Rede: Stefan Wenzel: Konsequenzen aus dem Klimagipfel in Kopenhagen ziehen: Niedersachsen muss endlich eigene Klimaziele festlegen und handeln!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Ende der Klimakonferenz in Kopenhagen hatte so wahrscheinlich niemand erwartet. Trotz pessimistischer Stimmen im Vorfeld kam es dann noch viel schlimmer als erwartet. Am Ende kam eine Schlussrunde zusammen, in der die Europäische Union noch nicht einmal mehr als Gesprächspartner am Tisch saß. Weder Herr Barroso noch die Bundeskanzlerin noch irgendein anderer Staatschef der Europäischen Union hat daran teilgenommen. Das Ergebnis wurde vom Plenum des Klimagipfels nicht beschlossen, sondern lediglich zur Kenntnis genommen - in meinen Augen ein Desaster angesichts der Herausforderung, vor der wir stehen.

Wir wissen ? da ist sich die Wissenschaft erstaunlich einig ?: Wenn es nicht zu konsequentem Handeln kommt, dann lässt sich die Erderwärmung nicht auf 2° C gegenüber vorindustriellen Zeiten begrenzen. Damit drohen weitgehende Veränderungen des Klimas, die Nahrungsgrundlagen, Wohnungen und Wohlstand von einem Viertel der Menschheit bedrohen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Am Ende wird das zu weiteren einschneidenden Folgen für die soziale Situation in vielen Ländern führen. Das wird aber auch bei uns ganz direkte Auswirkungen auf die Landwirtschaft, auf den Küstenschutz und viele andere Bereiche haben.

Was tun? Was tut man in einer solchen Situation, in der sich die globale Handlungsebene als unfähig erwiesen hat? Warten auf den nächsten Gipfel? Abwarten, ob beim nächsten Gipfel mehr herauskommt? - Das wäre eine Option, eine Strategie. Warten, ob beim nächsten Mal mehr herauskommt als der kleinste gemeinsame Nenner? Warten, ob Länder wie China oder die USA beim nächsten Mal zu mehr bereit sind?

Nein, meine Damen und Herren, ich glaube nicht, dass Abwarten eine vernünftige, zielführende Strategie ist. Deshalb hat meine Fraktion diesen Antrag zu Papier gebracht. Ich glaube, dass wir in unserem eigenen unmittelbaren Verantwortungsbereich handeln müssen. Dort, wo wir Verantwortung tragen können, wo wir Einfluss haben, müssen wir handeln, und zwar jetzt, heute und in naher Zukunft.

Ich glaube auch, dass es notwendig ist, dass wir eine Vorreiterrolle einnehmen. Diejenigen, die handeln können und wollen, sollen jetzt auch damit beginnen. Sie sollen sich Ziele setzen. Dabei ist an allererster Stelle das Land Niedersachsen gefragt.

(Unruhe)

Wir dürfen nicht nur vom Bund oder von irgendwelchen anderen Leuten fordern, dass sie die Klimaziele erfüllen, sondern wir müssen uns ? ? ?

Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren, der Umweltminister des Landes Niedersachsen hat in der letzten Plenarsitzung gesagt, dass er erst in zwei Jahren Klimaziele festsetzen will. Wir sind der Auffassung, der Landtag sollte das so schnell wie möglich tun, und zwar möglichst im nächsten Plenum.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wollen, dass sich das Land zum Ziel setzt, die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2020 um 40 % und bis zum Jahr 2050 um 95 % zu senken. Wir wollen, dass das Land alle rechtlichen Möglichkeiten nutzt, die es hat, um dieses Ziel zu realisieren.

Wir wollen, dass die Landesregierung möglichst rasch ein Klimaschutzprogramm vorlegt. Deutschland und auch Niedersachsen sind in einer Pole Position mit Blick auf die Technologien von morgen. Wir haben schon auf vielen Feldern die Marktführerschaft erreicht. Diese gilt es zu verteidigen und auszubauen.

