Rede Stefan Wenzel: Nachtragshaushalt 2007

Anrede,

die Steuereinnahmen sprudeln deutlich stärker als erwartet. Vermutlich fließen dem Land 2007 über 800 Millionen Euro zusätzlich zu. Weniger als die Hälfte wird genutzt, um die Neuverschuldung zu senken. Trotz dieser Mehreinnahmen hat sich die Landesregierung entschlossen, an den Schattenhaushalten festzuhalten. Die Landestreuhandstelle und die Hannoversche Beteiligungsgesellschaft müssen neue Schulden in dreistelliger Millionenhöhe aufnehmen, um indirekt Landesaufgaben zu finanzieren.

Der Rechnungshof hat unlängst im Zusammenhang mit dem Landeshaushalt von einem impressionistischen Gemälde gesprochen.

Was den jetzt vorliegenden Nachtragshaushalt angeht, kann es sich nur um einen Irrtum handeln, denn die einschlägige Fachliteratur spricht davon, dass der Impressionismus "Licht und Schatten ungetrübt wider gibt". Bei Ihnen jedoch ist gar nichts ungetrübt.

Egal wie viele bunte Tupfer Sie jetzt als Wahlkampfpräsente ins Land klecksen: Im Zahlenwerk Ihrer Schattenhaushalte bleibt es duster wie eh und je.

Eines der "100 Meisterwerke" haben Sie, Herr Minister, wieder einmal nicht vorgelegt. Eher ein Schlachtengemälde einer in sich zerrissenen Regierungspolitik, die sich nicht entscheiden kann und will, ob sie sparen oder ob sie spendieren soll. Das Land wird darunter leiden. 

Und den Niedersachsen könnte man auch wünschen: Lieber von Monet gemalt als von Möllring gezeichnet.

Anrede,

wer wissen möchte, wie es um das Land wirklich bestellt ist, für den reicht ein Blick in den Nachtragshaushalt definitiv nicht. Um auch nur ansatzweise eine Vorstellung von der tatsächlichen Finanzlage des Landes zu erhalten, muss die Kreditaufnahme über Schattenhaushalte in den Focus gerückt werden. Dazu kommen nicht ausgeschöpfte Kreditermächtigungen aus den Vorjahren, die sich dem aufmerksamen Betrachter nur auf den zweiten Blick erschließen. Wird hier doch immer noch mit dem euphemistischen Begriff "Rücklage" operiert, obwohl kein vernünftiger Mensch von einer Rücklage sprechen würde, wenn er seinen Überziehungskredit in Anspruch nimmt und so seine Schulden erhöht.

Rasant steigen auch die Ausgaben für die Versorgungsempfänger des Landes. In 20 Jahren müssen hierzu jährlich 1,3 Milliarden Euro mehr aufgewandt werden. Angesichts dieses ungedeckten Schecks ist unverständlich, warum die Versorgungsempfänger zum Ende dieses Jahres mit derselben Steigerung ihrer Versorgungsbezüge beglückt werden sollen, wie die aktiven Beamten. Als Maßstab hätte man hier eher die Steigerung der Rentenbezüge heranziehen müssen. Aber vielleicht geht es mehr um Wahlkampf als um Gerechtigkeit.

Anrede,

die unerwartete Verbesserung der Steuereinnahmen hätte genutzt werden müssen, um das Spiel mit den Rechentricks und verdeckten Verschiebungen zu beenden. Sie Herr Ministerpräsident, konnten aber der Versuchung nicht widerstehen, einen Teil der Mehreinnahmen auf den Wahlkampfhaushalt 2008 zu verschieben und im Übrigen den Eindruck zu erwecken als würde die Neuschuldung über Gebühr zurückgeführt.

Die Fakten sind andere. Auch mit diesem Nachtrag haben wir im Haushalt 2007 eine Unterfinanzierung von ca. 1,5 Milliarden Euro. Die steigenden Pensionslasten sind dabei nicht berücksichtigt.

