Rede Stefan Wenzel: Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2006

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Anrede,
Ehrlichkeit hat etwas mit Ehre zu tun, Herr Wulff. Wie ist es um Ihre und die Ihres Finanzministers tatsächlich bestellt? Sie behaupten, die Neuverschuldung gegenüber dem Vorjahr zu senken. Was ist aber wirklich passiert? Diese Landesregierung nimmt im Jahr 2005 über Schattenhaushalte 600 Millionen Euro zusätzliche neue Kredite auf, die nicht im Haushaltsplan offiziell als Nettokreditaufnahme ausgewiesen sind. Die Neuverschuldung wird in Niedersachsen in diesem Jahr nicht gesenkt, sondern steigt gegenüber dem Vorjahr an. Trotz Verfassungswidrigkeit, trotz Rekordverschuldung, trotz anders lautender Wahlversprechen und trotz der Kürzungen beim Weihnachtsgeld, bei den Blinden und bei den Hochschulen.
Herr Wulff,
Sie täuschen die Menschen in Niedersachsen über das wahre Ausmaß der Verschuldung.
Ehre wem Ehre gebührt. Ihnen gebührt Sie nicht!
Anrede,
für 2006 legt die Landesregierung uns jetzt einen Haushaltsentwurf vor, der im Wesentlichen aus zwei Komponenten besteht:
- Neuen Schulden, zusätzlich auch wieder über die bekannten Schattenhaushalte
- das Tafelsilber wird verkauft. Um die Haushaltslöcher zu stopfen muss über "Vermögensaktivierungen" fast eine Milliarde Euro aufgebracht werden.
Für 433 Mio. Euro müssen Darlehensrückflüsse der Landestreuhandstelle zur Haushaltsdeckung verkauft werden. Das führt zu Folgekosten, da die Verpflichtungen aus Wohnungsbauprogrammen in den nächsten Jahren den Landeshaushalt belasten werden.
Die Landeskrankenhäuser sollen en bloc verscherbelt werden, um das Haushaltsloch 2006 zu kitten. Damit greift der Finanzminister jenseits jeglicher Fachkenntnis in die psychiatrische Versorgung und den Maßregelvollzug ein. Eine Privatisierung des Maßregelvollzuges würde vermutlich zukünftig zu höheren Haushaltsbelastungen führen. Das ist finanzpolitischer Irrsinn.
Auch die Domänenverkäufe müssen erneut zur Haushaltsdeckung herhalten,
und dann wird noch eine vermeintliche Rücklage aus dem Jahresabschluss 2004 verbraucht. In Wirklichkeit handelt es sich um Nord/LB-Geld aus der nachträglichen marktgerechten Verzinsung des Förderkapitals der Landestreuhandstelle.
Nur etwas mehr als 1 Prozent der Deckungslücke, die trotz Neuverschuldung im Haushalt 2006 klafft, hat diese Landesregierung über Einsparungen geschlossen. Wer dann noch behauptet - Niedersachsen setze den Konsolidierungskurs konsequent fort - der ist nicht ehrlich und auch noch mutlos.
Anrede,
sind die strukturellen Reformen zur Sanierung des Landeshaushaltes bereits abgeschlossen? Hat das Land soviel Vermögen, dass auf diesem Wege eine Sanierung möglich ist? Ist der Staatsbankrott schon abgewendet? Mitnichten.
Die Erklärung für diesen Haushaltsentwurf ist viel einfacher: In vier Tagen ist Wahltag. Da haben Sie das Fracksausen gekriegt. Ehrlichkeit gibt es wenn überhaupt nur noch in kleinsten Häppchen. Im nächsten Jahr ist Kommunalwahl. Werden Sie da furchtloser sein? Wohl kaum. Und vor der Landtagswahl? Sind Sie dann noch unerschrockener? Kaum zu erwarten!
