Rede Stefan Wenzel: Energiewirtschaft muss auf Effizienz setzen: Klimakiller Kohlekraftwerke in Niedersachsen stoppen

Anrede,

die Deutsche Energieagentur "dena", die zur Hälfte von der Stromwirtschaft finanziert wird, hat sich in den letzten Wochen als neue Propagandaabteilung der "großen Vier" entpuppt.

Die von RWE, EnBW, Vattenfall und E.ON erfundene "Stromlücke" findet sich jetzt auch in einer Kurzanalyse der dena wieder. Bei genauerer Prüfung dieser Analyse stellt man aber fest, dass es sich bei der "Stromlücke" wohl er um eine "Stromlüge" handelt. Merkwürdige Annahmen, unvollständige und erklärungsbedürftige Daten zum Kraftwerkspark führen sehr schnell zu der Frage. Wem nützt es?

Derweil kommt das Umweltbundesamt in einer eigenen Studie vom März 2008, die auf einem wesentlich breiteren Datensatz basiert, zu ganz anderen Schlüssen. Die Versorgungssicherheit ist nicht in Gefahr.

Der UBA-Präsident Troge, mit seinem CDU-Parteibuch ein eher unverdächtiger Kronzeuge, äußert sich sehr deutlich in der "Zeit" vom 3. April 2008 und sagt mehr als deutlich, dass die so genannte "Stromlücke" von "interessierter Seite" benutzt werde, um der Öffentlichkeit "einzureden", dass uns der Strom ausgehe. Troge kommt zu anderen Erkenntnissen und geht davon aus, dass wir 2020 auch ohne Atomkraft und ohne die Planung neuer Kohlekraftwerke zu den Stromexporteuren gehören werden.

Auch die Deutsche Umwelthilfe zeigt in ihrer Analyse, dass die Stromlücke lediglich Teil einer neuen Propagandaoffensive der großen Monopolisten ist.  Diese großen Monopolisten haben ihre Marktmacht in den letzten Jahren schamlos ausgenutzt. Jetzt haben sie sich im Verbund mit den Kraftwerksbauern gerüstet, um das Erneuerbare Energiengesetz sturmreif zu schießen und den Atomkonsens zu kippen. Dabei scheut man keine Kosten und Mühen:

  • Die Kraftwerksparte von Siemens hat viele Millionen Euro in Bestechung und Korruption investiert.
  • 2005 und 2006 hat allein E.ON den beiden großen Parteien mindestens 550.000 Euro gespendet.
  • EnBW hat Politiker vor der WM in Deutschland mit teuren Tickets für die Fußballweltmeisterschaft versorgt.
  • Eine E.ON Tochter hat Landräte und Bürgermeister in Nordhessen und Südniedersachsen mit Venedigreisen bestochen, wofür diese rechtskräftig verurteilt wurden.

Das sind die öffentlich bekannten Fakten. Ich fürchte allerdings, dass es nur die Spitze des Eisberges ist.

Was mich umso mehr stört ist die Tatsache, dass Parteien, die hier immer von Wettbewerb und Marktwirtschaft reden, nichts unversucht lassen, um diesen Monopolstrukturen Futter zu geben.

Anrede,

was Sie, Herr Wulff, in Niedersachsen planen, das Land der neuen Kohlekraftwerke, ist ein Subventionsprogramm für die großen Stromversorger. Damit würden die Pfründe für die nächsten 50 Jahre gesichert. Was die Sache verdächtig macht ist die Tatsache, dass sie nicht der effizientesten Technologie den Vorzug geben, sondern einer Technologie, die den Energie-Input nur sehr unzureichend in Strom umwandelt. Die Wärme soll in die Flüsse und Meere eingeleitet werden. Die zentralistische Versorgungsstruktur bliebe erhalten. Was treibt Sie?

Ich habe noch kein überzeugendes Argument gehört. Deutschland würde sich lächerlich machen, wenn wir Kohlekraftwerke bauen und dem Rest der Welt was von Klimaschutz erzählen wollen.

Wenn Sie demnächst Vorträge in China halten Herr Wulff, sollten Sie auch dazu sagen, dass die größten Umweltverschmutzer immer noch in Europa und Nordamerika wohnen. Das müssen wir ändern und das können wir ändern.

Anrede,

die Bürgermeister der sieben Inselgemeinden, der Bürgermeister von Emden, die IHK im Nordosten und viele tausend Bürgerinnen und Bürger, die sich in den letzten Monaten in Bürgerinitiativen von Dörpen, Wilhelmshaven, Stade und Emden engagierten, haben Ihnen Eines ins Stammbuch geschrieben, Herr Wulff.

Bauen Sie keine neuen Kohlekraftwerke!

Setzen Sie auf moderne Technologie. Warum wollen Sie mit dem Kühlwasser dieser Kraftwerke Ems und Elbe, Jade und Nordsee heizen?

Das warme Wasser kann viel besser zum Heizen, zum Baden, zum Waschen, zum spülen oder für Kältemaschinen verwendet werden. Das ist so simpel, dass selbst Klein-Fritzchen seine Freude daran hätte.