Woran müssen wir unser Handeln messen? Handeln oder nicht handeln, was ist letztlich besser für das Klima? Handeln oder nicht handeln, was ist besser für die Wirtschaft? Handeln oder nicht handeln, was ist besser für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Niedersachsen? - Ich sage Ihnen ganz deutlich: Ich bin der festen Überzeugung, das Festhalten am Alten, das Konservieren der alten Strukturen ist eine Loser-Strategie. Das ist wirtschaftspolitisch eine Loser-Strategie, das ist für unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine Loser-Strategie, und das ist insbesondere für das Klima und für die Umwelt fatal, für die Rahmenbedingungen, unter denen wir uns heute bewegen.

Zunächst zur Situation einer Kyoto-Regelung mit Folgevertrag: Das wäre der Fall, wenn es in einem halben oder in einem Jahr gelingen würde, auf der globalen Ebene einen Nachfolgevertrag zu beschließen. Dann wäre mit steigenden Emissionshandelspreisen, mit steigenden Preisen für Verschmutzungsrechte zu rechnen. In dieser Situation sind in jedem Fall diejenigen im Vorteil, die schon vorher in klimaschonende Technologien investiert haben, die schon vorher in Energieeffizienz investiert haben. Das ist die eine Möglichkeit.

Die andere Möglichkeit ist: Die Weltgemeinschaft kann sich nicht auf einen Folgevertrag bzw. nicht auf einen Folgevertrag, der wirklich Substanz hat, verständigen. Dann, meine Damen und Herren, tritt ein anderer wirtschaftspolitischer Effekt ein. Dann werden die Energiepreise nämlich noch deutlich schneller steigen, als sie jetzt schon steigen, weil wir bei wichtigen Rohstoffen, bei den Lagerstätten schlicht und einfach an die Fördermaxima kommen, weil wir dort am Ende sind und keine Steigerung mehr möglich ist. Das gilt im Übrigen auch für Uran - das sage ich für all die Freunde, die glauben, sie könnten sich von der Erde abkoppeln und mit Atomkraft in den Weltraum beamen. Die Energiepreise werden dann noch schneller steigen.

Deshalb gilt für beide Fälle, meine Damen und Herren: Investitionen in Energieeffizienz, in Energieeinsparung, in Ressourcenschutz und erneuerbare Energien sind auch in einer Welt ohne ein globales Abkommen eine Gewinnerstrategie. Deshalb sage ich ganz deutlich: Diejenigen, die jetzt Angst vor eigenem Handeln haben, weil sie meinen, sie kämen dann wettbewerbspolitisch oder wirtschaftspolitisch ins Hintertreffen, sind schlicht und einfach auf dem falschen Dampfer.

(Zustimmung von Christian Meyer [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, deshalb müssen wir jetzt voranschreiten, uns eigene Klimaziele setzen, ein eigenes Klimaschutzprogramm auflegen und anfangen.

Ich habe allerdings Zweifel, ob sich Herr Wulff und Herr Sander die Mechanismen des Emissionshandels und die Mechanismen und Kräfte, die dabei wirtschaftspolitisch wirken, wirklich bewusst gemacht haben. Auch der Agrarminister, der bezeichnenderweise bei dieser Debatte nicht dabei ist, setzt überhaupt keine Impulse, obwohl Herr Ehlen als Agrarminister beim Klimaschutz ganz vorne mit dabei sein muss, wenn es darum geht, unsere Wirtschaft und unsere Lebenssituation zukunftsfähig aufzustellen. Da muss die Agrarpolitik liefern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Herr Sander, Sie erwähnen in diesem Zusammenhang immer gerne die von Ihnen eingerichtete Klimaschutzkommission. Es ist Ihre Generalausrede, dass sie noch arbeiten muss und irgendwann Vorschläge vorlegt. Aber, meine Damen und Herren, das ersetzt nicht eigenes Handeln dieser Landesregierung, dieses Ministerpräsidenten. Sie dürfen die Klimaschutzkommission nicht als Feigenblatt für Ihr Nichthandeln in Niedersachsen benutzen. Gehen wir jetzt voran! Ich hoffe, dass wir angesichts der Rahmenbedingungen auch Unterstützung von den anderen Fraktionen erhalten.

Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

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