Weitere Reformen bei der Beihilfe? Fehlanzeige! Kreis und Regionalreform? Fehlanzeige! Reform im Bereich der Versorgungskosten? Auch hier stehen Sie auf der Bremse. Das Versorgungsnachhaltigkeitsgesetz, das die Veränderungen in der Rentenversicherung auf den Bereich der Beamtenversorgung übertragen sollte, haben Sie im Bundesrat blockiert. Lebensarbeitszeit? Nur Sprücheklopferei! Sie pensionieren 50jährige Beamte, 25 Jahre Arbeit und 35 Jahre Ruhegeld – das hält kein Gemeinwesen aus.
Und was passiert auf der Einnahmeseite? Nach der langjährigen Bundesratsblockade drohen jetzt Kirchhof-Chaos, Merkel-Murks und die Länderborniertheit der CDU-Ministerpräsidenten. Hier wird das Chaos komplett. Was gilt denn nun eigentlich?
Das Wahlprogramm der CDU
Die Kirchhof - Vision
Das Gerede der Ministerpräsidenten,
oder kommt wieder der Bierdeckel von Merz auf den Tisch?
Kirchhof will die Eigenheimzulage abschaffen, die CDU damit ihre Wahlversprechen finanzieren – die Ministerpräsidenten stimmen just in der letzten Woche gegen die Abschaffung der Eigenheimzulage. Kirchhof will die Pendlerpauschale abschaffen. Die CDU will sie kürzen, um den Spitzensteuersatz zu senken. Die Ministerpräsidenten wollten bis vor kurzem alle steinigen, die so was auch nur gedacht haben. Die Steuern auf Benzin sollen runter und dann wieder rauf mit der Mehrwertsteuer.
Die CDU fährt steuerpolitisch Achterbahn – mal wird dir schlecht, mal willst du noch mal fahr’n.
Anrede,
erst war Kirchhof der Held. Der Rächer der Mutlosen. Einer für alle. Für CDU und FDP. Jetzt hat er Redeverbot! Die FDP hat ihn auf ihrem Parteitag am Wochenende nicht einmal mehr namentlich erwähnt.
Und Sie Herr Wulff,
Sie bringen jetzt im Kampf um die Umfragewerte Merkels Widersacher, den Westentaschen-Kirchhof, Herrn Merz erneut ins Spiel. Aber worum geht es in der Sache? Es geht um die Kirchhofsche-Streichliste, die nicht vorgezeigt werden darf!
Was steht denn nun auf dieser Liste?
Der Sparerfreibetrag?
Der Behindertenpauschbetrag?
Die Übungsleiterpauschale?
Der Pflegepauschbetrag?
Die Absetzbarkeit von Ausbildungskosten?
Die Absetzbarkeit von Betriebskindergärten?
Die Besteuerung des Arbeitslosengeldes I?
Sind das alles überflüssige "Subventionen" Herr Wulff? Ja oder nein – soviel Ehrlichkeit kann man vor der Wahl erwarten.
Anrede,
egal ob Kirchhof oder Merz, die Vorschläge sind unsozial und kommen die öffentlichen Haushalte teuer zu stehen und wir diskutieren heute den Landeshaushalt 2006.
Zunächst muss ich feststellen, dass Minister Möllring selbst nicht an einen Wahlsieg der Union, nicht an die eigenen Wahlversprechen und ihre Wirkung auf das Wirtschaftswachstum glaubt. Sonst hätte er die Wachstumsprognosen in der Mittelfristigen Finanzplanung nicht nach unten korrigiert. Aber das nur am Rande.
Es gibt zwei potenzielle Wirkungen des CDU/Kirchhoff-Programms. Beide würden zu drastischen Einnahmeausfällen im Haushalt des Landes Niedersachsen führen.
Der Steuerausgleich für die Finanzierung der für Chefärzte und Krankenschwestern gleich hohen Kopfpauschale soll würde das Land Niedersachsen Unsummen kosten.
Auch Kirchofs flat-tax - gleiche Kopfsteuersätze für Schichtarbeiter und Manager - würde das Land Unsummen kosten.