Wir müssen die Kraftwerke dort bauen, wo die Menschen wohnen. Immer angepasst an den örtlichen Wärme und Strombedarf. Hinter dem Zauberwort Kraft-Wärme-Kopplung steht ein ganz einfaches Prinzip:

  • Höchste Effizienz,
  • betriebswirtschaftliche Vernunft,
  • volkswirtschaftlicher Nutzen,
  • umweltpolitischer Sachverstand,
  • mittelständische Produzenten und
  • regionale Wertschöpfung.

Das ist Zukunft. Das sind Projekte, die sich zu virtuellen Kraftwerken vernetzen lassen - zusammen mit Windkraftanlagen, Photovoltaik, Geothermie, Bioenergie und Wasserkraft.

Anrede,

dagegen steht das Modell Wulff: Das Land der neuen Kohlekraftwerke.

  • Technik – letztes Jahrtausend,
  • subventioniert durch geschenkte CO2-Zertifikate,
  • schlechter Wirkungsgrad,
  • hoher CO2-Ausstoss,
  • Feinstaub, Stickoxide, Blei und Cadmium für die Anlieger,
  • monopolistische Unternehmensstruktur,
  • Ignoranz der Klimafolgen

 

Ganz offensichtlich eine falsche Entscheidung, die uns und unsere Kinder teuer zu stehen kommt.

Anrede,

teuer meine ich im doppelten Sinne. Deshalb möchte ich ein paar Argumente aus der Sicht der Ökonomie  zitieren. Da wir unverdächtige Kronzeugen brauchen nehmen wir einfach mal die Deutsche Bank bzw. die Deutsche Bank Research mit ihrem Chef Norbert Walter.

DB Research schreibt am 3. März 2008 unter der Überschrift "Kraft-Wärme-Kopplung ermöglicht doppelte Dividende: "Moderne Anlagen zur gekoppelten Erzeugung von Kraft und Wärme nutzen 90 Prozent der Inputenergie. Die extreme KWK-Effizienz spart Primärenergie und schont das Weltklima. Erste Projekte virtueller Kraftwerke zeigen, dass die einstige Spielwiese von Visionären mittlerweile auch pragmatische Wissenschaftler fasziniert. In Zukunft können virtuelle Kraftwerke den Neubau traditioneller Kraftwerke ersparen. Die global gestiegenen Energie- und Umweltprobleme benötigen dringend eine Neuausrichtung unserer Energie- und Umweltpolitik."

Schlecht kommen bei DB Research die neuen Kohlekraftwerke weg. Per Saldo sagen die Forscher spart KWK im Vergleich zum Kohlekraftwerk 36 Prozent der Primärenergie. Außerdem rechnet DB Research mit großen Einsparungen bei Staub: 99 %, Schwefeldioxid 98,5 %, Stickoxide 29 % und Kohlendioxid 58 %.

Anrede,

wir schlagen Ihnen vor, ein Landesklimaschutz- und Energiegesetz zu erlassen, das höchstmögliche Effizienz beim Bau neuer Kraftwerke vorschreibt. Die Regelungskompetenz dazu haben die Länder, wie ein Gutachten der FU Berlin für den Bundesumweltminister dokumentiert. Hier könnten wir alle Spielräume nutzen, die die Bundesgesetzgebung lässt. Außerdem schlagen wir vor, die Wasserentnahmegebühr für Kühlwasser zu verdoppeln. Es ist in doppelter Hinsicht widersinnig, die Kühlwassernutzung zu subventionieren. Widersinnig ist auch die Förderung von Alttechnologien mit Landesgeld und EU-Fördermitteln, egal ob direkt oder indirekt. Hatten Sie nicht irgendetwas mit Innovation vor. Hier könnten Sie glänzen.

Anrede,

wir stehen vor einer Richtungsentscheidung, die für nachkommende Generationen von fundamentaler Bedeutung ist.

Sie stehen für das "Weiter so" bei Kohle und Atomkraft.

Wir stehen für Effizienz, Innovation, Hightech, ökonomische Vernunft und die Bewahrung von Natur und Umwelt.

Sie werden die Kraft der Bürgerinitiativen zu spüren bekommen. Die Wut über die Entwertung von Investitionen in Naturschutz und Tourismus. Die Sorge um die Gesundheit der Kinder an den Kohlestandorten.

Anrede,

gestern hat der Konzern EnBW den Verhandlungspartnern von CDU und Grünen in Hamburg mit einer extremen Schadenersatzforderung von 1,3 Mrd. Euro gedroht. Gleichzeitig hat Herr Cramer kein Problem bei jeder sich bietenden Gelegenheit den Atomkonsens in Frage zu stellen – geltendes Recht.

Ich hoffe, dass es gelingt diesem Herrn zu zeigen, dass eine lebendige Demokratie stärker ist als die Erpressungsversuche einer kleinen Gruppe von Strommanagern, die genauso viel Ehrgefühl, Gewissen und Verantwortungsbewusstsein haben wie der "ehrenwerte" Herr Zumwinkel, der sein Geld in Lichtenstein anlegte.

 

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