Anrede,

Das Engagement für die Beitragsfreiheit im dritten Kindergartenjahr ist ein richtiger Ansatz. Die Mehrausgaben werden aber nach dem Prinzip Hoffnung finanziert. Die von uns zum Grundhaushalt vorgeschlagene Gegenfinanzierung, die auch deutliche Verbesserungen im Betreuungsbereich für kleine Kinder ermöglichen würde, will die CDU nicht, weil sie nicht in ihr Weltbild passt. Im Ansatz durchgesetzt hat sich offenbar unsere Idee der Drittelfinanzierung durch Bund, Länder und Kommunen. Problematisch ist nur, dass die große Koalition in Berlin bei der ersten Föderalismusreform hohe Mauern eingezogen hat, die die Unterstützung des Bundes jetzt erschweren.

Beim Küstenschutz sind Sie noch nicht in der Wirklichkeit angekommen. Die Sofortmaßnahmen auf den Inseln sind unbestritten – das muss man machen. Aber der Generalplan Küstenschutz ist noch immer keine Grundlage für konsequentes Handeln, sondern ein Dokument, das die Ignoranz des Umweltministers unter Beweis stellt.

Mittlerweile scheint die Geduld des großen Koalitionspartners mit ihrem so genannten Umweltminister zu schwinden. Mit dem Klimapapier von Juist wird bei der CDU eine neue rhetorische Phase eingeleitet. In der Praxis sind aber bislang nur homöopathische Dosen dieser neuen Politik zur erkennen.

Anrede,

Mund zu Mund Beatmung braucht offenbar der Wirtschaftsminister. Nach der Imagekampagne soll jetzt ein neuer Wahlkampftopf für den FDP-Minister her.

Die neue Stiftung von Herrn Hirche wird zunächst einmal Verwaltungskosten produzieren, die die Erträge des schuldenfinanzierten Stiftungskapitals auffressen. Daher soll es auch weitere 12 Millionen Euro geben, mit denen Herr Hirche schon dieses Jahr übers Land ziehen will, die stammen ebenfalls aus neuen Schulden des Landes.

Und das alles, ohne dass die Kontrolle durch das Parlament gewährleistet ist.

Meine Damen und Herren von der FDP,

sowohl der Rechnungshof als auch der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst haben Ihnen doch gesagt, dass das Kokolores ist. Und im Grunde sehen das die Kolleginnen und Kollegen von der CDU auch so.

Wenn Private eine Stiftung errichten und damit sinnvolle Projekte anschieben, ist das sehr zu begrüßen. Auf einem ganz anderen Blatt stehen die Aktivitäten des Wirtschaftsministers, der Schulden aufnehmen will, um eine Stiftung zu errichten, die anschließend der Kontrolle des Parlaments entzogen wird.

Wenn Sie, Herr Hirche, behaupten, dass Sie Innovationen fördern wollen, fragt man sich, warum Sie das in den letzten vier Jahren nicht getan haben. Warum Sie eine Skihalle in der Heide mit 5 Millionen Euro fördern, obwohl das Projekt Stand der Technik, aber weis Gott kein innovatives Highlight ist und in Nordrhein Westfahlen auch ohne Fördermittel von Privaten realisiert wurde. Man fragt sich, weshalb ausgerechnet eine Bavaria Alm im Harz mit Steuergeld gefördert werden muss. Als Beitrag für die touristische Corporate Identity des Harzes?

Anrede,

wir haben im Dezember letzten Jahres unsere haushaltspolitischen Änderungsvorschläge für das Jahr 2007 umfassend dargestellt und zu den von uns gewünschten Mehrausgaben auch Finanzierungsvorschläge unterbreitet.

Niedersachsen ist noch lange nicht raus aus der Schuldenfalle. Das wissen Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, ganz genau. Aber Sie haben offenbar das Gefühl, dass man den Menschen vor Wahlen nicht so viel Offenheit und Ehrlichkeit zumuten kann. Ehrlichkeit ist anstrengend. Sie haben sich mit diesem Nachtragshaushalt nicht angestrengt.

Und es wird noch schlimmer kommen:

Dieser Nachtrag ist ja nur der erste Probelauf für das, was uns im Herbst mit dem offiziellen Wahlkampfhaushalt 2008 ins Haus steht.

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