Hälfte des Haushaltsfehlbetrages aus dem Haushaltsjahr 2002 zu decken.
Den wollen Sie dann konsequenter Weise auch auf 2004 schieben. Wie Sie den darüber hinaus bestehenden Handlungsbedarf von eventuell 650 Millionen Euro decken wollen, ist nicht ersichtlich. Haushaltssperre und Einstellungsstopp werden nicht reichen und zu den 50 Millionen Euro Subventionsabbau gibt es nur unzureichende Ansagen, in welchen Bereichen dies geschehen soll.
Anrede,
völlig schleierhaft ist mir, wie man angesichts dieser Lage behaupten kann, dass die Wahlversprechen finanziert sind. Die von Ihnen versprochenen 2500 Lehrer und die 1000 Polizisten werden auf Pump finanziert.
Bei der Verwaltungsreform wollten Sie die Treppe von oben fegen. Wir stellen fest: Eine Kabinettsreform hat es nicht gegeben. Stattdessen soll der Innenminister einen B10-Staatssekretär zusätzlich erhalten. Das ist wirklich ein merkwürdiges Signal, Herr Wulff. Sie haben zwar den richtigen Mann für die Aufgabe gefunden, aber Sie haben der Sache mit der Sonderbesoldung der Stelle keinen Gefallen getan.
Und Sie führen die Öffentlichkeit hinters Licht, wenn Sie versuchen, den Eindruck zu erwecken, dass das Kabinett verkleinert wurde. Das Gehalt Ihres Regierungssprechers wurde aufgestockt und die ersten Kungeleien um Beförderungen wurden zwischen CDU und SPD offensichtlich schon vor der Wahl des neuen Ministerpräsidenten vorgenommen.
’Gschmäckle’ hat auch die Geschichte um die angebliche Bewerbung von Frau Möllring im Justizministerium.
Anrede,
beim Thema Verwaltungsreform nehmen Sie jetzt schon das Tempo raus, Stellen bei den Bezirksregierungen werden wiederbesetzt, drei Jahre soll die Planung der Umstrukturierung in Anspruch nehmen. Ich habe mittlerweile Sorge, dass Sie Ihren Verwaltungsmodernisierer im Regen stehen lassen. Wird es etwa nur vorsichtig verschlankte Bezirksregierungen mit einem neuen Türschild geben? Das wäre sicher kein nachhaltiger Beitrag zur Verwaltungsreform und zur Haushaltskonsolidierung.
Anrede,
Sie zählen die Hinterlassenschaften der SPD-Landesregierung auf: mangelhafte Finanzierung des Tiefwasserhafens, überplanmäßige Bewilligungen beim Beschleunigungsprogramm für Hoch- und Tiefbau und Expo-Verbindlichkeiten. Sie vergessen dabei, dass diese Projekte alle mit Ihrer Zustimmung auf den Weg gebracht wurden. Kein Geheimnis waren die Finanzierungslücken und die Folgekosten. Und zum Thema Folgekosten: Was ist eigentlich mit SICAN und dem Technologiezentrum Nord? 13 Jahre nach Hirche dem Ersten sind die Folgekosten noch nicht getilgt.
Unverständlich ist die singuläre Ankündigung von Kürzungen bei der Beschäftigung von Sozialpädagogen an Hauptschulen. Gerade an dieser Stelle werden Sie konkret: jetzt muss Schule für Schule sparen.
Bei den veranschlagten Kosten für den Castor-Transport stehen Sie dem Kollegen Gabriel in nichts nach. Wenn Sie Ihre Gorleben-Politik fortsetzen, dann müsste der Haushaltsansatz noch einmal verdoppelt werden.
Anrede,
natürlich kann eine Regierung die gerade erst vier Wochen im Amt ist, noch nicht den großen Wurf hinlegen. Es drängt sich aber der Eindruck auf, dass sich die angeblich neue Haushalts- und Finanzpolitik nur im Habitus von der alten Allerschen Schuldenpolitik unterscheiden wird.
Sie sind angetreten, das Gegenteil zu beweisen. Dafür hätten Sie auch unsere Unterstützung, wenn Ihre Vorschläge sozial ausgewogen wären. Bei den 2500 Lehrern, die Sie einstellen wollen, gehen Sie jetzt schon davon aus, dass gar nicht so viele ausgebildete Lehrkräfte zu finden. Die Rückkehr zur Dreigliedrigkeit wird soviel bildungspolitischen Schaden anrichten, dass darüber auch die Einstellung von 2500 Lehrern nicht hinwegtäuschen kann.
Anrede,
nach der Bundestagswahl hat sich die Bundes-CDU die "Sonthofen-Strategie" von Franz-Josef Strauß zu eigen gemacht:
Die Bundesregierung ist an allem Schuld, auch am schlechten Wetter.
Jede Mitverantwortung, jede gemeinsame Kraftanstrengung für die Gesellschaft als Ganzes wurde verweigert – aus Wahlkampfgründen.
