Einsetzung eines 20. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses:Rede Stefan Wenzel: JadeWeserPort

Anrede,

in der Tageszeitung von gestern wird der Ministerpräsident mit den Worten zitiert: "Im Untersuchungsausschuss hat sich gezeigt, wie bei der Vergabe gezerrt und gezurrt wurde. Das hat mir gezeigt, wie klug es war, dass ich und der Wirtschaftsminister Hirche sich da herausgehalten haben. Eine bemerkenswerte Aussage, finden Sie nicht auch?

Herr Ministerpräsident, Sie haben sich ein Urteil eingefangen: Das  Vergabeverfahren zum JadeWeserPort war nicht korrekt. Das ist amtlich.

Da ist nicht nur ein bisschen gekungelt worden. Da wurde gelogen und betrogen, da wurde verleumdet, es wurden Richtlinien missachtet, Regeln gebrochen, es wurde korrumpiert und es wurden Leute denunziert und entlassen.Das nennen Sie "Gezerre"?

Das war kein "Gezerre", das war Rechtsbeugung! Das ist strafverdächtig!

Und was noch schlimmer ist: Von all dem haben Verantwortliche der Landesregierung gewusst oder waren daran beteiligt. Und Ihnen fällt nichts Besseres ein, als sich selbst dafür zu loben, dass Sie "sich da rausgehalten" haben. Das ist doch ein schlechter Witz.

Herr Wulff, Sie sind mittendrin. 

Das ist Ihr Hafenprojekt. Das ist Ihr Staatssekretär, Ihr Aufsichtsratsvertreter, der kräftig reingefingert hat in das ganze Unternehmen. Und das ist Ihr Minister, der letztlich die politische Verantwortung für alle Entscheidungen trägt. Theoretisch zumindest.

Weil praktisch will er ja auch wieder mal von nichts gewusst haben.

Das kennen wir schon: Egal ob in den achtziger Jahren in Niedersachsen, in den neunziger Jahren in Bonn und in Brandenburg oder im neuen Jahrtausend in Hannover - egal welches Projekt unter der Regie dieses Ministers in den Sand gesetzt worden ist (und das waren etliche): Walter Hirches Name war immer Hase. Er wusste von nichts.

Und Herr Wulff wusste schon von ganz und gar nichts. Der ist nämlich klug. Der hält sich da raus.

Sich aus allem raushalten. Ich muss schon sagen: ein merkwürdiges Prädikat für einen Regierungschef.

Vor allem für einen, der bei seinem Amtsantritt versprochen hat, dass er für  Verlässlichkeit, Klarheit, Wahrheit, Klugheit und Entschiedenheit steht.

Für einen, der versprochen hat (Zitat) auf keinen Fall einen Regierungsstil fortzusetzen, "Entscheidungen vom Parlament weg zu verlegen, um sich nicht selbst der Kritik zu stellen."

Sie wollten doch noch nicht einmal einen Untersuchungsausschuss.

Sie haben doch vor drei Monaten hier noch behauptet, in Wilhelmshaven ist alles in Butter.

Sie halten sich für schlau, weil Sie sich rausgehalten haben.

Fünf Jahre haben Sie hier eine Menge Erklärungen abgegeben. Mit elf Regierungserklärungen haben Sie uns die Zeit geraubt. Fast jeder aus dem Kabinett durfte mal zu diesem und mal zu jenem Thema reden.

Aber wehe, wenn es dramatisch wurde. Dann schien es Ihnen klüger, sich da rauszuhalten.

Herr Ministerpräsident, was war von Ihnen zu hören zu VW, zu Airbus, zum Transrapid, zu den fünf verfassungswidrigen Gesetzen.

Und dann  zum Urteil des Oberlandesgerichts zum JadeWeserPort?

Sie haben in Talkshows beklagt, dass Führungskräfte keine Vorbilder sind.

Sie waren immer vorne dabei, wenn im Fernsehen die Kartelle, Seilschaften und Beziehungsgeflechte gerügt wurden.

Angesichts Ihres eigenen Verhaltens ist das doch ein Hohn, was Sie da geschwätzt haben.

Mag sein, dass Sie sich nicht persönlich die Finger schmutzig gemacht haben.

Aber das sage ich Ihnen: eine weiße Weste haben Sie deshalb noch lange nicht.

Und die wird noch schmutziger, wenn Sie das jetzt durchgehen lassen, wenn Sie weiter Ihre schützende Hand über den Minister und den Staatssekretär halten. Ihre Amtszeit wird in die Geschichte eingehen, als die Zeit, in der für verfassungswidrige Gesetze und unsaubere Geschäfte keine politische Verantwortung übernommen wurde.

Und als die Zeit, in der es als klug galt, wenn man sich lieber aus allem raushält.

Wissen Sie: sich aus allem rauszuhalten, ist meiner Meinung nach eine Kapitulationserklärung für die Politik. Für einen Ministerpräsidenten allemal!

Von Kant stammt der Satz: "Das Recht muss nie der Politik, wohl aber die Politik jederzeit dem Recht angepasst werden."

Es ist wohl eine bittere Ironie der Geschichte, dass von einem niedersächsischen Kabinett, in dem so viele Juristen ein politisches Amt übernommen haben, und das von einem Rechtsanwalt geleitet wird, so wenig Achtung für dieses Prinzip aufgebracht wird.

Und noch bitterer ist es, dass ein Ministerpräsident, der so gern und so oft John F. Kennedy und Martin Luther King zitiert hat, und der Nelson Mandela als sein Vorbild bezeichnet, so wenig Mumm aufbringt, einen Fehler als einen Fehler zu bezeichnen und dafür zu sorgen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.

Herr Wulff, schlimm genug, dass  das Missmanagement Ihrer Leute das Land politisch und materiell geschädigt hat.

Noch schlimmer ist es, dass Sie mit Ihrem Verhalten auch noch der politischen Kultur in diesem Land einen schweren Schaden zufügen.

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