Da bliebe nur die von Frau Merkel angekündigte höhere Mehrwertsteuer. Merkel will die Einnahmen für die Senkung der Lohnnebenkosten, aber die Begehrlichkeiten der CDU-Ministerpräsidenten sind groß und auch in Niedersachsen gibt es nach Zeitungsberichten "Neue Verwirrung um die Mehrwertsteuer".
Jenseits der Frage was mit den Einnahmen aus der höheren Mehrwertsteuer geschieht, bleiben die grundsätzlichen Probleme. Die höhere Mehrwertsteuer belastet ohne jeden Ausgleich Arbeitslose, Studierende und Rentner. Gleichzeitig würde die Mehrwertsteuer voll auf die Konjunktur durchschlagen, würde die Kaufkraft dämpfen. Das Statistische Bundesamt hat nachgewiesen, dass bei der von der CDU geplanten Mehrwertsteuererhöhung die Inflationsrate um fast 1% steigen würde. Der Einzelhandelsverband befürchtet einen deutlichen Kaufkraftverlust und appelliert eindringlich an die Union auf die Mehrwertsteuererhöhung zu verzichten. Auch den Handwerkern würde das Leben schwer gemacht, weil der Anreiz zur Schwarzarbeit größer würde.
Anrede,
Sie haben kein Konzept – nicht für den Bund und nicht für das Land.
Jetzt sind Sie in Niedersachsen seit 30 Monaten im Amt. Das ist keine lange Regierungszeit, es gibt aber schon einen deutlichen Negativtrend:
Die Arbeitslosigkeit bei jungen Menschen unter 25 Jahren ist in Niedersachsen im letzten Jahr um 41% gestiegen, stärker als in allen anderen Bundesländern.
In Niedersachsen meldeten im ersten Halbjahr dieses Jahres 11% mehr Unternehmen Insolvenz an als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Bundesweit ist die Zahl der Unternehmenspleiten dagegen rückläufig.
Die Armutsquote ist in Niedersachsen doppelt so stark wie im Bundesdurchschnitt gestiegen.
Zehn bis fünfzehn Prozent der Schulabgänger in Niedersachsen haben keinen Schulabschluss.
Den Hochschulen werden mit dem so genannten "Zukunftsvertrag" bis zum Jahr 2010 staatliche Mittel in Höhe von 160 Millionen Euro entzogen, was dann die Studierenden mit den Studiengebühren ausgleichen müssen.
Zur Umweltpolitik der Landesregierung hat der Landesvorsitzende des Naturschutzbundes letzten Samstag erklärt: "Es gibt erhebliche Probleme in etlichen Bereichen".
Und in Sachen Finanzen wird der Ministerpräsident, Herr Wulff, mit diesem Haushalt 2006 zum größten Schuldenkönig in der Geschichte des Landes Niedersachsen.
Herr Wulff,
Sie hätten mehrfach die Gelegenheit zur Kooperation mit dem Bund gehabt. Sie haben Entlastungsvorschläge im Umfang von mehr als 17 Milliarden Euro abgelehnt. Sie haben bei solchen Entscheidungen die Interessen Ihrer Partei vor die Interessen der Menschen des Landes gestellt.
Angesichts der Tatsache, dass der Haushalt noch immer verfassungswidrig ist und laut Ihrer Mittelfristigen Planung jetzt sogar bis 2009 verfassungswidrig bleiben soll, wird auch eine Klage vor dem Staatsgerichtshof zu prüfen sein. Wir werden prüfen, ob man die Landesregierung auf diesem Wege zwingen kann die Sparvorschläge des Bundes konstruktiv aufzugreifen, um eine extreme Neuverschuldung zu unterbinden und Kürzungen bei den Ärmsten der Armen – Blinden, Obdachlosen und psychisch Kranken zu verhindern.
Herr Wulff, die Menschen erkennen mehr und mehr: Eine schlechtere Regierung kann keine bessere Politik machen.
Schwarz wählen und sehen kommt teuer zu stehen.



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