In der Konsequenz haben Sie unter anderem das Steuervergünstigungsabbaugesetz im Bundesrat und eine Einberufung des Vermittlungsausschusses abgelehnt.
Anrede,
jetzt sind Sie in der Wirklichkeit angekommen, spätestens jetzt müssen Sie erklären, wie die erwarteten Einnahmen aus dem Steuerpaket des Bundes denn anders finanziert werden sollen; Hessen und das Saarland haben das Geld übrigens schon in ihre Haushalte eingestellt.
1,5 Mrd. Euro sollten den Ländern im Jahr 2003 zufließen und 4,1 Mrd. im Jahr 2004. Die Kommunen erwarten eine Besserstellung von 283 Mio. Euro im Jahr 2003 und von 1,3 Mrd. im Jahr 2004.
Sie sagen heute, dass ein Steuervergünstigungsabbaugesetz, das diesen Namen verdient, auch Ihre Zustimmung finden würde.
Wir warten auf Ihre Vorschläge: quantifizieren Sie was Sie im Bereich der Körperschaftssteuer erwirtschaften wollen! Sagen Sie konkret wie Ihre "wachstumsfreundliche Steuerpolitik” aussehen soll! Bisher sind das nur Worthülsen!
Das Steuerpaket des Bundes enthält eine Reihe von Vorschlägen, die bestehende Steuervergünstigungen abbauen, Steuerumgehungsmöglichkeiten einschränken oder Fehlsubventionierungen begrenzen.
Zwei Beispiele will ich nennen:
1. Die Beseitigung der Umsatzsteuerbefreiung für die grenzüberschreitende Personenbeförderung im Luftverkehr. Diese Subventionierung des Flugverkehrs ist durch nichts zu rechtfertigen. Sie führt zu Wettbewerbsverzerrungen und gehört eher heute als morgen abgeschafft.
2.
3. Die Dokumentationspflicht für interne Verrechnungspreise in Konzernen. Diese Maßnahme soll sicherstellen, dass Gewinne möglichst am Entstehungsort versteuert werden. Es kann nicht angehen, dass durch die kreative Gestaltung von internen Verrechnungspreisen dafür gesorgt wird, dass die Verluste eines Konzernteils in Deutschland anfallen und die Gewinne in Steueroasen ausgewiesen werden.
4.
Sie bezweifeln die Entlastungswirkung der vorgesehenen Maßnahmen. Sicher, das sind Prognosen, aber so ganz können sie nicht aus der Luft gegriffen sein, sonst hätten die CDU-Ministerpräsidenten Koch und Müller diese Zahlen nicht in ihre Haushaltsplanentwürfe übernommen.
Wir fordern Sie auf, springen Sie über Ihren Schatten, Herr Möllring. Der Wahlkampf ist vorbei, verhandeln Se ernsthaft über Maßnahmen, die zu einer realen Entlastung des Landeshaushaltes führen.
Heute Abend tagt die sogenannte ”Nichtarbeitsgruppe” des Vermittlungsausschusses, die sich trotz erster Verweigerung der Union gebildet hat.
Anrede,
bedenklich ist, dass Sie nichts zu den Gemeindefinanzen gesagt haben. Sie haben die Politik der SPD-Landesregierung gegenüber den Kommunen als "Raubzug” durch die kommunalen Kassen gegeißelt. Die wenigen konkreten Sparmaßnahmen im Schulbereich, die Sie in der Regierungserklärung ausführen, treffen die Kommunen. Wir erwarten eine klare Aussage wie viel Geld bei den Kommunen unter dem Strich ankommen wird.
Anrede,
wenn es auf Bundesebene eine Gemeindefinanzreform geben soll, die den Kommunen wirklich hilft, dann müssen wir jetzt gemeinsam daran arbeiten. Welche Position vertritt die Landesregierung in dieser Frage? Offensichtlich sind Sie bislang nicht sprechfähig, weil die FDP die Gewerbesteuer völlig abschaffen will. Die FDP hat hier vielleicht ein leichtes Spiel, weil sie auf der kommunalen Ebene sowieso keine Wurzeln hat. In der Sache ist Ihre ”Nichtposition” aber mehr als bedenklich. Sie schwächt die Position der niedersächsischen Städte und Gemeinden.
Anrede,
Herr Möllring, Sie können sicher sein, dass wir so wie in der letzten Wahlperiode unsere Haushaltspolitik mit konkreten Konsolidierungsvorschlägen fortsetzen werden. Wir hoffen, dass Sie davon mehr umsetzen, als die Vorgängerregierung.
Der Volksmund sagt, ein leerer Geldbeutel ist schwerer zu tragen als ein voller.
Wenn das Land unter dieser Last nicht zusammenbrechen soll, dann reicht es nicht aus, hier mit dem großen Latinum zu wedeln. Nach Ihrer Regierungserklärung befürchten wir, dass Sie mit Ihrem Haushaltslatein sehr schnell am Ende sein werden.

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