Rede Stefan Wenzel: Gegen die Wand: Schwarz-Gelbe Atompolitik stoppen!

Anrede,

seit mehr als 30 Jahren spaltet der Konflikt um die Folgen der Produktion von Atomstrom unsere demokratisch verfasste Gesellschaft. Mit dem von der Bundesregierung geplanten Ausstieg aus dem Atomausstieg droht diesem Konflikt eine neue Dimension.

Seit vielen Jahrzehnten hat die Gefahr einer Kernschmelze in einem Atomreaktor, die Gefahr der Weiterverbreitung von atomwaffenfähigem Material, die ungelöste Endlagerfrage und die Strahlengefährdung im so genannten Normalbetrieb zu tief greifenden gesellschaftlichen Konflikten geführt:

Anrede,

Herr Wulff, Herr Sander, angesichts von zwei CDU/FDP-Regierungen in Berlin und Hannover sind Sie offenbar der Auffassung, dass der Moment jetzt günstig ist, um Gorleben durchzusetzen. Gleichzeitig ärgern sie sich, dass der ehemalige Bundesumweltminister Gabriel den Standort Gorleben für tot erklärt hat. Herrn Sander gehen mal wieder alle Pferde durch, wenn er den Präsidenten des Bundesamtes für Strahlenschutz in Frage stellt, obwohl dieser gute Arbeit geleitstet hat und Herr Sander als Chef der Planfeststellungsbehörde eigentlich Objektivität wahren müsste.

Das ist die Lage: Scheinbar einfach und doch viel schwieriger als von Ihnen erwartet. Nach den Erfahrungen in der Asse ist zweifelhaft, ob es auf der Welt Orte gibt, die für mehr als eine Million Jahre keinen Kontakt zur Biosphäre haben. Deshalb müssen wir ein Endlager-Suchverfahren einleiten, das nach menschlichem Ermessen die größtmögliche Sicherheit für eine verantwortbare Lösung bietet.

Offenbar ist bei Ihnen die Versuchung groß, in alte Muster zurückzufallen: Willfährige Wissenschaftler und Beamte einzusetzen und einfach zu exekutieren. So konnte man vielleicht in den siebziger und achtziger Jahren noch handeln. Heute wird es nicht mehr gelingen europäisches und deutsches Umweltrecht zu beugen und das Atomgesetz zu missachten. Ohne ein objektiv rechtsstaatliches Vorgehen, dazu gehören verpflichtende öffentliche Beteiligungsverfahren und Klagerechte, werden Sie scheitern. [i]

Anrede,

der Standort Gorleben ist verbrannt. Er ist 1976/1977 innerhalb weniger Monate aus politischen Gründen und gegen den Rat von maßgeblichen Geologen und damals vorliegenden Gutachten ausgewählt worden. Die Ergebnisse der zwischen 1972 bis 1976 von der KEWA im Auftrag des Bundes durchgeführten vergleichenden Standortauswahl, bei der Gorleben früh ausschied und nicht in die engere Auswahl kam, wurden nicht berücksichtigt. Bereits angelaufene Eignungsuntersuchungen wurden 1976 abgebrochen.

Die Geologie des Salzstocks Gorleben weist schwere Mängel auf. Wichtige geologische Gutachten wurden offenbar manipuliert, um eine Eignung vorzutäuschen. Andere kritische Gutachten wurden ignoriert. Für Errichtung und Erkundung eines Endlagers notwendige Grundstücke stehen entweder gar nicht oder nicht dauerhaft zur Verfügung.

Die vom niedersächsischen Umweltminister vorgeschlagene Begleitgruppe für den von der Bundesregierung beabsichtigten Weiterbau in Gorleben ist in keiner Weise geeignet diesem Standort zur Akzeptanz in der Bevölkerung zu verhelfen. Im Gegenteil:

Dieser Vorschlag ist ein Affront. Sie Herr Minister Sander haben sich längst festgelegt. Auch aus der CDU gibt es zu viele Stimmen, die nur noch Fakten schaffen wollen. Vor diesem Hintergrund nimmt man weder Frau Merkel, noch Herrn Wulff ab, dass es um ein ergebnisoffenes Verfahren geht. Sie wollen die Bürgerinnen und Bürger nur als Feigenblatt für eine Entscheidung, die für Sie längst gefallen ist.

Anrede,

Sie laufen mit Ihrem Vorhaben gegen die Wand. Das Schlimme an Ihrem Vorgehen ist, dass schon heute klar ist, dass Sie am Ende scheitern,

  • weil es keinen gesellschaftlichen Konsens gibt,
  • weil es keinen parteiübergreifenden Konsens gibt,
  • weil es keinen Konsens über Wahlperioden hinweg gibt und
  • weil Sie dauerhaft 10.000 zusätzliche Polizisten bräuchten, wenn Sie rund um das Wendland befestigte Lager wie Kleinbonum[1], Aquarium, Laudanum und Babaorum bauen müssten - nur um den Status quo zu wahren.

Dabei wissen Sie ganz genau: Die Römer und Ihre Schergen von RWE, EON, ENBW und Vattenfall werden niemals gewinnen!

Anrede,

zu befürchten ist daher, dass es erneut vier verlorene Jahre geben wird, wenn Sie nicht einlenken. Damit vertiefen Sie die gesellschaftliche Spaltung in einer Zeit beispielloser Herausforderungen durch Klima-, Finanz- und Wirtschaftskrise.

Wohl nie zuvor in der Geschichte der Menschheit haben Menschen ihren Kindern und Kindeskindern eine solch tödliche Zeitbombe hinterlassen.

Eine High-Tech-Industrie-Branche, eine staatliche Atom-Administration und eine große nukleare Wissenschafts-Community, die seit 50 Jahren Atomkraftwerke betreibt, hat bei ihrem Vorzeigeprojekt Asse, dem Versuchsendlager für Gorleben, eine gandenlose Bauchlandung hingelegt.

Und das soll ohne Konsequenzen bleiben?

Sie müssen Gorleben aufgeben. Sie müssen einen Neuanfang wagen. Sie brauchen breitere Mehrheiten – gesellschaftlich und parlamentarisch – um Lösungen zu erzielen, die längere Zeiträume überdauern.

Daran führt kein Weg vorbei!

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